Mozarts Zauberflöte
Entstehungs- und Aufführungsgeschichte




 



Kupferstich im ersten Libretto


Einleitung

"Lieber Beethoven!  Sie reisen itzt nach Wien zur Erfüllung ihrer lange bestrittenen Wünsche.  Mozarts Genius trauert noch und beweinet den Tod seines Zöglings.  Bey dem unerschöpflichen Haydn fand er Zuflucht, aber keine Beschäftigung; durch ihn wünscht er noch einmal mit jemandem vereinigt zu werden.  Durch ununterbrochenen Fleiß erhalten Sie:  Mozarts Geist aus Haydns Händen.  Bonn, d. 29. Okt. 1792.  Ihr wahrer Freund Waldstein"

So schrieb Graf Waldstein zum Abschied in Beethovens Souveniralbum am 29. Oktober 1792.

Vom prophetischen Charakter dieser Worte in bezug auf Beethoven abgesehen, drücken sie jedoch auch etwas in bezug auf Mozart aus, nämlich den grossen Verlust, den sein früher Tod am 5. Dezember 1791 für die Musikwelt bedeutete.

Obwohl einerseits Mozarts Weiterschaffen damit beendet war und obwohl man andererseits hoffen durfte, dass der eine oder andere große Komponist seine Nachfolge antreten würde. hinterliess ja Mozart eine solche Fülle von Werken, dass deren Gesamtheit als sein an uns weitergegebenes, reiches Vermächtnis bereits eine musikalische Welt für sich bildet.

Darin nehmen seine allerletzten Werke insofern bereits eine Sonderstellung ein, als sich sowohl die Fachleute als auch viele Laienfreunde der mozart'schen Musik nicht einig werden können, welches dieser Werke nun wirklich als sein "letztes Vermächtnis" an uns berachtet werden soll: das "Requiem" oder die "Zauberflöte"?

Schließen wir uns hier jedoch nicht dieser müßigen Diskussion an, sondern nehmen wir es einfach als gegeben hin, dass Mozarts letzte deutsche Oper bestimmt eines dieser letzten Vermächtnisse ist und reisen wir also in der Zeit noch weiter zurück, um alle Spuren der Entstehung dieses Werks zu verfolgen.

Bevor wir jedoch direkt auf die Zauberflöte eingehen, sollten wir vielleicht auch noch einen kurzen Blick auf die Entstehung der Oper und der Gattung des deutschen Singspiels werfen.

Ein kurzer Blick auf die Geschichte
der Oper und des deutschen Singspiels

Den meisten von Ihnen ist wohl bereits bekannt, dass die Oper im 15. und 16. Jahrhundert in Italien entstand (Norton/Grove:  538)  im Bemühen der italienischen Renaissance, in ihr die klassische griechische Tragödie wieder aufleben zu lassen:

"When the characters in an opera sing their words instead of speaking them naturally, they find inspiration from the earlier, not the later form of theatre. They are acting in the manner of the first dramatic performances of which we have any knowledge, from the great tragedies of ancient Greece which were written to be sung or intoned rhythmically, with instruments playing in unison with the voices."

"The music of the Greeks is all but lost to us, and tragedy itself was neglected for hundreds of years until the time of the Renaissance, the revival of learning that spread across Europe in the fifteenth and sixteenth centuries."

(Aus: "Music Through Time", eingesehen am: 28. März 2001: http://www.royalopera.org/ Education/EdOpera/OperaThroughTime/HistoryofOpera.htm).

Diese Erläuterung auf der britischen Website der Royal Opera drückt aus, dass die Oper auf sehr frühe Vorbilder zurckgreift, nämlich auf die Tragödien des klassischen Griechenland, die gesungen oder zumindest rhythmisch betont, mit Instrumentalbegleitung, vorgetragen wurden, dass jedoch leider hierzu keine Aufzeichnungen überliefert sind, und dass dieses frühe Vorbild im 15. und 16. Jahrhundert wieder aufgegriffen wurde.

Die Anfangsversuche der florentinischen camerata fanden dann zunächst im neuen stile reppresentativo durch Claudio Monteverdis Orfeo (Mantua, 160&) auch im übrigen Italien seinen Einzug.

Die erste deutsche Oper ließ dann erstaunlicherweise auch nicht lange auf sich warten. Der größte deutsche Komponist des 17. Jahrhunderts, Heinrich Schütz, schrieb sie mit seinem Werk Daphne im Jahr 1627, das zur Hochzeit der von Sophie Eleonore, der Tochter des Kurfürsten von Sachsen, in Torgau aufgefürt wurde (Norton/Grove: 678). Leider blieb sie nicht erhalten. Obwohl Schütz bald danach auch in Italien mit Mondeverdi zusammentraf und von ihm weiter beeinflusst  wurde, setzte wohl vor allem die Eskalation des Dreissigjährigen Kriegs weiteren deutschen Opernbemühungen zu dieser Zeit ein frühes Ende.

Auf der Suche nach weiteren Bemühungen um die Entwicklung der deutschen Oper tritt dann die Stadt Hamburg in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hervor:

"Die Geschichte der Oper in Deutschland beginnt in Hamburg. Am 2. Januar 1678 wurde mit einem biblischen Singspiel von Johann Theile das im Jahr zuvor erbaute "Opern-Theatrum" am Gänsemarkt eröffnet: das erste öffentliche Opernhaus Deutschlands, zudem kein Hoftheater wie andernorts, sondern ein Werk kunstliebender Bürger der wohlhabenden Hansestadt."

(Aus der Website von Hamburg Ballett, eingesehen am 28. Mrz 2001: http://www.hamburgballett.de/d/oper.htm).

Hier wirkte dann um die Jahrundertwende (von 1696 - 1697, von 1702 - 1707 und freischaffend bis 1718) Reinhard Keiser als Kapellmeister, zeitweiser Operndirektor und freischaffender Künstler und führte 17 seiner eigenen Opern auf, wie zum Beispiel Der Carneval von Venedig (1707) (Norton/Grove: 389). Somit stand auch Georg Friedrich Händel während seines Hamburger Zwischenspiels als Cemablist an der dortigen Oper unter seinem Einfluss.  Händels Oper Almira kam dort 1705 zur Aufführung.  Leider ist jedoch zu berichten, dass:

"Die ständigen Attacken pietistisch orientierter Theologen, die auf die ihrer Meinung nach nur der Sinnlichkeit verpflichteten Oper nicht gut zu sprechen waren, finanzielle Misswirtschaft und das geringe Interesse der Bürger an den Aufführungen führten schließlich dazu, dass das Haus 1738 als selbständiges Unternehmen geschlossen wurde."

(Aus der Website der Hamburgischen Staatsoper, eingesehen am 8. April 2001:  http://www.hamburgische-staatsoper.de/startup.html)

Die Gattung des deutschen Singspiels entwickelte sich jedoch erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrunderts aus der englischen ballad opera und aus der französischen opera comique  (Einstein: 448).  Aus unserer Betrachtung der musikalischen Ausbildung Beethovens durch seinen Bonner Lehrmeister Christian Gottlob Neefe wissen wir, dass dieser als norddeutscher Vertreter dieser neuen Operngattung gelten konnte.  HIerzu bemerkt Einstein:

"In the course of the 1760's the Singspiel of North and Central Germany had, like the Opera-comique and in imitation of it, granted more and more room to music. It was especially Johann Adam Hiller, later cantor of St. Thomas's in Leipzig, who in his own way introduced in the "German operetta' the division of characters into 'serious' and buffo parts, and made greater demands on the vocal abilities of the performers. Gerbes, in his Altes Lexicon 1790, calls Hiller 'the man who did most for our time,' and means by this 'that he taught us Germans how to sing as we should sing.' He goes so far as to maintain that Hiller 'gave us German operetta at a time when a singer had never yet been seen in a German theater, operetta that ... is greatly to be preferred to that of the Italians and French in correctness of declamation in truth of expression, in clear-cut delineation of the different characters, in appropriateness of the music--now playful, now bold and fiery, but always noble-- in scrupulous purity of harmony, and in wit, humor, and variety . . . It this description does not apply to Hiller and his many imitators, such as Benda, Koch, Neefe, etc., it certainly does to Die Entführung." (Einstein: 457; Hier erklärt Einstein, dass besonders Johann Adam Hiller, der spätere Leipziger Thomaskantor, die deutsche 'Operette' durch eine klarere Aufteilung der Rollen in ernstere und Buffo-Rollen belebte, die Deutschen lehrte, wie sie im Theater zu singen hätten, und dass der musikalische und deklamatorische Ausdruck in dieser neuen deutschen Operette besser gelungen sei als in ihren französischen und italienischen Vorbildern (dies Gerber zitierend), dass dies jedoch, falls es nicht auf die Nachahmer Hillers wie Benda, Koch, Neefe usw. zutreffe, doch auf die Entführung zutreffe.

