Beethovens Fidelio
Libretto








OUVERTURE

Erster Aufzug

Der Hof des Staatsgefängnisses. Im Hintergrund das Haupttor und eine hohe Wallmauer, über welche Bäume hervorragen. Im geschlossenen Tor selbst ist eine kleine Pforte, die für einzelne Fußgänger geöffnet wird. Neben dem Tor das Stübchen des Pförtners. Links die Wohngebäude der Gefangen; alle Fenster haben Gitter, und die mit Nummern bezeichneten Türen sind mit Eisen beschlagen und mit starken Riegeln bewehrt. In der vordersten Kulisse ist die Tür zur Wohnung des Gefangenenwärters, Rechts stehen von einem Geländer eingefaßte Bäume, die neben einem Gartentor den Eingang des Schloßgartens bezeichnen.

Erster Auftritt

Marzelline plättet Wäsche vor ihrer Tür; neben ihr steht ein Kohlenbecken, in dem sie den Stahl wärmt. Jacquino hält bei seinem Stübchen; er öffnet die Tür mehreren Personen, die ihm Pakete übergeben, welche er in sein Stübchen legt.

Nr. 1 Duett

Jacquino
(verliebt sich die Hände reibend)
Jetzt, Schätzchen, jetzt sind wir allein,
wir können vertraulich nun plaudern.

Marzelline
Es wird wohl nichts Wichtiges sein,
ich darf bei der Arbeit nicht zaudern.

Jacquino
Ein Wörtchen, du Trotzige, du!

Marzelline
So sprich nur, ich höre ja zu.

Jacquino
Wenn du mir nicht freundlicher blickest,
so bring ich kein Wörtchen hervor.

Marzelline
Wenn du dich nicht in mich schickest,
verstopf' ich mir vollends das Ohr.
So hab ich denn nimmermehr Ruh',
so rede, so rede nur zu.

Jacquino
Ein Weilchen nur höre mir zu,
dann laß' ich dich wieder in Ruh',
Ich habe, ich habe
ich habe zum Weib dich erwählet,
verstehst du?

Marzelline
Das ist ja doch klar.

Jaquino
Und wenn mir dein Jawort nicht fehlet,
was meinst du?

Marzelline
So sind wir ein Paar.

Jaquino
Wir könnten in wenigen Wochen . . .

Marzelline
Recht schön, du bestimmst schon die Zeit.

Jaquino
Zum Henker, das ewige Pochen!
Da war ich so herrlich im Gang,
und immer entwischt mir der Fang.

Marzelline
So bin ich doch endlich befreit!
Wie macht seine Liebe mir bang,
und wie werden die Stunden mir lang.

(Jaquino öffnet die Pforte, nimmt ein Paket ab und legt es in sein Stübchen; unterdessen fährt Marzelline fort.)

Ich weiß, daß der Arme sich quälet,
es tut mir so leid auch um ihn.
Fidelio hab' ich gewählet,
ihn lieben ist süßer Gewinn.

Jaquino
Wo war ich? Sie sieht mich nicht an!

Marzelline
Da ist er--er fängt wieder an!

Jaquino
Wann wirst du das Jawort mir geben?
Es könnte ja heute noch sein.

Marzelline (beiseite)
O weh! er verbittert mein Leben!

(zu Jaquino)
Jetzt, morgen und immer nein, nein!

Jacuino
Du bist doch wahrhaftig von Stein,
kein Wünschen, kein Bitten geht ein.

Marzelline (für sich)
Ich muß ja so hart mit ihm sein,
er hofft bei dem mindesten Schein.  

Jaquino
So wirst du dich nimmer bekehren?
Was meinst du?

Marzelline
Du könntest nun geh'n.

Jaquino
Wie? Auch das noch?

Marzelline
So bleibe hier steh'n.

Jaquino
Du hast mir so oft doch versprochen...

Marzelline
Versprochen? Nein, das geht zu weit...

Jaquino
Zum Henker, das ewige Pochen!

Marzelline
So bin ich doch endlich befreit!
Das ist ein willkommener Klang,
es wurde zu Tode mir bang.

Jaquino
Es ward ihr im Ernste schon bang,
wer weiß, ob es mir gelang.

Zweiter Auftritt

Marzelline (allein)
Der arme Jarquino dauert mich beinahe. Kann ich es aber ändern? Ich war ihm sonst recht gut, da kam Fidelio in unser Haus, und seit der Zeit ist alles in mir und um mich veründert.

Nr. 2 Arie

Marzelline
O wär' ich schon mit dir vereint,
und dürfte Mann dich nennen!
Ein Mädchen darf ja, was es meint,
zur Hälfte nur bekennen.
Doch wenn ich nicht erröten muß
ob einem warmen Herzenskuß,
wenn nichts uns stört auf Erden.--
(seufzt und legt die Hand auf die Brust)
Die Hoffnung schon erfüllt die Brust,
mit unaussprechlich süßer Lust,
wie glücklich will ich werden!
In Ruhe stiller Häuslichkeit
erwach' ich jeden Morgen,
wir grüßen uns mit Zärtlichkeit,
der Fleiß verscheucht die Sorgen.
Und ist die Arbeit abgetan,
dann schleicht die holde Nacht heran,
dann ruh'n wir von Beschwerden.
Die Hoffnung schon erfüllt die Brust,
mit unaussprechlich süßer Lust;
wie glücklich will ich werden.

Dritter Auftritt

Marzelline, Rocco, Jacquino

Rocco (auftretend)
Guten Tag, Marzelline.
Ist Fidelio noch nicht zurückgekommen?

Marzelline
Nein, Vater.

Rocco
Ich erwarte ihn mit Ungeduld.

Marzelline
Da ist er ja! Da ist er!

Vierter Auftritt

Vorige. Leonore.

(Leonore tritt auf. Sie trägt ein dunkles Wams, ein rotes Gilet, dunkles Beinkleid, kurze Stiefel, einen breiten Gürtel aus schwarzem Leder mit einer kupfernen Schnalle; ihre Haare sind in eine Netzthaube gesteckt. Auf dem Rücken trägt sie ein Behältnis mit Lebensmitteln, and den Armen Ketten, die sie beim Eintreten an dem Stübchen des Pförtners ablegt; an der Seit hängt ihr eine blecherne Büchse an einer Schnur.)

Rocco
Armer Fidelio, diesmal hast du zuviel dir aufgeladen.

LeonoreIch muß gestehen, ich bin ein wenig ermüdet. Der Schmied hatte an den Ketten so lange auszubessern, daß ich glaubte, er werde nicht damit fertig werden.

Rocco
Sind sie jetzt gut gemacht?

Leonore
Gewiß, recht gut und stark. Keiner der Gefangenen wird sie zerbrechen.

Rocco
Wieviel kostet alles zusammen?

Leonore
Hier ist die genaue Rechnung.

Rocco
Gut! Brav! Du bist mir ein kluger Jung!

Leonore
Ich suche zu tun, was mir möglich sit.

Rocco
Ja, ja, du bist brav. Ich habe dich aber auch mit jedem Tag lieber, und--sei versichert, dein Lohn soll auch nicht ausbleiben.

Leonore
O glaubt nicht, daß ich meine Schuldigkeit nur des Lohnes wegen...

Rocco
Still! Meinst du, ich könne dir nicht ins Herz sehen?

Nr. 3: Quartett

Marzelline (für sich)
Mir ist so wunderbar,
es engt das Herz mir ein,
er liebt mich, es ist klar,
ich werde glücklich sein!

Leonore (für sich)
Wie groß ist die Gefahr,
wie schwach der Hoffnung Schein!
Sie liebt mich, es ist klar,
o namenlose Pein!

Rocco (für sich)
Sie liebt ihn, es ist klar,
ja Mädchen, er wird dein!
Ein gutes, junges Paar,
sie werden glücklich sein!

Jacquino
Mir sträubt sich schon das Haar,
der Vater willigt ein,
mir wird so wunderbar,
mir fällt ein Mittel ein.

(Er geht in seine Stube zurück.)

Rocco
Höre, Fidelio, weißt du, was ich tue? Ich mache dich zu meinem Tochtermann!

Marzelline
Wirst du es bald tun, lieber Vater?

Rocco
Sobald der Gouverneur nach Sevilla abgereist sein wird! Dann haben wir mehr Muße. Den Tag nach seiner Abreise gebe ich euch zusammen.

MarzellineDen Tag nach seiner Abreise!

Rocco
Nun, meine Kinder, ihr habt euch doch recht herzlich lieb, nicht war? Aber das ist noch nicht alles, was zu einer guten, vergnügten Haushaltung gehört, man braucht auch...

(Er macht die Gebärde des Geldzählens.)

Nr. 4. Arie.

Rocco
Hat man nicht auch Gold beineben,
kann man nicht ganz glücklich sein,
traurig schleppt sich fort das Leben,
mancher Kummer stellt sich ein.
Doch wenn's in den Taschen fein klingelt und rollt,
da hält man das Schicksal gefangen,
und Macht und Liebe verschafft dir das Gold,
und stillet das kühnste Verlangen.
Das Glück dient wie ein Knecht für Sold,
es ist ein schönes Ding, das Gold,
es ist ein schönes Ding, das Gold.
Wenn sich Nichts mit Nichts verbindet,
ist und bleibt die Summe klein,
wer bei Tisch nur Liebe findet,
wird nach Tische hungrig sein.
Drum lächle der Zufall euch gändig und hold,
und segne und lenk' euer Streben;
das Liebchen im Arme, im Beutel das Gold,
so mögt ihr viel Jahre durchleben.
Das Glück dient wie ein Knecht für Sold,
es ist ein mächtig Ding, das Gold.

Leonore
Ihr könnt das leicht sagen, Meister Rocco, aber ich, ich behaupte, daß die Vereinigung zweier gleichgestimmter Herzen die Quelle des wahren ehelichen Glückes ist. O, dieses Glück muß der größte Schatz auf Erden sein. Freilich gibt es noch etwas, was mir nicht weniger kostbar sein würde.

Rocco
Und was wäre denn das?

Leonore
Euer Vertrauen! Oft sehe ich Euch aus den unterirdischen Gewölben dieses Schlosses ganz außer Atem zurckkommen. Warum erlaubt Ihr mir nicht, Euch dahin zu begleiten?

Rocco
Du weißt doch, daß ich den strengsten Befehl habe, niemanden, wer es auch sein mag, zu den Staatsgefangenen zu lassen.

Marzelline Du arbeitest dich ja zu Tode, lieber Vater.

Rocco
Ja, ihr habt recht, diese schwere Arbeit würde mir doch endlich zuviel werden. Der Gouverneur ist zwar sehr streng, er muß mir aber doch erlauben, dich in die geheimen Kerker mit mir zu nehmen. Auch gibt es ein Gewölbe, in das ich dich wohl nie werde führen dürfen, obschon ich mich ganz auf dich verlassen kann.

Marzelline
Vermutlich, wo der Gefangene sitzt, von dem du schon einigemale gesprochen hast.

Rocco
Du hast's erraten, Marzelline.

Leonore
Ich glaube, es ist schon lange her, daß er gefangen ist?

Rocco
Es ist schon über zwei Jahre.

Leonore
Zwei Jahre, sagt Ihr? Er muß ein großer Verbrecher sein.

Rocco
Oder er muß große Feinde haben, das kommt ungefähr auf eins heraus. Nun, es kann nicht mehr lange mit ihm dauern. Seit einem Monat schon muß ich auf Pizarros Befehl seine Portion immer kleiner machen. Jetzt hat er binnen vierundzwanzig Stunden nicht mehr als zwei Unzen schwarzes Brot, eine halbe Maß Wasser, kein Licht, kein Stroh--nichts!

Marzelline
O lieber Vater, führe Fidelio ja nicht zu ihm! Diesen Anblick könnte er nicht ertragen!

Leonore
Warum denn nicht? Ich habe Mut und Kraft.

Nr. 5: Terzett

Rocco
Gut, Söhnchen, gut,
hab immer Mut
dann wird's dir auch gelingen;
das Herz wird hart
durch Gegenwart
bei fürchterlichen Dingen.

Leonore
Ich habe Mut!
Mit kaltem Blut
will ich hinab mich wagen,
für hohen Lohn
kann Liebe schon
auch hohe Leiden tragen.

Marzelline
Dein gutes Herz
wird manchen Schmerz
in diesen Grüften leiden;
dann kehrt zurck
der Liebe Glück
und unnennbare Freuden.

Rocco
Du wirst dein Glück ganz sicher bauen.

Marzelline
Ich hab' auf Gott und Recht Vertraugen.