Da ja Mozarts Zauberflöte in Wien zur Uraufführung gelangte, sollten wir zum Abschluss dieser kleinen operngeschichtlichen Betrachtung einen Blick auf die Entwicklung des deutschen Singspiels in Wien vor Mozarts Ankunft im Jahr 1781 werfen.

Hierzu berichtet H.C. Robbins Landon in seinem ausgezeichneten Buch Mozart The Golden Years, dass gegen Ende des Jahres 1775 die Qualität der französischen und italienischen Opern sowie des Ballets in Wien einen derartigen Tiefstand erreicht hatte, dass der spätere Kaiser Joseph II, damaliger Ko-Regent mit seiner Mutter, Kaiserin Maria Theresia von Österreich, die Streichung aller dieser Darbietungen und sogar aller Balletvorstellungen am Kärtnerthortheater empfahl, dass dessen Theaterleitung ohnehin fast benkrott war, und dass Joseph am 16. März 1776 alle Verträge der opera buffa strich. Danach, so Robbins Landon, entschied Joseph, dass das Burgtheater in Deutsches Nationaltheater umbenannt werden sollte und dass dort zum Einen Dramen in deutscher Sprache, zum Anderen aber auch Singpsiele in deutscher Sprache geboten werden sollten. So kamen zunächst zwölf Singspiele ausländischer (französischer und italienischer Herkunft) in deutscher Übersetzung zur Aufführung (Robbins Landon, Mozart The Golden Years: 28 - 29). Zur Entwicklung des deutschen Singspiels führt Robbins Landon Folgendes an:

"But he also hoped to persuade local playwrights and composers to provide the theatres with original works; and Vienna eagerly awaited the first production of this kind on 17 February 1778, Ignaz Umlauf's Die Bergknappen, with the soprano Caterina Cavalieri making her theatrical debut as Sophie, the leading female role. The performance was well received by Joseph II and by the public; Cavalieri's performance and here music were very successful. Indeed, as evidence of the work's impact, engravings of some scenes were issued - a very unusual event. The success of this Singspiel persuaded the Emperor to include German operas (and a German-speaking opera company) as part of his 'German National Theatre', and Umlauf, who had been a viola player in the orchestra of the Burgtheater, was now promoted to Kapellmeister with a salary of 600 gulden (later as assistant and substitute to Salieri). The author of the work's libretto was Joseph Weidmann, who also collaborated in the production of Mozart's Der Schauspieldirektor (1786" (Robbins Landon, Mozart The Golden Years: 29; der Autor berichtet hier, dass Joseph II auch dem deutschen Singspiel zum Erfolg verhalf, und dass am 17. Februar 1778 Ignaz Umlaufs Die Bergknappen mit Caterina Cavalieri in der weiblichen Hauptrolle zur Uraufführung gelangte und bei Joseph II und dem Publikum sehr guten Anklang fand, so dass Joseph II Umlauf zum Kapellmeister der 'deutschen Oper' ernannte, mit einem Jahresgehalt von 600 Gulden, dass dieser jedoch dann später als Assistent Salieris arbeitete, und dass das Libretto der 'Bergknappen' aus der Feder Joseph Weidmanns stammte, der auch an Mozarts Einakter Der Schaupsieldirektor aus dem Jahr 1786 mitarbeitete.)

 



Caterina Cavalieri
in den "Bergknappen"

Das 'Deutsche Nationaltheater' soll dann Robbins Landon zufolge noch bis Ende 1782 weiterbestanden haben, obwohl an ihm später auch italienische Opern aufgeführt wurden, wie die Werke Sacchinis und Salieris, aber auch Glucks Orfeo im Jahr 1781.  Jedoch veranlasste der Erfolg des deutschen Singspiels auch den schlauen Antonio Salieri dazu, Joseph II. mit einem deutschen Singpsiel zu erfreuen, so dass er nach seiner Rückkehr nach Wien nach längerer Abwesenheit von seinem Dienstherrn einen solchen Kompositionsauftrag annahm.  

 



Antonio Salieri

Sein einziges deutsches Singspiel, Die Rauchfangkehrer, konnte jedoch aufgrund des Todes von Kaiserin Maria Theresia im November 1780 erst 1781 zur Aufführung gelangen, erlebte jedoch dann einigen Erfolg.  Dies bringt uns zeitlich an Mozarts Ankunft in Wien heran und beendet somit unsere kurze operngeschichtliche Betrachtung. Wenden wir uns also Mozart selbst und seiner Beziehung zum deutschen Singspiel zu.

Mozart und das deutsche Singspiel

 



Wolfgang Amadeus Mozart 1779

Wie Alfred Einstein in seinem Werk Mozart His Character, His Work berichtet, hatte dieser während seines Aufenthalts in Wien mit seinem Vater im Jahr 1768 Gelegenheit, für Dr. Anton Mesmer sein Singspiel Bastien und Bastienne zu komponieren, was wohl als "Trostpreis" für das Scheitern der Pläne zu seiner nicht zur Aufführung gelangenten Oper La Finta semplice gelten mochte. Laut Einstein stammte das Material zu Bastien und Bastienne von keinem anderen als Jean-Jaques Rousseau, Le Devin du village (1752), wozu er auch Musik komponiert hatte. Einsteins Meinung nach war der fast kindliche Stoff für den erst zwölfjährigen Mozart sehr geeignet und erbrachte ein charmantes, kleines Werk, das heute noch gerne von Musikschülern aufgeführt wird (Einstein: 450-451).

Als "Vorarbeiten" für Mozarts deutsche Singspiele in voller Länge betrachtet Einstein zwei seiner Arbeiten.  Eine davon geht bis auf das Jahr 1773 und Mozarts Wien-Aufenthalt mit seinem Vater zurück, nämlich das Spiel Tobias Philipp Baron von Geblers, Thamos, König in Ägypten, dessen Stoff er dort aufnahm und wofür er zwei Chöre und fünf Instrumentalstücke schrieb. 1779 revidierte er die Chorszenen in Salzburg weitgehend und fügte noch einen Chor hinzu. Diese Musik, zusammen mit einer seiner reicher orchestrierten Salzburger Symphonien von 1773 (KV 184) wurde von Böhms 1779 Salzburg besuchender Theatertruppe für A.M. Lemierre's Drama La Veuve de Malabar verwendet und fand so in Süd- und Westdeutschland weite Verbreitung. Der Autor des Thamos-Texts schrieb am 13. Dezember 1773 nach Berlin, "I enclose the music of Thamos, recently composed by a certain Sigr. Mozart. He wrote it according to his own ideas and the first chorus is very beautiful" (Einstein: 450- 451; "Ich füge die Musik zu Thamos bei, die kürzlich von einem bestimmten Sgr. Mozart komponiert wurde. Er schrieb sie nach seinen eigenen Vorstellungen, und der erste Chor ist sehr schön").  

Die zweite Arbeit, Zaide (KV 345), geht ebenfalls auf das Jahr 1779 zurück. Es handelt sich dabei um ein ursprünglich sehr schlechtes Singspiel mit dem Titel Das Serail, oder: Die unvermittelte {= untermutete] Zusammenkunft in der Sclaverei zwischen Vater, Tochter und Sohn, das 1779 in Bozen mit der Musik von Joseph von Friebert zur Aufführung gelangte.  Der Salzburger Trompeter Andreas Schachtner, ein Freund Mozarts, behielt vermutlich den Titel Das Serail und revidierte den Text, wozu dann Mozart, ebenfalls für die sich gerade in Salzburg aufhaltende Theatertruppe Böhms, seine Musik gegen Ende des Jahres 1779.  Durch den Tod Kaiserin Maria Theresias im November 1780 gelangte dieses Werk jedoch nicht zur Aufführung.  

Einstein bemerkt zu diesen zwei "Vorläufern", dass Thamos als frühes Muster für die Zauberflöte erachtet werden könne, während Zaide unmittelbar auf Die Entührung aus dem Serail hinarbeitete (Einstein: 452).

So war Mozart im Jahr 1781 mit der Gattung des deutschen Singspiels sowohl als Hörer als auch als Komponist bereits sehr vertraut. Aus unserer hier eingefügten Zeittafel können wir in Umrissen die Ereignisse der Jahre 1779 - 1782 entnehmen, die uns vermitteln, dass Mozart nach der Premiere seiner opera seria Idomeneo in München im Winter 1781 sich unverzüglich in Wien zum salburgisch- erzbischöflichen Dienst einzufinden hatte, da sein Dienstherr, Bischof Colloredo, dort anwesend war. Wir lernen daraus auch, dass Mozart hier diesen Dienst (unter mit komplimentierendem Fusstritt (durch Graf Arco) begleiteten Umständen--diese Information war für die Zeittafel jedoch zu 'illustrativ'!--) quittierte.  In seinem von Kaiser Joseph II. in Auftrag gegebenen deutschen Singspiel, Die Entführung aus dem Serail, das 1782 zur Aufführung gelangte, konnte Mozart dann seine Erfahrungen der Arbeit an Zaide (KV345) anwenden.  

Die Tatsache, dass Mozart nun von seinem von seiner Wiener Selbständigkeit und seinem Umgang mit der Familie Weber nicht sehr begeisterten Vater Leopold getrennt war, lieferte uns jedoch wertvolle Einblicke in Mozarts Gedanken zur Gattung der Oper als Kunstwerk, wie er sie in seiner Korrespondenz an seinen Vater während seiner Arbeit an der Entführung zum Ausdruck brachte:

Am 16. Juni 1781, also noch ziemlich am Anfang dieses Projekts:

"--Do you think, then, that I shall write an opera comique like an opera seria?-- Just as there should be as little as possible of the trivial and as much of the learned and solid in an opera seria, there ought, in opera buffa, to be as little as possible of the learned and all the more of the trivial and merry."

"The fact that people want to have comic music also in an opera seria is something I can do nothing about; -- but here [in Vienna], they make a very fine distinction between the two genres" (Robbins Landon, Mozart The Golden Years: 66; "Denkst Du also, dass ich eine opera comique wie eine opera seria schreiben werde?--Genauso wie in einer opera seria sowenig wie möglich vom Trivialen und soviel wie möglich vom Gelehrten sein sollte, sollte in der opera buffa so wenig wie möglich vom Gelehrten und so viel wie möglich vom Trivialen unf Fröhlichen enthalten sein."

Ende August 1781:

"...but since passions, violent or not, must never be expressed in an offensive manner; and music, even in the most appalling situation, must never offend the ear and hence must always remain music..." (Robbins-Landon: 68; "...da jedoch Leidenschaften, gewalttätig oder nicht, nie in einer verletztenden Art ausgedrückt werden dürfen; und Musik, selbst in der schrecklichsten Situation, darf niemals das Ohr verletzen und muss immer Musik bleiben..."

Und am 13. Oktober, in Beantwortung einiger Kritik seines Vaters an der Qualität des Librettos:

"...in an opera poetry must of necessity be the handmaiden of the music. Why are Italian operas everywhere so succesful? With all the misery of their libretti! Even in Paris, where I personally witnessed them. Because in them the music dominates completely, and one forgets everything else. The more pleasure, therefore, must an opera give where the plan of the piece has been well worked out; but the words must be written just for the music, and not just put down to enjoy, here and there, some miserable rhyme which, by God! contributes absolutely nothing to a theatrical representation, whatever it may be, but on the contrary, harms music's most urgent requirement, but rhyming just for its own sake is the most harmful. Those gentlemen who approach their work so pedantically will go under along with the music."

"It is thus best if a good composer who understand the theatre and is capable of putting his own ideas into action collaborates with a clever poet, a real Phoenix..." (Robbins Landon: 69; "...in einer Oper muss die Poesie notwendigerweise im Dienst der Musik stehen. Warum sind die italienischen Opern überall so erfolgreich? Trotz aller schlechten Libretti? Sogar in Paris, wo ich sie selbst sah. Weil in ihnen die Musik alles vollkommen dominiert, und weil man alles andere vergisst. Umso mehr Vergnügen müsste daher eine Oper bereiten, in der alles gut geplant ist; aber die Worte müssen so geschrieben sein, dass sie genau zur Musik passen, und nicht nur zum Genuss hingesetzt werden, hier und da in einem miserablen Reim, der, bei Gott!, nichts zur Präsentation im Theater beiträgt, sondern einerlei wie gereimt ist, und der Musik und ihren wichtigsten Bedürfnissen nicht dient, Reimen um des Reimens willen ist am schädlichsten. Jene Herren, die ihr Werk so pedantisch angehen, werden mit ihrer Musik untergehen. Daher ist es am Besten, wenn ein guter Komponist, der das Theater versteht und seine eigenen Ideen umsetzen kann, mit einem klugen Poeten, mit einer wahren Phoenix, zusammenarbeitet ..."

Trotz des Erfolgs seines ersten deutschen Singspiels in voller Länge, der Enfführung aus dem Serail, der sogar einem Goethe in seinen Bemühungen, für das Weimar dieser Zeit Singspieltexte zu verfassen, nach seinen eigenen Worten "alles ruinierte" ("ruined everything", Einstein: 457), kehrte Wien noch in der ersten Hälfte der 1780-er Jahre zur italienischen Oper zurück, für die ja dann Mozart auch seine Werke Le Nozze di Figaro (Uraufführung: Wien, 1. Mai 1786), Don Giovanni (Uraufführung: Prag, 29. Oktober1787), und Cosi fan tutte schrieb (Uraufführung: Wien, 26. Januar 1790), und dabei in Lorenzo Da Ponte jenen von ihm erwünschten "klugen" Poeten fand.

Die Brücke zum deutschen Singspiel riss für Mozart jedoch nicht ganz ab sondern wurde zumindest von seinem Einakter, Der Schauspieldirektor des Jahres 1786 aufrechterhalten. Liefern uns jedoch diese chronologisch aneinandergereihten Daten und Fakten allein das nötige Verständnis für die Schönheit seines letzten deutschen Singspiels, der Zauberflöte?

 

Entstehungsgeschichte der Zauberflöte

 

 


Mozart im Jahr 1789


Dass sich Mozart nach seinen drei italienischen Opern wieder dem deutschen Singspiel zuwenden würde, lag vor allem am Wiener Herrscherwechsel:  am 20. Februar 1790 starb Kaiser Joseph II.   Sein Bruder Leopold folgte ihm auf den Thron.  Der teilweise auch despotische Reformator Joseph II. räumte das politische Feld seinem traditionsverbundeneren Bruder, der viele der Reformen Josephs rückgängig machte.  Viele Joseph II. Nahestehende in kaiserlichen Diensten hatten nun um ihre Posten zu fürchten.  "Even those on high levels felt the ground giving way:  it became clear that van Swieten did not enjoy Leopold's favor" (Gutman: 711). 

Leopold, der ja Mozart auch seit seinen Tagen als Wunderkind anlässlich seiner Besuche des kaiserlichen Hofs Maria Theresias, seiner Mutter, kannte und ihn später auf deren strenge Empfehlung hin in Florenz nicht einstellte, hatte als dortiger Herrscher eine Vorliebe für die italienische opera seria im Stil Paisiellos entwickelt, stand aber geschmacklich auch der opera buffa im Stil Cimarosas nahe, den er wohl sehr gerne sofort nach Wien berufen hätte, hätte jener nicht in russischen Zarendiensten gestanden "....nor did Salieri, whom he would have replaced on the spot with Cimarosa had he not been in Catherine of Russia's service" (Gutman:  711). 