Marzelline
Du darfst mir auch ins Auge schauen:
der Liebe Macht ist auch nicht klein.
Ja, ja, wir werden glücklich sein.

Leonore
Ja, ja, ich kann noch glücklich sein.

Rocco
Ja, ja, ihr werdet glücklich sein.
Der Gouverneur...
der Gouverneur soll heut' erlauben,
daß du mit mir die Arbeit teilst.

Leonore
Du wirst mir alle Ruhe rauben,
wenn du auch nur bis morgen weilst.

Marzelline
Ja, guter Vater, bitt' ihn heute,
in kurzem sind wir dann ein Paar.

Rocco
Ich bin ja bald des Grabes Beute,
ich brauche Hilf, es ist ja wahr.

Leonore (für sich)
Wie lang' bin ich des Kummers Beute!
Du, Hoffnung, reichst mir Labung dar.

Marzelline
Ach, lieber Vater, was fällt euch ein?
Lang Freund und Rater müßt ihr uns sein.

Rocco Nur auf der Hut, dann geht es gut,
gestillt wird euer Sehnen.

Marzelline
O habe Mut! O welche Glut!
O welch ein tiefes Sehnen!

Leonore
Ihr seid so gut, ihr macht mir Mut,
gestillt wird bald mein Sehnen!

Rocco
Gebt euch die Hand und schließt das Band
in süßen Freudentränen.

Leonore
Ich gab die Hand zum süßen Band,
es kostet bitt're Tränen.

Marzelline
Ein festes Band mit Herz und Hand!
O süße, süße Tränen! usw.

Rocco
Aber nun ist es Zeit, daß ich
dem Gouverneur die Briefschaften überbringe.
A, er kommt selbst hierher!

Nr. 6: Marsch

Fünfter Auftritt

Rocco, Pizarro, Offiziere, Wachen.

(Während des zuvor begonnenen Marsches wird das Haupttor durch Schildwachen von außen geöffnet. Offiziere ziehen mit einem Detachement ein, dann kommt Pizarro, das Tor wird geschlossen.)

Pizarro
Drei Schildwachen auf den Wall!
Wo sind die Depeschen?

Rocco
Hier sind sie.

Pizarro
Immer Empfehlungen oder Vorwürfe. Was seh ich? Ich kenne diese Schrift. "Ich gebe Ihnen Nachricht, daß der Minister in Erfahrung gebracht hat, daß die Staatsgefängnisse, denen Sie vorstehen, mehrere Opfer willkürlicher Gewalt enthalten. Er reist morgen ab, um Sie mit einer Untersuchung zu überraschen. Seien Sie auf Ihrer Hut und suchen Sie sich sicherzustellen." Ah, wenn er entdeckte, daß ich diesen Florestan in Ketten liegen habe, den er längst tot glaubt. Doch, es gibt ein Mittel!

Nr. 7: Arie mit Chor

Pizarro
Ha! Welch ein Augenblick!
Die Rache werd' ich kühlen,
dich rufet dein Geschick!
In seinem Herzen wühlen, Schon war ich nah' im Staube,
dem lauten Spott zum Raube,
dahin gestreckt zu sein.
Nun ist es mir geworden,
den Mörder selbst zu morden.
In seiner letzten Stunde,
den Stahl in seiner Wunde,
im noch ins Ohr zu schrei'n:
Triumph! Der Sieg ist mein!

Die Wache (halblaut unter sich)
Er spricht von Tod und Wunde!
Nun fort auf uns're Runde!
Wie wichtig muß es sein!

Pizarro
Ha! Welch ein Augenblick!
Die Rache werd' ich kühlen,
Ha! Nun ist es mir geworden,
den Mörder selbst zu morden!

Chor
Er spricht von Tod und Wunde!
Wacht scharf auf eurer Runde!
Wie wichtig muß es sein!

Pizarro
Ha! Welch ein Augenblick!
Die Rache werd' ich kühlen,
dich rufet dein Geschick!
Triumph! Der Sieg ist mein!

Hauptmann! Hören Sie. Besteigen Sie mit einem Trompeter sogleich den Turm. Sehen Sie mit der größten Aufmerksamkeit auf die Straße von Sevilla. Sobald Sie einen Wagen von Reitern begleitet erblicken, lassen Sie augenblicklich ein Signal geben. Verstehn Sie, augenblicklich! Ich erwarte die größte Pünktlichkeit! Sie haften mir mit Ihrem Kopf dafür. Rocco, komm näher!

Nr. 8: Duett

Pizarro
Jetzt, Alter, jetzt hat es Eile!
Dir wird ein Glück zu Teile,
du wirst ein reicher Mann.
(wift ihm einen Beutel zu)
das geb' ich nur daran.

Rocco
Sagt doch nur in Eile,
womit ich dienen kann!

Pizarro
Du bist von kaltem Blute,
von unverzagtem Mute
duch langen Dienst geworden.

Rocco
Was soll ich? Redet!

Pizarro
Morden!

Rocco
Wie?

Pizarro
Höre mich nun an!
Du bebst? Bist du ein Mann?
Wir dürfen gar nicht säumen,
dem Staate liegt daran,
den bösen Untertan
schnell aus dem Weg zu räumen.

Rocco
O Herr!

Pizarro
Du stehst noch an?
(für sich)
Er darf nicht länger leben,
sonst ist's um mich gescheh'n.
Pizarro sollte beben?
Du fällst, ich werde steh'n.

Rocco
Die Glieder fühl' ich beben,
wie könnt' ich das besteh'n?
Ich nehm' ihm nicht das Leben,
mag, was da will, gescheh'n.
Nein, Herr, das Leben nehmen,
das ist nicht meine Pflicht.

Pizarro
Ich will mich selbst bequemen,
wenn dir's an Mut gebricht.
Nun eile rasch und munter
zu jenem Mann hinunter,
du weißt...

Rocco
...der kaum mehr lebt
und wie ein Schatten schwebt?

Pizarro
Zu dem, zu dem hinab!
Ich wart' in kleiner Ferne,
du gräbst in der Zisterne
sehr schnell ein Grab.

Rocco
Und dann? Und dann?

Pizarro
Dann werd' ich schnell, vermummt,
mich in den Kerker schleichen:
Ein Stoß (zeigt den Dolch)
...und er verstummt!