Auch die Entlassung des italienischen Librettisten Lorenzo da Ponte aus Wien trug wohl dazu bei, dass Mozart dem italienischen Genre unter diesen neuen Umständen nicht mehr so nahestand wie in den 1780er Jahren.   Leopolds kühle Haltung ihm gegenüber, die ihm zwar seinen Titel als Hofkomponisten und das damit verbundene Gehalt von 800 Gulden jährlich beließ, ihm jedoch keine weiteren Aufträge einbrachte, veranlasste Mozart sogar, sich im Herbst 1790 auf eigene Rechnung zur Kaiserkrönung Leopolds nach Frankfurt zu begeben, um ihn vielleicht dort durch die Aufführung einiger seiner Werke beeindrucken zu können. Dieser Versuch scheiterte jedoch ebenfalls.  Nach seiner Rückkehr nach Wien begrüßte ihn Konstanze in deren neuer Wohnung in der Rauhensteingasse, die sie inzwischen häuslich eingerichtet hatte.  Dies sollte (welch ein Vergleich zu Beethovens letzter Wohnung im Schwarzspanierhaus während seiner zwei letzten Lebensjahre!) Mozarts letzte Wiener Wohnung sein.



Mozarts Wohnhaus in der
Rauhensteingasse


 Wie Gutman in seiner ausgezeichneten, maßvollen Mozartbiografie weiter ausführt,

"His works for the Burgtheater, he well knew, belonged to the Josephinian past; he had little hope of Leopold II's Hofburg proposing that he compose an opera: whatever the cost, the Emperor would bring Cimarosa to Vienna.(24) In a pragmatic shift, Mozart turned to the city's thriving commercial German theater. Here an old friend, Emmanuel Schikaneder, held a commanding position: wandering byways had brought him to it, and they must now be followed" (Gutman: 720; Gutman führt hier aus, das Mozart sehr wohl wusste, dass seine Aufträge für das kaiserliche Burgtheater der Josephinischen Vergangenheit angehörten, so dass er wenig Hoffnung hegte, für die Hofburg eine Oper zu komponiseren, da der Kaiser ja, koste es was es wolle, Cimarosa nach Wien bringen würde.  Mozart habe sich, so Gutman, deshalb pragmatisch dem erfolgreichen deutschen Theater in Wien zugewandt, das in Privathánden florierte und in dessen Leben ein alter Freund Mozarts aus Salzburger Tagen, Emmanuel Schikaneder, eine wichtige Rolle spielte).





Emanuel Schikaneder


Der bayerische Schauspieler und Theaterdirektor Emmanuel (eigentlich: Johann Joseph) Schikaneder, am 1. September 1751 in Straubing geboren, am 21. September 1812 in Wien verstorben, der bereits im Alter von 27 Jahren Leiter einer eigenen Theatertruppe wurde, trat als Komödiant, aber auch als ernsthafter Schauspieler shakespeare'scher Rollen hervor (wie Robert W. Gutman berichtet, "in 1777 Count Seeau had hired him as a guest artist for Munich, where his Hamlet awakened a storm of admiration" (Gutman: 720; wonach Graf Seeau ihn 1777 nach München engagierte und wonach Schikaneders Hamletdarstellung  einen Begeisterrungssturm auslöste), lernte Mozart bereits in Salzburg anlässlich seines dortigen Auftritts kennen und verbrachte auch die 1780-er Jahre als Leiter fahrender und etablierter Theatergruppen. Nachdem seine Singspieltruppe im Kärntnerthortheater gescheitert war, fand er 1785 am Burgtheater Arbeit als Schauspieler, war jedoch durch die Annäherung seines Leibesumfangs an fallstaff'sche Rollen von seinem ehemaligen jugendlichen Heldenrepertoire ausgeschlossen und musste sich mit Nebenrollen begnügen.

Durch diesen Gang der Dinge entmutigt, wandte sich Schikaneder an seinen Gönner, Kaiser Joseph II. und erhielt von im 1786 die Erlaubnis, in einem Wiener Vorort ein Theater einzurichten, machte jedoch zunächst aus Geldmangel nicht davon Gebrauch. Er gründete stattdessen wiederum eine fahrende Schauspieltruppe und zog mit ihr durch die Provinzen und größeren Städte, wie z.B. Salzburg, und kehrte erst 1789 nach Wien zurück.  Als er 1786 auf Tour ging, hatte er sich von seiner Gattin Eleonore getrennt, die ihm wohl wegen seiner nicht unzahlreichen Seitensprünge den Laufpass gab und nach seiner Abreise den Schaupspieler Johann Friedel als Geliebten nahm.  

Mit jenem und dessen Truppe zog sie für zwei Jahre durch die österreichische Provinz und besuchte Städte wie Klagenfurt, Triest und Ljubljana.  1788 mieteten sie ein Wiener Vororttheater:

" ... a suburban Viennese theater set within a remarkable enclosure also accommodating dwellings (for about eight hundred tenants), gardens, storerooms, ateliers, shops, an inn, an apothecary, and a chapel. Located less than a kilometer south of the Kärtnerthor and just without the glacis, this village within itself stood upon a parcel called die Wieden (once part of an island in the river Wien). It and its complex of buildings belonged to the Starhembergs. In gratitude for services to the realm, the Habsburgs had exempted the family from land taxes on this real estate. Hence the name of the congeries of structures--the Starhemberg Freihaus (free house) auf der (on the) Wieden; hence the name of the theater tucked into one of the courtyards of the labyringh--the Starhemberg Freihaus Theater auf der Wieden, since 1788 under Friedel's direction" (Gutman: 720 - 721; Gutman schildert hier, dass dieses Vororttheater Teil einer Wohnanlage für etwa 800 Bewohner mit Gärten, Lagerräumen, Werkstätten, Läden, einer Wirtschaft, einer Apotheke und einer Kapelle war, die weniger als einen Kilometer vom Kärntnertor knapp jenseits des Glacis lag und sich auf einem Grundstück, die Wieden genannt, befand (ehemals Teil einer Insel im Wien-Fluss). Dieses Grundstück war im Bezitz der Starhembergs, denen es aufgrund ihrer Dienste für das Haus Habsburg steuerfrei überlassen wurde, worauf sich auch der Name "Freihaus" gebildet hatte, und in diesem Komplex war Friedel seit 1788 Direktor des Starhemberg-Freihaustheaters auf der Wieden.)


Ein kleiner Filmausschnitt zum 200. Geburtstag des Theaters an der Wien
aus: 3SAT; Sprecher: Marcel Prawy
WMV-Video 1.624 KB (Media Player 7 Download)

Als Friedel im März 1789 starb, überliess er Eleonore Schikaneder die Mietrechte zu diesem Theater. Frau Schikaneder holte ihren Gatten zurück, schloss Frieden mit ihm und nahm ihn als Geschäftspartner und Theaterleiter auf. Laut Gutman legte Schikaneder in diesem Unternehmen den Schwerpunkt auf leichte Komödien, Possen, Singspiele, Pantomimen und Kasperletheater, führte jedoch ab und an auch Konzerte, Balletts und Dramen auf, wie z.B. Schillers Don Carlos, richtete sich also in diesem unsubventionierten Unternehmen nach dem Geschmack des Publikums, wobei er auch mit Marinellis Theater in der Leopoldstadt zu konkurrieren versuchte. So wurde neben wirklicher Bühnenkunst auch das reine Spektakel eine seiner Trumpfkarten, so dass immer mehr Märchenspiele und Ritterspiele, die in exotischen Regionen angesiedelt waren, das Repertoire füllten. Das Theater soll laut Gutmans Bericht nach Schikaneders Renovierung etwa tausend Zuschauer gefasst haben.

Selbstverständlich baute Schikaneder in die Stücke auch Rollen hinein, die ihm auf den Leib geschneidert waren.. So eröffnete er die erste Saison mit dem Singspiel Der dumme Gärtner aus dem GEeürge, oder Die zween Anton.

Mozart erneuerte wohl seine Bekanntschaft mit Schikaneder im Herbst 1789 als seine Schwägerin, die Koloratursopranistin Josefa Hofer,



Josefa Hofer



in Schikaneders Theater in Paisiellos Barbier mitwirkte.

Auch für den Anton fand Mozart laut Gutman einige nette Worte. Zwei Sänger des Etablissements, Benedikt Schack und Fanz Xaver Gerl, schrieben die Musik zu diesem Singspiel und schlossen bald Freundschaft mit Mozart. Mozart orchestrierte Schacks Duett "Nun, liebes Weibchen" (KV 625/592a), das jener zu Schikaneders Der Stein der Weisen, oder Die Zauberinsel geschrieben hatte, und im März 1791 schrieb Mozart seine Klaviervariationen, KV 613, auf "Ein Weib ist das herrlichste Ding", ein Lied, das Schack und Gerl für Die verdeckten Sachen, das am 26. September 1789 zur Uraufführung gelangt war, geschrieben hatten. Ebenfalls im März schrieb Mozart für Gerl die Arie "Per questa bella mano" (KV 612) mit obligater Doppelbassbegleitung für das Schikaneder'sche Orchestermitglied Friedrich Pichelberger. Dies weist darauf hin, dass Mozart in engem Kontakt mit Schikanders Theater und seinen Mitgliedern stand.

Jedoch bestätigt auch Gutman, dass es wenig Hinweise auf Mozarts Arbeit an der Zauberflöte gibt und dass dies wohl daran liegt, dass deren Auftraggeber und Librettist, Schikaneder, als Besitzer eines Privattheaters, keine Subventionen erhielt und deshalb keine offiziellen Dokumente zur Produktion erstellt werden mussten.  Die wenigen Hinweise auf Mozarts Arbeit an diesem Werk im Fruehjahr und Sommer 1791 stammen aus seinen Briefen an seine Frau Konstanze, als diese sich von Anfang Juni an in Baden bei Wien zur Kur aufhielt.

 



Ansicht Badens bei Wien


Bevor wir jedoch darauf eingehen, sollten wir uns vielleicht zuerst der Stoffwahl Schikaneders und Mozarts zuwenden. Gutman ist der Auffassung, dass die Beratungen dazu spätestens im März 1791 stattgefunden haben müssen.

Zitieren wir zur Zusammenstellung des Materials Gutmann selbst:

"They assembled the libretto by culling ideas from Thamos; the myth of Orpheus; Sethos in Maththias Claudius's German translation (1777 - 1778); Dschinnistan, a collection of fairy tales assembled and embellished by Wieland and his son-in-law, Jakob August Liebeskind (in three volumes: 1786, 1787, 1789); Wranitzky's Oberon; Schikaneder's Der Stein der Weisen (itself inspired by Dschinnistan: Chretien de Troyes' Yvain, a medieval romance made into German about 1200 by Hartmann von Aue (and available to Mozart in an edition by one of his lodge brothers); von Born's treatise "Concerning the Egyptian Mysteries) (with which he had ushered in the Journal of Freemasons, 1784; Shakespeare's The Tempest; and, above all, Mozart's own The Adbuction and Ideomeneo" (Gutman: 724; Gutman schildert hier, dass Schikaneder und Mozart das Material für das Libretto aus den folgenden Quellen zusammenstellten: aus Ideen von Mozarts Thamos, dem Orpheus-Mythos, Sethos in der Übersetzung von Matthias Claudius aus dem Jahr 1777-1778, aus Wielands dreiteiliger Märchensammlung Dschinnistan, an der auch sein Schwiegersohn Jakob August Liebeskind mitarbeitete und die 1786, 1787 und 1789 herauskam, aus Wranitzky's Oberon, aus Schikaneders Der Stein der Weisen, der auch von Dschinnistan beeinflusst wurde, aus der mittelalterlichen Erzählung Chretien de Troyes, Yvain, die um 1200 von Hartmann von Aue in einer deutschen Version entstand und die Mozart in dieser Version durch einen seiner Logenbrüder zur Verfügung stand, aus von Born's Abhandlung über die ägyptischen Mysterien, mit der er sein Freimaurerjournal eingeleitet hatte, und nicht zuletzt aus Mozarts eigenen Werken, der Entführung aus dem Serail und Idomeneo.)

Daraus sei dann, so Gutman, durch die Möglichkeiten des Theaters an der Wieden eine Oper mit vielen komischen Elementen und fantastischen Handlungsabläufen entstanden, deren Kern jedoch ein ernster Vorgang bildete, nämlich die Aufnahme eines jungen Prinzen in einen noblen Orden gleichgesinnter Aufgeklärter, also eine Mischung aus Wiener Märchenspiel mit viel Spektakel, das durch die technischen Einrichtungen des Theaters ermöglicht wurde und Mozarts Versuch, die Wiener noch einmal daran zu erinnern, welche Rolle die Freimaurerlogen in ihrer Gesellschaft des josephinischen Zeitalters zu spielen angestrebt hatten.

Während Mozart wohl seine eigentliche Arbeit an der Oper spätestens im Mai 1791 aufgenommen haben muss und in Anwesenheit Konstanzes und ihrer auf ihn beruhigend wirkenden Gesellschaft anfangs gut vorangekommen sein mag, wirkte sich ihre Abreise nach Baden auf ihn womöglich etwas lähmend aus:  auf der einen Seite hätten ihm in Baden nicht alle Arbeitsmittel zur Verfügung gestanden, die er zur zügigen Arbeit brauchte, zum anderen aber Konstanzes Gesellschaft, denn Mozart ließ sich von ihr gerne ab und zu während seiner Arbeit unterbrechen, um sich kurz durch einen Plausch mit ihr zu erfrischen (Gutman: 723).  So nahm er jede Gelegenheit wahr, während ihres für ihre Gesundheit als Schwangere notwendig erachteten Kuraufenthalts in Baden zu ihr zu eilen und schrieb ihr fast taeglich an jenen Tagen, die er allein in Wien verbrachte.  Sein erster Brief nach Baden stammt vom 5. Juni 1791, und der letzte dieses Sommers vom 9. Juli.  Verfolgen wir doch hier die wenigen Spuren der Zauberflöte, aber auch seine allgemeinen Lebensumstände dieser Tage, in seinen Briefen an Konstanze:

"Vienna, 5. June 1791
Ma Tres Chere Epouse!
. . . I shall fly to you on Wednesday in the company of the Schwingenschuhs. I am sleeping tonight at Leutgeb's--and the whole time I am thinking that I have given Lorl the consilium abeundi. . . ." (Anderson II: 951; Mozart kündigt Konstanze hier an, dass er sie am Wittwoch in Gesellschaft der Schwingenshcuhs besuchen wird, dass er diese Nacht bei den Leutgebs verbringen werde und dass er das Dienstmädchen Lorl (Leonore) vorübergehend beurlaubt habe.)

"Vienna, 6. June 1791
. . . Madame de Schwingenschuh m'a priee de leur procurer une loge pour ce soir au theatre de Wieden, ou l'on donnera la cinqiueme partie d'Antoin, et j'etais si heurux de pouvier les servir. J'aurai donc le plaisir de voir cet opera dans leur compagnie" (Anderson II: 952; hier schildert Mozart, dass ihn Mme. Schwingenschuh darum gebeten hatte, ihr eine Loge im Theater an der Wieden zu reservieren, damit sie das Singspiel Anton bei Hofe von Benedikt Schack sehen koenne, und er selbst freue sich auch darauf, es ihn ihrer Gesellschaft sehen zu koennen.)

"Baden, 7 June 1791
N.B.--Since you headed your letter Vienna, I must head mine Baden.
. . . I lunched yesterday with Süssmayr at the 'Ungarische Krone', as I still had business in town at one o'clock . . . today, I am lunching with Schikaneder, for you know, you too were invited. . . . " (Anderson II: 953; Mozart begann diesen Brief scherzhafterweise damit, dass er Baden anstatt Wien als Absendeort angab, da wohl Konstanze ihren letzten Brief an ihn aus Versehen mit "Wien, den ..." begonnen hatte. Im Brief weist er auf ein Mittagessen vom Vortag mit seinem Schüler Süssmayr hin, den er nach Baden abkommandiert hatte, um Konstanze dort als Stütze auf ihrem Weg zu den Bädern behilflich zu sein, der aber Mozart auch oft in Wien aufzusuchen hatte, um ihm bei der Ausarbeitung der Partitur behilflich zu sein. Das Mittagessen am 7. Juni hatte Mozart mit Schikaneder eingenommen.)

"Vienna, 11. June 1791
. . . When you are bathing, do take care not to slip and never stay in alone. If I were you I should occasionally omit a day in order not to do the cure too violently. I trust that someone slept with you last night. I cannot tell you what I would not give to be with you at Baden instead of being stuck here. From sheer boredom I composed today an aria for my opera . . . " (Anderson II: 953; hier gibt Mozart Konstanze den Rat, auf dem Weg zum Bad vorsichtig zu sein und nicht auszurutschen und vielleicht nicht jeden Tag ein Bad einzunehmen. Er macht sich auch Sorgen, dass sie die Nacht  allein verbringen muss und bedauert, nicht bei ihr in Baden sein zu koennen. Vor lauter Langeweile habe er am 11. Juni eine Arie für seine Oper komponiert.)