Rocco
Verhungernd in den Ketten,
ertrug er lange Pein,
ihn töten, heißt ihn retten,
der Dolch wird ihn befrei'n.

Pizarro
Er sterb' in seinen Ketten,
zu kurz war seine Pein!
Sein Tod nur kann mich retten,
dann werd' ich ruhig sein!
Jetzt, Alter, jetzt hat es Eile!
Hast du mich verstanden?
Du gibst ein Zeichen:
dann werd ich selbst, vermummt,
mich in den Kerker schleichen;
Ein Stoß--und er verstummt!

Rocco
Verhungernd in den Ketten, usw.

Pizarro
Er sterb' in seinen Ketten, usw.

(Sie gehen ab.)

Sechster Auftritt

Leonore allein

Nr. 9: Rezitativ und Arie.

Leonore
(tritt in heftiger innerer Bewegung von der anderen Seite auf und sieht den Abgehenden mit steigender Unruhe nach.)

Abscheulicher! Wo eilst du hin?
Was hast du vor in wildem Grimme?
Des Mitleids Ruf, der Menschen Stimme,
rührt nichts mehr deinen Tigersinn Doch toben auch wie Meereswogen
dir in der Seele Zorn und Wut,
so leuchtet mir ein Farbenbogen,
der hell auf dunklen Wolken ruht.
Der blickt so still, so friedlich nieder,
der spiegelt alte Zeiten wieder,
und neu besänftigt wallt mein Blut.
Komm, Hoffnung, laß den letzten Stern
der Müden nicht erbleichen!
Erhelle mein Ziel, sei's noch so fern,
die Liebe wird's erreichen.
Ich folg' dem inner'n Triebe,
ich wanke nicht, mich stärkt die Pflicht
der treuen Gattenliebe!
O du, für den ich alles trug, wo Bösheit dich in Fesseln schlug,
und süßen Trostdir bringen!
Ich folg' dem inner'n Triebe,
ich wanke nicht, mich stärkt die Pflicht
der treuen Gattenliebe!

Siebenter Auftritt

Marzelline kommt aus dem Hause. Jacquino folgt ihr.

Jacquino
Aber Marzelline...

Marzelline
Kein Wort. Keine Silbe!

Achter Auftritt

Vorige. Rocco, Leonore aus dem Garten.

Rocco
Was habt ihr denn beide wieder zu zanken?

Marzelline
Ach Vater, er will, daß ich ihn heiraten soll.

Jacquino
Ja!

Rocco
Nein, Jacquino, von deiner Heirat ist jetzt keine Rede, mich beschäftigen andere, klügere Absichten!

Marzelline
Ich verstehe Vater! Fidelio!

Leonore
Rocco, Ihr verspracht mir so oft, die armen Gefangenen in unseren Festungsgarten zu lassen. Heute ist das Wetter so schön!

Marzelline
O ja, ich bitte mit ihm!

Rocco
Kinder, ohne Erlaubnis des Gouverneurs?

Marzelline
Aber er sprach so lange mit Euch. Vielleicht sollt Ihr ihm einen Gefallen tun, und dann wird er es so genau nicht nehmen.

Rocco
Einen Gefallen? Du hast recht, Marzelline. Wohl denn, Jacquino, Fidelio, öffnet die leichteren Gefängnisse! Ich aber gehe zu Pizarro und halte ihn zurück.

(Rocco geht ab. Leonore und Jacquino schließen die wohlverwahrten Gefängnistüren auf, ziehen sich dann mit Marzelline in den Hintergrund und beobachten mit Teilnahme die nach und nach auftretenden Gefangenen.)

Neunter Auftritt

Die Gefangenen

Nr. 10: Finale

Chor der Gefangenen

O welche Lust! in freier Luft
den Atem leicht zu heben!
Nur hier, nur hier ist Leben,
der Kerker eine Gruft.

Erster Gefangener
Wir wollen mit Vertrauen
auf Gottes Hülfe bauen.
Die Hoffnung flüstert sanft mir zu:
Wir werden frei, wir finden Ruh!

Alle Anderen (jeder für sich)
O Himmel! Rettung!
Welch' ein Glück!
O Freiheit! Freiheit,
kehrst du zurück?

Zweiter Gefangener
Sprecht leise, haltet euch zurück!
Wir sind belauscht mit Ohr und Blick.

Alle Anderen
Sprecht leise, haltet euch zurück!
Wir sind belauscht mit Ohr und Blick.
Sprecht leise, ja leise!
O welche Lust! in freier Luft
den Atem leicht zu heben!
O welche Lust!
Nur hier, nur hier ist Leben.
Sprecht leise, haltet euch zurück!
Wir sind belauscht mit Ohr und Blick.
(Die Gefangenen entfernen sich in den Garten, Rocco und Leonore nähern sich der Vorderbühne.)

Zehnter Auftritt

Rocco. Leonore.
Leonore
Nun sprecht, wie ging's?

Rocco
Recht gut, recht gut;
zusammen rafft' ich meinen Mut
und trug ihm alles vor,
und soll'st du's glauben,
was er zur Antwort mir gab?
Die Heirat und daß du mir hilfst,
will er erlauben, noch heute führ' ich
in die Kerker dich hinab.

Leonore
Noch heute, noch heute?
O welch ein Glück, o welche Wonne!

Rocco
Ich sehe deine Freude,
Nur noch ein Augenblick,
dann gehen wir schon beide...

Leonore
Wohin?

Rocco
Zu jenem Mann hinab,
dem ich seit vielen Wochen
stets weniger zu essen gab.

Leonore
Ha! Wird er losgesprochen?

Rocco
O nein!

Leonore
So sprich!

Rocco
O nein! Wir müssen ihn, doch wie?--befrei'n
Er muß in aller Stille
--so ist's Pizarro's Wille--
von uns begraben sein.

Leonore
So ist er tot?

Rocco
Noch nicht, noch nicht!

Leonore
Ist ihn zu töten deine Pflicht?

Rocco
Nein, guter Junge, zitt're nicht!
Zum Morden dingt sich Rocco nicht.
Der Gouverneur kommt selbst hinab;
wir beide graben nur das Grab.

Leonore (für sich)
Vielleicht das Grab des Gatten graben?
Was kann fürchterlicher sein!

Rocco
Ich darf ihn nicht mit Speise laben;
ihm wird im Grabe besser sein.
Wir müssen gleich zum Werke schreiten;
du mußt mir helfen, mich belgeiten,
hart ist des Kerkermeisters Brot.