"Vienna, 12 June 1791
. . . To cheer myself up I then went to the Kasperle Theatre to see the new opera "Der Fagottist", which is making such a sensation, but which is shoddy stuff" (Anderson II: 954; Mozart berichtet hier, dass er sich eine Vorstellung in Marinellis Theater in der Leopoldstadt angesehen hatte, nämlich Wenzel Müllers Kaspar der Fagottist, was aber keinen guten Eindruck auf ihn machte.)

"Vienna, 25. June 1791
. . . "I went to the Rehbergs. Well, Frau Rehberg sent one of her daughters upstairs to tell him that a dear old friend had come from Rome and had searched all the houses in the town without being able to find him. He sent down a message to say, would I please wait for a few minutes. Meanwhile the poor fellow put on his Sunday best, his finest clothes, and turned up with his hair most elaborately dressed. You can imagine how we made fun of him. I can never resist making a fool of someone" (Anderson II: 956; Mozart schildert hier, dass er die Rehbergs besuchte, dass Frau Rehberg eine ihrer Töchter noch oben schickte um ihrem Gatten auszurichten, dass ein lieber, alter Freund aus Rom da sei und ihn überall gesucht hätte. Herr Rehberg habe sofort eine Nachricht nach unten geschickt, dass der Gast bitte warten möge. In der Zwischenzeit habe Herr Rehberg seinen besten Sonntagsstaat hervorgeholt, und sei unten elegant gekleidet und frisiert erschienen, und dass man ihn gehörig ausgelacht habe. Mozart gibt zu, dass es ihm schwerfällt, nicht ab und zu jemanden zum Narren zu halten.)

"Vienna, 2. July 1791
. . . Please tell that idiotic fellow Süssmayr to send me my score for the first act, from the introduction to the finale, so that I may orchestrate it. It would be a good thing it he could put it together today and dispatch it by the first coach tomorrow, for I should then have it at noon" (Amderson: II: 958; Hier bittet Mozart Konstanze, dem "idiotischen Kerl Süssmayr" auszurichten, er solle ihm die Partitur des ersten Akts schicken, von der Einleitung bis zum Finale, damit er sie orchestrieren könne und dass es gut sei, falls er sie am frühen Morgen des nächsten Tages abschicken könne, damit er sie mittags erhalten könne.)

"Vienna, 3 July 1791
. . . I trust that Süssmayer will not forget to copy out at once what I left for him; and I am counting on receiving today those portions of my score for which I asked" (Anderson Ii: 959; hier hofft Mozart, dass sein Schüler Süssmayr nicht vergessen hat, das auszukopieren, was er ihm gegeben hatte und dass er die Partiturteile erhalten werde, um die er tags zuvor gebeten hatte.)

"Vienna, 5. July 1791
. . . Here are twenty-five gulden. Settle the account for your baths. When I come we shall pay for everything. Tell Süssmayer to send me Nos. 4 and 5 of my manuscript--and the other things I asked for . . . " (Anderson II: 960; Mozart schickt Konstanze hier 25 Gulden zur Begleichung ihrer Rechung für die Bäder und bittet sie darum, Süssmayer auszurichten, ihm die Nummern 4 und 5 seiner Partitur zu schicken und die anderen Sachen, um die er gebeten hatte.)

"Vienna, 6. July 1791
. . . Give N.N. a box on the ear and tell him that you simply must kill a fly which I have spied on his face!" (Anderson II: 963; in seinem Nachwort gibt er Konstnze den Rat, 'N.N'. womit wohl Sssmayr gemeint ist, eine Ohrfeige zu verpassen und ihm zu sagen, dass sie einfach eine Fliege töten musste, die er (Mozart) auf seinem Gesicht entdeckt habe.)

"Vienna, 7. July 1791
. . . My one wish is that my affairs should be settled, so that I can be with you again. You cannot imagine how I have been aching for you all this long while. I can't describe what I have been feeling--a kind of emptiness, which hurts me dreadfully--a kind of longing, which is never satisfied, which never ceases, and which persists, nay rather increases daily. When I think how merry we were together at Baden--like children--and what sad, wary hours I am spending here! Even my work gives me no pleasure, because I am accustomed to stop working now and then and exchange a few words with you. Alas! this pleasure is no longer possible. If I go to the piano and sing something out of my opera, I have to stop at once, for this stirs my emotions too deeply" (Anderson II: 963-964; Mozart teilt Konstnze hier mit, dass es sein Wunsch sei, dass seine Angelegenheiten geordnet seien und er bei ihr sein könne, und dass sie sich nicht vorstellen könne, wie sehr er sich diese ganze Zeit nach ihr gesehnt habe, dass er aber sein Gefühl nicht beschreiben könne-- eine Art von Leere, die ihn sehr verletze--eine Art Sehnsucht, die nie gestillt werde, die anhalte und jeden Tag grösser werde. Er erinnert sich an glückliche Tage mit ihr in Baden und setzt diesen seine traurigen Tage in Wien entgegen. Sogar seine Arbeit mache ihm keine Freude mehr, da er es gewohnt sei, ab und zu eine Pause einzulegen, um mit ihr zu plaudern, dies aber jetzt nicht moeglich sei. Wenn er ans Klavier gehe und etwas aus seiner Oper singe, müsse er sofort wieder damit aufhören, da es seine Emotionen zu sehr erschüttere.)

Da Konstanze Mitte Juli 1791 ihre Kur in Baden beendet hatte und nach Wien zurückkehrte, riss Mozarts Briefwechsel mit ihr wieder ab, so dass wir keine weiteren Kommentare Mozarts zu seiner Arbeit an der Zauberflöte haben.

Während Konstanze am 26. Juli ihren zweiten überlebenden Sohn Franz Xaver Wolfgang zur Welt brachte, hatte Mozart Ende Juli und im August am Auftrag des Prager Nostitz-Theaters zur Krönung Kaiser Leopolds II. zum König von Böhmen, der opera seria La Clemenza di Tito zu arbeiten, und in diese Zeit fiel wohl auch die geheimnisvolle, jedoch heute geklärte Auftragserteilung durch einen vermummten Boten Graf Walseggs zum "Requiem".

Am 25. August brachten die Mozarts nach Prag auf, wo Mozart an der Fertigstellung der Clemenza arbeitete und ihre nicht sehr begeistert aufgenommene Uraufführung dirigierte.

Mitte September kehrte das Paar nach Wien zurück, und Mozart setzte seine Arbeit an den letzten Nummern der Zauberflöte fort.

Vor der Uraufführung am 30. September hatte Mozart also nur knapp zwei Wochen Zeit, ganze Passagen der Oper noch einmal durchzugehen und einige fehlende Nummern zu komponieren. Zitieren wir hierzu Gutman:

"(34) Although the opera appears in his catalogue under the heading "In July", an entry under "the 28th September" comprises: "for the opera, The Magic Flute--a march of the priests and the overture" numbers added to the score during the closing days of the month as he labored to fill the gaps in what had reached paper before the trip to Bohemia" (Gutman: 723; Gutman führt hier aus, dass die Oper in Mozarts Werkkatalog im Juli eingetragen ist, dass sich aber unter dem Datum des 28. Septembers ein Marsch für die Priester und die Ouvertüre befinde, die demnach erst nach seiner Rückkehr nach Wien hinzugefügt worden waren.)

Zudem standen auch die letzten Probem im Theater an. Leider haben wir keinen Augenzeugenbericht von der Uraufführung am 30. September, die Mozart selbst dirigierte. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass er traditionsgemäß auch die zweite Aufführung dirigierte, bevor er den Dirigentenstab an Henneberg abgab.

Sehen wir uns in Robbin Landons Buch die Besetzung der Uraufführung an:




Titelblatt des Librettos

"Imperial Royal Priv. Wieden Theatre
Today, Friday, the 30th September 1791.
The Actors and Actresses of the Imp. Roy. Priv. Theatre on the Wieden have the honour to perform for the first time

THE MAGIG FLUTE

A Grand Opera in Two Acts by Emanuel Schikaneder.
Persons

Sarastro.....................Hr. Gerl
Tamino.......................Hr. Schack
First)...........................Hr. Schikaneder, Senior
Second) Priest............Hr. Kistler
Third)..........................Hr. Moll
Queen of the Night......Mad. Hofer
Pamina [sic]................Mlle. Gottlieb
First)............................Mlle. Klöpfler
Second) Lady..............Mlle. Hofman
Third)..........................Mad. Schack
Papageno...................Hr. Schikaneder, Junior
An old Woman [=Papagena}.....Mad. Gerl
Monostatos, a Blackamoor.....Hr. Nanseul
First)...........................Hr. Gieseke
Second) Slave............Hr. Frasel
Third)..........................Hr. Starke

Priests, Slaves, Followers

The Music is by Herr Wolfgang Amade Mozart, Kapellmeister and present Imp. Roy. Chamber Composer. Herr Mozard [sic] will out of friendship for the writer of the piece, himself conduct the opera today.

The word-books of the opera, which include two engravings, where Herr Schikaneder has been engraved in the role of Papageno with the actual costume, will be sold at the box office for 30 kr.
Herr Gayl, theatrical designer, and Herr Nesslthaler as decorator, flatter themselves to have worked with all possible artistic diligence according to the preconceived plan of the piece.

The entrance prices are as usual.
The beginning is at 7 o'clock.

(Robbins Landon: 139 - 140;

Kaiserl.-Kgl. Priv. Wieden-Theater
Heute, am Freitag, den 30. September 1791.
Die Schauspieler und Schauspielerinnen des Kaiserl.-Kgl. Priv. Theaters a.d. Wieden haben die Ehre,

zum ersten Male

DIE ZAUBERFLÖTE

eine große Oper in zwei Akten von Emanuel Schikaneder zu präsentieren.

(Personen: siehe oben).

Die Musik ist von Herrn Wolfgang Amade Mozart, Kapellmeister und gegenwärtig Kaiserl.- Kgl. Kammerkomponist. Herr Mozard wird, aus Respekt vor dem gnädigen Publikum und aus Freundschaft für den Autoren des Stücks, das Orchester heute selbst leiten.

Die Textbücher der Oper, die zwei Stiche enthalten, in denen Herr Schikaneder in der Rolle des Papageno im wirklchen Kostm dargestellt ist, werden am Kartenschalter für 30 Kronen verkauft.

Herr Gayl, der Bühnenmaler und Herr Nesslthaler als Bühnenbildner sind stolz darauf, dass sie mit grösstmöglichem künstlerischem Eifer nach dem vorgefassten Plan des Stücks gearbeitet haben.

Die Eintrittspreise sind wie üblich.
Der Anfang ist um 7 Uhr").

Gutman bestätigt die stolze Ankündigung des Theaterprogramms in bezug auf die prächtige Ausstattung insofern, als

"the opera carried Vienna by storm, no small part of the triumph owin to the scenic designs of Herr Nesslthaler as painted by Joseph Gayl. Schikaneder gave them, so the talk ran, five thousand gulden to lavish on scenic wonders, which, in the sequel of Blanchard's flight to Groß-Enzersdorf, included a flying baket cum balloon for the comings and going of the three Boys.(1) Mozart's hand may be assumed in this inspired jest.

(1) It appears that at first Mozart assigned their parts to two boys and a woman. (Anna, daughter of Schikaneder's elder brother Urban; he impersonated the priest to whom fell the grand accompagnati of the first finale.) No doubt Mozart wished to strengthen the ethereal but too often wayward treb;es of choirboys by adding the steadier tone; at later performances he at times changed the mixture of two women and a boy"

(Gutman: 735; Gutman berichtet hier, dass die Oper Wien im Sturm eroberte, und das nicht zuletzt Dank der Bühnenbilder Nesslthalers, die Joseph Gayl malte, und dass Schikaneder für die Dekoration fünftausend Gulden ausgab. Eine besondere Attraktion, so Gutman, sei der schwebende Korb für den Auftritt und Abgang der drei Knaben gewesen, und dass dies wohl durch Blanchards Montgolfierenflug von Wien nach Großenzersdorf im Sommer des Jahres angeregt worden sei. Mozart soll an diesem Direktionsgag nicht unbeteiligt gewesen sein. In bezug auf die Rollenbesetzung der drei Knaben habe Mozart für die Premiere zwei Knaben und eine Frau eingesetzt, diese Besetzung dann aber in den weiteren Aufführungen hier und da durch zwei Frauen und einen Knaben erstetzt. Die Frauenstimmen dienten wohl zur "Stabilisierung" der ätherischen Knabenstimmen. Die Frauenstimme der Premiere wurde von Anna, der Tochter von Schikaneders älterem Bruder Urban, gesungen.)

Trotz des großen und wachsenden Erfolgs der Oper, der Schikaneder veranlasste, sie im Oktober fast täglich anzusetzen, bemerkte ein Kritiker der Zeit, der sich laut Gutman vielleicht nur die Hofburg als tonanbegend in bezug auf die Qualitt der Aufführungen vorstellen konnte, dass

"our Kapellmeister Mozart's new 'machine comedy' [a belittling phrase] produced at great expense and with much magnificence of decor "but failing to receive the expected ovations because its content and language are far too inferior"
(Gutman: 735; "die neue 'Maschinenkomödie' unseres Kapellmeisters Mozart, die mit großem finanziellem Aufwand produziert wurde und prächtig ausgestattet war, erntete aber nicht den erwarteten Applaus, da ihr Inhalt und die Qualität der Sprache sehr niedrig anzusetzen sind").

Wohlweislich hielt sich dieser Kritiker zurück und griff Mozarts Musik nicht an, da diese, so Gutman "beyond assessment" (jenseits der Beurteilung) lag.

Konstanze Mozart hatte der Premiere und vielleicht ein, zwei weiteren Aufführungen beigewohnt, bevor sie sich wieder nach Baden zu einer weiteren Kur begab, auf der Mozart zur Stärkung ihrer Gesundheit bestanden hatte.  Ihr Badener Aufenthalt hinterließ der Nachwelt weitere interessante Briefe Mozarts an sie, in der er über die Aufführungen der Zauberflöte im Oktober 1791 berichtet:



Konstanze Mozart

"Wien, 7. und 8. Oktober 1791

'Freytag um halb 11 Uhr Nacht

...Eben komme ich von der Oper; -- Sie war eben so voll wie allzeit. -- Das Duetto Mann und Weib etc; und das Glöckchen Spiel im ersten Ackt wurde wie gewöhnlich wiederhollet -- auch im 2.  Ackt das knaben Terzett -- was mich aber am meisten freuet, ist, der Stille beifall! -- man sieht recht wie sehr und immer mehr diese Oper steigt.  Nun mein lebenslauf; -- gleich nach Deiner Abseglung Spielte ich mit Hr: von Mozart (der die Oper beim Schikaneder geschrieben hat:) 2 Parthien Billard.  -- Dann ließ ich mir durch Joseph den Primus rufen und scharzen koffe hollen, wobey ich eine herrliche Pfeiffe toback schmauchte; dann Instrumentirte ich fast das ganze Rondo vom Stadler. in dieser zwischenzeit kam ein brief von Prag vom Stadler; -- die Duschekischen sind alle wohl; -- mir scheint Sie muß gar keinen brief von Dir erhalten haben -- und doch kann ich es fast nicht glauben! -- genug -- Sie wissen schon alle die herrliche aufnahme meiner teutschen Oper. --  " (Kolb: 294-295).

"Wien, 8. und 9. Oktober 1791

'Samstags Nachts um 1/2 11 Uhr

Liebstes bestes Weibchen!