Leonore
Ich folge dir, wär's in den Tod.

Rocco
In der zerfallenen Zisterne
bereiten wir die Grube leicht;
ich tu' es, glaube mir, nicht gerne,
auch dir ist schaurig, wie mich deutcht.

Leonore
Ich bin es nur noch nicht gewohnt.

Rocco
Ich hätte gerne dich verschont
doch wird es mir allein zu schwer,
und gar so streng ist unser Herr.

Leonore (für sich)
O welch ein Schmerz!

Rocco
Mir scheint, er weine,
ich geh' alleine, ich geh allein.

Leonore
O nein, o nein! Ich muß ihn seh'n.
den Armen sehen.
Und müßt' ich selbst zugrundegeh'n!

Beide
O säumen wir nun länger nicht,
wir folgen unserer strengen Plficht.

Achter Auftritt
Vorige. Jacquino und Marzelline atemlos hereinstürzend.

Marzelline
Ach! Vater, eilt!

Rocco
Was hast du denn?

Jaquino
Nicht länger weilt!

Rocco
Was ist geschehen?

Marzelline
Es folget mir Pizarro nach!
Er drohet dir!

Rocco
Gemach, gemach!

Leonore
So eilet fort!

Rocco
Nur noch dies Wort:
Sprich, weiß er schon?

Jaquino
Ja, er weiß es schon.

Marzelline
Der Offizier sagt' ihm, was wir
jetzt den Gefangenen gewähren.

Rocco
Laßt alle schnell zurückkehren!

Marzelline
Ihr wißt ja, wie er tobet,
und kennet seine Wut.

Leonore (für sich)
Wie mir's im Innern tobet,
empöret ist mein Blut!

Rocco (für sich)
Mein Herz hat mich gelobet
sei der Tyrann in Wut!

Zwölfter Auftritt

Vorige. Pizarro. Zwei Offiziere. Später Marzelline und Jacquino mit den Gefangenen.

Pizarro
Verwegener Alter, welche Rechte
legst du dir frevelnd selber bei?
Und ziemt es dem gedung'nen Knechte,
zu geben die Gefangenen frei?

Rocco
O Herr!

Pizarro
Wohlan!

Rocco (verlegen)
Des Frühlings Kommen,
das heit're, warme Sonnenlicht,
dann...(sich fassend)
...habt Ihr wohl in acht genommen,
was sonst zu meinem Vorteil spricht?
Des Königs Namensfest ist heute,
das feiern wir auf solche Art.
(heimlich zu Pizarro)
Der unten stirbt, doch laßt die ander'n
jetzt fröhlich hin und wieder wandern;
für jenen sei der Zorn gespart!

Pizarro
So eile, ihm sein Grab zu graben,
hier will ich stille Ruhe haben.
mögst du nie mehr verwegen sein!

Chor der Gefangenen
Leb wohl, du warmes Sonnenlicht,
schnell schwindest du uns wieder!

Marzelline
Wie eilten sie zum Sonnenlicht
und scheiden traurig wieder!

Leonore. Jaquino.
Ihr hört das Wort, drum zögert nicht, kehrt in den Kerker wieder!

Pizarro
Nun, Rocco, zög're länger nicht,
steig in den Kerker nieder.

Rocco
Nein, Herr, ich zög're länger nicht,
ich steige eilend nieder!
Mir beben meine Glieder!
O unglückselg'ge, harte Pflicht!

Pizarro
Nicht eher kehrst du wieder,
bis ich vollzogen das Gericht!

Leonore
Angst rinnt durch meine Glieder,
Ereilt den Frevler kein Gericht?

Marzelline
Die ander'n murmeln nieder,
hier wohnt die Lust, die Freude nicht!

Jaquino
Sie sinnen auf und nieder!
Könnt' ich versteh'n, was jeder spricht!

Chor
Schon sinkt die Nacht hernieder,
aus der so bald kein Morgen bricht!

(Die Gefangenen gehen in ihre Zellen, die Leonore und Jaquino verschließen.)

Zweiter Aufzug

Ein dunkler, unterirdischer Kerker. Links ist eine mit Steinen und Schutt bedeckte Zisterne. Im Hintergrund mehrere mit Gitterwerk verwahrte Öffnungen in der Mauer, durch welche man die Stufen einer herunterführenden Treppe sieht. Rechts die letzten Stufen und die Tür in das Gefängnis. Eine Lampe brennt.

Erster Auftritt

Florestan allein
(Er sitzt auf einem Stein, um den Leib hat er eine lange Kette, deren Ende in der Mauer befestigt ist.)

Nr. 11: Introduktion und Arie

Florestan
Gott! Welch Dunkel hier!
O grauenvolle Stille!
öd ist es um mich her;
nichts lebet außer mir.
O schwere Prüfung!
Doch gerecht ist Gottes Wille!
Ich murre nicht!
Das Maß der Leiden steht bei dir.
In des Lebens Frühlingstagen
ist das Glück von mir gefloh'n.
Wahrheit wagt' ich kühn zu sagen,
und die Ketten sind mein Lohn.
Willig duld' ich alle Schmerzen,
ende schmächlich meine Bahn;
süßer Trost in meinem Herzen:
meine Pflicht hab' ich getan!
Und spür' ich nicht linde, sanft säuselnde Luft?
Und ist nicht mein Grab mir erhellet?
Ich seh', wie ein Engel im rosigen Duft
sich tröstend zur Seite mir stellet. der führt mich zur Freiheit ins himmlische Reich!

Zweiter Auftritt

Florestan. Rocco. Leonore.

(Florestan sinkt erschöpft auf den Felsensitz und birgt sein Gesicht in den Händen, Rocco und Leonore kommen im Hintergrund die Treppe herunter. Sie tragen einen Krug und Werkzeug zum Graben und eine Lampe. Die Hintertür öffnet sich, und das Theater erhellt sich zur Hälfte.)

Nr. 12: Melodram und Duett

Leonore
Wie kalt ist es in diesem unterirdischen Gewölbe!

Rocco
Das ist natürlich, es ist ja so tief.

Leonore
(blickt unruhig nach allen Seiten umher)
Ich glaubte schon, wir würden den Eingang gar nicht finden.

Rocco (sich zu Florestan wendend)
Da ist er.

Leonore
(den Gefangenen zu erkennen suchend)
Er scheint ganz ohne Bewegung.

Rocco
Vielleicht ist er tot.

Leonore
Ihr meint es?

(Florestan macht eine Bewegung.)

Rocco
Nein, nein, er schläft nur. An die Arbeit!
Wir dürfen keine Zeit verlieren!

Leonore
Es ist unmöglich, seine Züge zu unterscheiden.
Gott steh' mir bei, wenn er es ist!

Rocco
Hier unter diesen Trümmern ist die Zisterne. Wir brauchen nicht viel zu graben. Gib mir die Haue.
(Er steigt bis an die Hüften in die Höhlung hinab, stellt den Krug und legt das Bund Schlüssel neben sich. Leonore steht am Rand und reicht ihm die Haue.)

Du zitterst ja? Fürchtest du dich?

Leonore
O nein, es ist nur so kalt.

Rocco
So mach' fort, bei der Arbeit wird dir schon warm werden.
(Rocco beginnt zu arbeiten. Leonore nutzt den Moment, in dem Rocco sich bückt, um den Gefangenen zu betrachten.)

Rocco
Nur hurtig fort, nur frisch gegraben,
es währt nicht lang, er kommt herein.

Leonore (ebenfalls arbeitend)
Ihr sollt ja nicht zu klagen haben,
ihr sollt gewiß zufrieden sein.

Rocco
Komm, hilf doch diesen Stein mir heben!
Hab Acht! Er hat Gewicht.

Leonore
Ich helfe schon, sorgt Euch nicht,
ich will mir alle Mühe geben.

Rocco
Ein wenig noch!

Leonore
Geduld!

Rocco
Er weicht!

Leonore
Nur etwas noch!

Rocco
Es ist nicht leicht!
(Sie lassen den Stein über die Trümmer rollen.)

Rocco
Nur hurtig fort, nur frisch gegraben,
es währt nicht lang, er kommt herein.

Leonore
Laßt mich nur wieder Kräfte haben,
wir werden bald zu Ende sein.
(sucht den Gefangenen zu betrachten; für sich)
Wer du auch seist, ich will dich retten,
bei Gott! du sollst kein Opfer sein!
Gewiß, ich löse deine Ketten,
Rocco
(sich schnell aufrichtent)
Was zauderst du in deiner Pflicht?

Leonore
(Sie fängt wieder an zu arbeiten.)
Nein, Vater, nein, ich zaudre nicht.

Rocco
Nur hurtig fort, nur frisch gegraben,
es währt nicht lang, so kommt er her.

Leonore
Ihr sollt ja nicht zu klagen haben,
laßt mich nur wieder Kräfte haben,
denn wir wird keine Arbeit schwer.
(Rocco trinkt aus dem Krug.)

Leonore
Er erwacht!

Rocco
Er erwacht, sagst du? Ohne Zweifel wird
er wieder tausend Fragen an micht stellen.
Ich muß allein mit ihm reden.
Nun, Ihr habt geruht?

Florestan
Geruht? Wie fände ich Ruhe?

Leonore
Diese Stimme!--Wenn ich nur einen Augenblick
sein Gesicht sehen könnte.

Florestan
Werdet Ihr immer bei meinen Klagen taub sein,
grausamer Mann?

Leonore
Gott! Er ist's!

Florestan
Sagt mir endlich einmal, wer ist Gouverneur
dieses Gefängnisses?

Rocco
Der Govuerneur dieses Gefängnisses ist...
Don Pizarro.

Florestan
Pizarro! Er ist es, dessen Verbrechen ich zu
entdecken wagte. O schickt so bald als möglich
nach Sevilla, fragt nach Leonore Florestan...
Sagt ihr, daß ich hier in Ketten liege.

Rocco
Es ist unmöglich, sag ich Euch.
Ich würde mich ins Verderben stürzen,
ohne Euch genützt zu haben.

Florestan
Wenn ich denn verdammt bin, hier mein Leben
zu enden, o so laßt mich nicht langsam
verschmachten. Aus Barmherzigkeit,
gib mir nur einen Tropfen Wasser.

Rocco
Alles, was ich Euch anbieten kann, ist ein
Restchen Wein. Fidelio, den Krug!

Leonore
(den Krug in größter Eile bringend)

Da ist er!

Florestan (Leonore betrachtend)
Wer ist das?
Rocco
Mein Schließer und in wenigen Tagen mein
Eidam. Fidelio, du bist ja ganz in Bewegung?

Leonore
(in großer Verwirrung)
Wer sollte es nicht sein?
Ihr selbst, Meister Rocco...

Rocco
Ja, es ist wahr, der Mensch hat so eine Stimme...

Leonore
Ja, sie dringt in die Tiefe des Hezens.

Nr. 13: Terzett

Florestan
Euch werde Lohn in besser'n Welten,
der Himmel hat euch mir geschickt.
O Dank! Ihr habt mich süß erquickt;
ich kann die Wohltat nicht vergelten.

Rocco (leise zu Leonore)
Ich labt' ihn gern, den armen Mann,
es ist ja bald um ihn getan.

Florestan (für sich)
Bewegt seh' ich den Jüngling hier,
und Rührung zeigt auch dieser Mann.
O Gott, du sendest Hoffnung mir,
da ich sie noch gewinnen kann.

Leonore (für sich)
Wie heftig pochet dieses Herz,
die hehre, bange Stunde winkt,
die Tod mir oder Rettung bringt.

Rocco (für sich)
Ich tu', was meine Pflicht gebeut,
doch hass' ich alle Grausamkeit.

Leonore (leise zu Rocco)
Dies Stückchen Brot, ja, seit zwei Tagen
trag' ich es immer schon bei mir.

Rocco
Ich möchte gern, doch sag' ich dir,
das hieße wirklich zu viel wagen.

Leonore
Ach! Ihr labet gern den armen Mann.

Rocco
Das geht nicht an, das geht nicht an.

Leonore
Es ist ja bald um ihn getan!

Rocco
So sei es, ja, du kannst es wagen!

Leonore
Da nimm das Brot, du armer Mann!

Florestan
(Leonorens Hand ergreifend und an sich drückend)
O, Dank dir, Dank! O Dank!
Euch werde Lohn in besser'n Welten!
Der Himmel hat euch mir geschickt.
O Dank! Ihr habt mich süß erquickt.

Leonore
Der Himmel schicke Rettung dir,
dann wird mir hoher Lohn gewährt.

Rocco
Mich rührte oft dein Leiden hier,
doch Hilfe war mir streng verwehrt.

Florestan
Bewegt seh' ich den Jüngling hier,
und Rührung zeigt auch dieser Mann,
o wenn ich sie gewinnen kann!

Leonore
Ihr labt' ihn gern, den armen Mann!

Rocco
Ich labt' ihn gern, den armen Mann,
es ist ja bald um ihn getan!

(Florestan verschlingt das Stück Brot.)

Rocco (zu Leonore)
Alles ist bereit. Ich gehe, das Signal zu geben.
(Er geht in den Hintergrund.)

Florestan
(zu Leonore, wührend Rocco die Tür öffnen geht
Wo geht er hin?  

Leonore (in der heftigsten Bewegung)
Nein, nein, beruhige dich!

Florestan
O, meine Leonore, so soll ich dich nie wieder sehen?

(Leonore fühlt sich zu Florestan hingerissen und
sucht diesen Trieb zu überwältigen.)

Leonore
Sei ruhig, sag' ich dir. Vergiß nicht,
was du auch hören und sehen magst,
daß überall eine Vorsehung ist.
(Sie entfernt sich und geht gegen die Zisterne.)

Dritter Auftritt

Vorige. Pizarro.

(Rocco kehrt zurück mit Pizarro, vermummt in einem Mantel.)

Pizarro (zu Rocco, die Stimme verstellend)
Ist alles bereit?

Rocco
Ja, Herr!

Pizarro
Gut, der Junge soll sich entfernen.

Rocco
Geh, entferne dich! Soll ich ihm die Ketten abnehmen?

Pizarro
Nein, aber schließe ihn vom Stein los.
Die Zeit drängt!
(Er zieht einen Dolch hervor.)

Nr. 14: Quartett

Pizarro
Er sterbe! Doch er soll erst wissen,
wer ihm sein stolzes Herz zerfleischt.
Der Rache Dunkel sei zerrissen!
Sieh her! Du hast mich nicht getäuscht!
(Er schlägt den Mantel auf.)
Pizarro, den du stürzen wolltest,
Pizarro, den du fürchten solltest,
steht nun als Rächer hier.

Florestan
Ein Mörder steht vor mir.

Pizarro
Noch einmal ruf' ich dir,
was du getan, zurück.
Nur noch einen Augenblick,
und dieser Dolch...
(Er will Florestan durchbohren. Leonore springt mit gellendem Schrei hervor und deckt Florestan mit ihrem Körper.)
Leonore
Zurück!

Florestan
O Gott!

Rocco
Was soll's?

Leonore
Durchbohren
mußt du erst diese Brust!
Der Tod sei dir geschworen<
für deine Mörderlust!

Pizarro
Wahnsinniger!
(Er schleudert sie fort.)

Rocco (zu Leonore)

Halt ein! Halt ein!

Florestan
O Gott!

Pizarro
Er soll bestrafet sein!

Leonore (noch einmal ihren Mann schützend)
Töt' erst sein Weib!

Pizarro
Sein Weib?

Florestan
Mein Weib?

Leonore (zu Florestan)
Ja, sieh hier Leonore!

Florestan
Leonore!

Leonore (zu den anderen)
Ich bin sein Weib,
geschworn hab' ich ihm Trost,
Verderben dir!

Pizarro
Welch unerhörter Mut!

Florestan
Vor Freude starrt mein Blut.

Rocco
Mir starrt vor Angst mein Blut.

Leonore (für sich)
Ich trotze seiner Wut!
Verberben ihm, ich trotze seiner Wut!

Pizarro
Ha! Soll ich vor einem Weibe beben?
So opfr' ich beide meinem Grimm!
Geteilt hast du mit ihm das Leben,
so teile nun den Tod mit ihm.

Leonore
Der Tod sei dir geschworen,
durchborhen mußt du erst diese Brust!
(ihm schnell eine Pistole vorhaltend)
Noch einen Laut--und du bist tot!
(Vom Turm erklingt die Trompete.)
Ach! Du bist gerettet! Großer Gott!

Florestan
Ach! Ich bin gerettet! Großer Gott!

Pizarros
Ha! Der Minister! Höll und Tod!

Rocco
O! Was ist das? Gerechter Gott!

Vierter Auftritt

Vorige. Jaquino. Zwei Offiziere. Soldaten.

(Pizarro steht betäubt, ebenso Rocco. Leonore hängt an Florestans Hals. Die Trompete erklingt lauter. Jaquino, zwei Offiziere und Soldaten mit Fackeln erscheinen an der obersten Gitteröffnung der Treppe.)

Jaquino
Vater Rocco! Der Herr Minister ist angekommen.
Sein Gefolge wartet schon vor dem Schloßtor.

Rocco (freudig und überrascht, für sich).
Gelobt sei Gott!
(zu Jaquino, sehr laut)
Wir kommen,--ja, wir kommen augenblicklich!
Und diese Leute mit den Fackeln sollen heruntersteigen
und den Herrn Gouverneur hinaufgebleiten.

Nr. 14 bis: Quartett: (Forts.)

Leonore
Es schlägt der Rache Stunde!
Du sollst gerettet sein!

Florestan
Es schlägt der Rache Stunde!
Ich soll gerettet sein!

Pizarro
Verflucht sei diese Stunde!
Die Heuchler spotten mein!

Rocco
O fürchterliche Stunde,
O Gott, was wartet mein?

Pizarro
Verzweiflung wird im Bunde
mit meiner Rache sein.
Verflucht sei diese Stunde!
Die Heuchler spotten mein.

Leonore
Die Liebe wird im Bunde
mit Mute dich befrei'n!

Florestan
Die Liebe wird im Bunde
mit Mute mich befrei'n!
Es schlägt der Rache Stunde,
ich soll gerettet sein.

Rocco
Ich will nicht mehr im Bunde
mit diesem Wütrich sein.
O fürchterliche Stunde!
O Gott, was wartet mein?

(Pizarro stürzt fort, indem er Rocco einen Wink gibt, ihm zu folgen, dieser benutzt den Augenblick, da Pizarro schon geht, faßt die Hände beider Gatten, drückt sie an seine Brust, deutet gen Himmel und eilt ihm nach. Die Soldaten leuchten Pizarro voraus.)

Fünfter Auftritt

Leonore. Florestan.

Nr. 15: Duett.

Leonore und Florestan
O namenlose Freude!

Leonore
Mein Mann an meiner Brust!

Florestan
An Leonorens Brust!

Leonore und Florestan
Nach unnennbaren Leiden
so übergroße Lust!

Leonore
Du wieder in meinen Armen!
Florestan
O Gott! Wie groß ist dein Erbarmen!

Beide
O Dank dir, Gott, für diese Lust!

Leonore
Mein Mann, mein Mann an meiner Brust!

Florestan
Mein Weib, mein Weib an meiner Brust!
Du bist's!

Florestan
O himmlisches Entzücken!...

Leonore
Du bist's!

Florestan
Ich bin's!

Leonore
O himmlisches Entzücken!...

Florestan
Leonore!

Leonore
Florestan!

Leonore und Florestan
O namenlose Freude,
nach unnennbaren Leiden
so übergroße Lust!

Sechster Auftritt

Vorige. Rocco.
Verwandlung.
Paradeplatz des Schlosses
mit der Statue des Königs.


Siebenter Auftritt

Nr. 16: Finale.

(Vom dritten Takt der Musik an marschieren die Schloßwachen auf und bilden ein offenes Viereck. Von einer Seite erscheint Don Fernando, von Pizarro begleitet. Volk eilt herzu. Von der anderen Seite treten, von Jaquino und Marzelline geführt, die Staatsgefangenen ein, die vor Don Fernando niederknien.)

Chor des Volkes und der Gefangenen
Heil sei dem Tag, heil sei der Stunde,
die lang ersehnt, doch unvermeint,
Gerechtigkeit mit Huld im Bunde
vor unseres Grabes Tor erscheint!

Don Fernando
Des besten Königs Wink und Wille
führt mich zu euch, ihr Armen, her,
daß ich der Frevel Nacht enthülle,
die all' umfangen, schwarz und schwer.
Nein, nicht länger kniet sklavisch nieder.
Tyrannenstrenge sei mir fern!
Es sucht der Bruder seine Brüder,
und kann er helfen, hilft er gern.

Chor
Heil sei dem Tag, heil sei der Stunde! Don Fernando
Es sucht der Bruder seine Brüder,
und kann er helfen, hilft er gern.

Achter Auftritt

Vorige. Rocco, durch die Wachen dringend,
hinter ihm Leonore und Florestan.


Rocco
Wohlan! So helft, helfet den Armen!
Pizarro
Was seh' ich? Ha!

Rocco (zu Pizarro)
Fort, fort!

Don Fernando (zu Rocco)
Nun rede!

Rocco
all' Erbarmen vereine diesem Paare sich!
Don Florestan...

Don Fernando (staunend)
Der Totgeglaubte, der Edle,
der für Wahrheit stritt?

Rocco
Und Qualen ohne Zahl erlitt.

Don Fernando
Mein Freund, mein Freund, der Totgeblaubte?
Gefesselt, bleich steht er vor mir.

Leonore und Rocco
Ja, Florestan, ihr seht ihn hier.

Rocco
Und Leonore--

Don Fernando (noch betoffener)
Leonore!

Rocco
...der Frauen Zierde führ' ich vor:
sie kam hierher--

Pizarro
Zwei Worte sagen...

Don Fernando
Kein Wort!
(zu Rocco)
sie kam...

Rocco
...dort an mein Tor,
und trat als Knecht in meine Dienste,
und tat so brave, treue Dienste,
daß ich zum Eidam sie erkor.

Marzelline
O weh mir! Was vernimmt mein Ohr!

Rocco
Der Unmensch wollt' in dieser Stunde
vollzieh'n an Florestan den Mord.

Pizarro
Volzieh'n, mit ihm!--

Rocco
Mit uns im Bunde.
(zu Don Fernando)
nur euer Kommen rief ihn fort.

Chor
Bestrafet sei der Bösewicht, der Unschuld unterdrückt!
Gerechtigkeit hält zum Gericht
der Rache Schwert gezückt.
(Pizarro wird abgeführt.)

Don Fernando (zu Rocco)
Du schlossest auf des Edlen Grab,
jetzt nimm ihm seine Ketten ab!
Doch halt! Euch, edle Frau, allein,
auch ziemt es, ganz ihn zu befrei'n.

Leonore
O Gott! Welch ein Augenblick!

Florestan
O unaussprechlich süßes Glück!

Don Fernando
Gerecht, o Gott, ist dein Gericht!

Marzelline, Rocco
Du prüfest, du verläßt uns nicht.

Chor. Leonore. Marzelline. Florestan. Don Fernando. Rocco.
O Gott! O welch' ein Augenblick!
O unaussprechlich süßes Glück!
Gerecht, o Gott! ist dein Gericht,
du prüfest, du verläßt uns nicht.

Chor
Wer ein holdes Weib errungen,
stimm in unsern Jubel ein.
Nie wird es zu hoch besungen,
Retterin des Gatten sein.

Florestan
Deine Treu' erhielt mein Leben,
Tugend schreckt den Bösewicht.

Leonore
Liebe führte mein Bestreben,
wahre Liebe fürchtet nicht.

Chor
Preist mit hoher Freude Glut
Leonorens edlen Mut!

Florestan und Chor
Wer ein solches Weib errungen,
stimm' in unsern Jubel ein,
nie wird es zu hoch besungen,
Retterin des Gatten sein.

Leonore
Liebend ist es mir gelungen,
dich aus Ketten zu befrei'n.
Liebend sei es hoch besungen,
Florestan ist wieder mein!

Marzelline, Jacquino, Don Fernando, Rocco
Wer ein solches Weib errungen,
stimm' in unseren Jubel ein.
Nie wird es zu hoch besungen,
Retterin des Gatten sein.

Chor
Wer ein holdes Weib errungen,
stimm in unsern Jubel ein,
Nie wird es zu hoch besungen,
Retterin des Gatten sein.

Leonore
Liebend ist es mir gelungen,
dich aus Ketten zu befrei'n.

Marzelline
Liebend ist es ihr gelungen,
ihn aus Ketten zu befrei'n.

Florestan
Liebend ist es dir gelungen,
mich aus Ketten zu befrei'n.

Jaquino. Don Fernando. Rocco.
Liebend ist es ihr gelungen,
ihn aus Ketten zu befrei'n.

Chor
Nie wird es zu hoch besungen,
Retterin des Gatten sein.

ENDE DER OPER.



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