Mit größten Vergnügen und freude-Gefühle, fand ich bei Zurückkunft aus der Oper deinen Brief; -- die Oper ist, obwohl Samstag allzeit wegen Posttag ein schlechter Tag ist, mit ganz vollem Theater mit dem gewöhnlichen Beifall und Repetitionen aufgeführt worden; Morgen wird sie nachgegeben, aber Montag wird ausgesetzt -- folglich muß Sie den Stoll Dienstag herumbringen, wo Sie wieder zum Erstenmahl gegeben wird, ich sage zum Erstenmahl, weil sie vermuthlich wieder etliche mahl nacheinander gegeben wird; ...  Gleich nach Tisch gieng ich wieder nach Hause und schrieb bis zur Operzeit.  Leitgeb bat mich ihn wieder hinein zu führen, und daß tat ich auch.  Morgen führe ich die Mama hinein; -- das Büchel hat ihr schon vorher Hofer zu lesen gegeben. -- bei der Mama wirds wohl heißen, die schaut die Oper, aber nicht die hört die Oper.  ... nun gieng ich auf das Theater bey der Arie des Papageno mit dem Glocken Spiel, weil ich heute so einen Trieb fühlte es selbst zu spielen.  -- Da machte ich nun den Spaß, so Schickaneder einmal eine Haltung hat, so machte ich ein arpegio -- der erschrak -- schaute in die Scene und sah mich -- nun hielt er, und wollte gar nicht mehr weiter -- ich errieth seinen Gedanken, und machte wieder einen accord -- dan schlug er auf das Glockenspiel und sagte halts Maul -- alles lachte dann -- ich glaube, daß viele durch diesen Spaß das erstemal erfuhren, daß er das Instrument nicht selbst schlägt.  übrigens kannst Du nicht glauben wie charmant man die Musik ausnimmt in einer Loge die nahe am Orchester ist viel besser als auf der Gallerie, sobald du zurückkomsst, mußt du es versuchen" (Kolb: 296-297).

Am 14. Oktober:

"Liebstes bestes Weibchen

Gestern Donnerstag den 13ten ist Hofer mit mir hinaus zum Carl speisen draus, dann fuhren wir herein, um 6 Uhr hohlte ich Salieri und den Cavalieri mit den Wagen ab, und führte sie in die Loge -- dann gieng ich geschwind die Mama und den Carl abzuholen, welche unterdessen bei Hofer gelassen habe.  Du kannst nicht glauben, wie artig beide waren, -- wie sehr ihnen nicht nur meine Musick, sondern das Buch und alles zusammen gefiel. -- Sie sagten beide ein Operer, -- würdig bey der größten festivität vor dem größten Monarchen aufzuführen, -- und Sie würden sie gewis sehr oft sehen, den sie haben noch kein schöneres und angenehmeres Spectacel gesehen. -- Er hörte und sah mit aller Aufmerksamkeit und von der Sinfonie bis zum letzten Chor war kein Stück, welches ihm nicht ein bravo, oder bello entlockte, und sie konnten fast nicht fertig werden, sich über diese Gefälligkeit bei mir zu bedanken  Sie waren allzeit gesinnt gestern in die Oper zu gehen.  Sie hatten aber um 4 Uhr schon hinein sitzen müssen -- da sahen und hörten sie aber mit Ruhe. -- Nach dem Theater ließ ich sie nach Hause führen, und ich supirte mit Carl bei Hofer. --" (Kolb:  298).

Obwohl Mozarts Kommentare zur weiteren Aufführungsgeschichte der Zauberflöte die unmittelbarsten und verbindlichsten sind, müssen wir uns für die weiteren Aufführungen im Herbst 1791 wieder anderen Quellen zuwenden, da mit Konstanzes Rückkehr nach Wien Mitte Oktober seine Korrespondenz mit ihr wiederum abriss.  Als letzter Augenzeugenbericht einer Aufführung der Zauberflöte zu Mozarts Lebzeiten ist uns Carl Graf von Zinsendorfs Bericht seines Besuchs vom 6. November 1791 überliefert:

"At  6.30 to the Starhemberg Theatre in the suburb of Wieden in the box of M. and Mme. Auersperg to hear the 24th performance of The Magic Flute. The music and the decorations are pretty, the rest an unbelievable farce. A huge crowd. M. de Seilern and de Kinsky in our box . . . "

(Robbins Landon, Mozart The Golden Years: 146; "Um 6.30 zum Starhemberg-Theater in der Vorstadt von Wieden, in der Loge von M. und Mme. Auersperg, um die 24te Aufführung der Zauberflöte zu hören. Die Musik und die Dekorationen sind hübsch, der Rest eine unglaubliche Farce. Eine große Menge. M. de Seilern und de Kinsky in unserer Loge").

Robbins Landon berichtet in seinem aufschlussreichen Buch ferner:

"On 5 December 1791, a note was delivered by hand to Baron Gottfried van Swieten, informing him that he had been summarily dismissed from his official positions. In the 1792 Illuminati he is already described as 'former President of the Studies Commission.' (Swieten was not a diplomat for nothing, however. Leopold II dies on 1 March 1792 and by the time the next Schematismus was printed, in 1793, Swieten had managed under the new Emperor, Francis II, to recover his former position.

A short walk from the imposing building on the Josephsplatz which housed the Imperial Royal Court Library was the composer's home, a modest house at Rauhensteingasse No. 970, 'in the hour after midnight, as the fifth of December 1791 began, Wolfgang Amadeus Mozart died"

(Robbins Landon, Mozart The Golden Years: 229 - 230; Robbins Landon berichtet hier, dass am 5. Dezember 1791 Baron Gottfried van Swieten eine Nachricht überbracht wurde, die ihm davon Kenntnis gab, dass er seine öffentlichen Ämter verloren hatte, dass er bereits in den 'Illuminati' von 1792 als 'ehemaliger Vorsitzender' der Studienkommission beschrieben wird, dass er jedoch nicht umsonst ein erfahrener Diplomat war, dem es nach dem Tod Kaiser Leopolds II. am 1. März 1792 gelang, unter seinem Nachfolger, Kaiser Franz II., seinen Posten wiederzuerlangen, wie dies auch bereits im 1793 gedruckten Schematismus verzeichnet war.

Robbins Landon berichtet weiter, dass unweit des imposanten Gebäudes am Josephsplatz, das die Kaiserliche Hofbibliothek beherbergte, sich in der Rauhensteingasse Nr. 790 die bescheidene Wohnung Mozarts befand, wo dieser in der Stunde nach Mitternacht, also in der Nacht vom 4. zum 5. Dezember, verstarb").

Einzelheiten zu den letzten fünf Wochen aus Mozarts Leben sollten Gegenstand einer separaten Erkundung sein. Vielleicht bieten Ihnen die in unserer Quellenangabe aufgeführten Titel hierzu Anregung zur weiteren Lektüre. Was wir hier noch verfolgen können, ist der Erfolg der Oper in den 1790-er Jahren, und das trotz der politischen Ereignisse der französischen Revolution und der Herrscherwechsel des Hauses Habsburg.

Wie Alfred Einstein in seinem Mozart-Buch berichtet, reagierte die Musikwelt sofort, und das nicht immer unempfindlich, auf den Erfolg der Zauberflöte. So schrieb zum Beispiel der preussische Hofkapellmeister Johann Friedrich Reichardt in einem kurzen Artikel in der 18. Ausgabe der Berliner Musikzeitung von 1793:

"To what injustices [against the music of Johann Friedrich Reichardt, for example], therefore, can the defense of the latest fashion in music not lead? Mozart, for example, deserves to be honored, of course; he was a great genius and sometimes wrote excellent things, as for instance his Zauberflöte and some of his overtures and quartets. But of inordinate fuss about Mozart there is now scarcely an end. . . . "

(Einstein: 469; "Zu welchen Ungerechtigkeiten kann die Verteidigung der neuesten Mode in der Musik {zum Beispiel gegen die Musik von Johann Friedrich Reichardt] nicht führen! Mozart, zum Beispiel, verdient selbstverständlich, geehrt zu werden; er war ein großes Genie und schrieb manchmal ausgezeichnete Sachen, wie zum Beispiel Die Zauberflöte und einige seiner Ouvertüren und Quartette. Jedoch findet das aussergewöhnliche Theater um Mozart nun kaum ein Ende . . . ").

Kontrastieren wir dies doch zum Abschluss mit folgendem Kommentar:

Frau Rat Goethe 1795 in Frankfurt:

"Neues gibts hir nichts als daß die Zauberflöte 18 mahl ist gegeben worden und daß das Haus immer gepropft voll war -- kein Mensch will von sich sagen lassen -- er hätte sie nicht gesehn -- alle Handwercker -- gärtner -- ja gar die Sachsenhäusser -- deren ihre Jungen die Affen und Löwen machen gehen hinein, so ein Specktackel hat mann hier noch nicht erlebt -- das Hauß muß jedesmahl schon vor 4 uhr auf seyn -- und mit alledem müssen immer einige hunderte wieder zurück die keinen Platz bekommen können -- das hat Geld eingetragen.  Der König hat vor die 3 mahl als Er das letzte mahl hir war, und nur die einzige, kleinge Loge von Willemer innehatte 100 Carolin bezahlt." ...  "Vorige Woche ist die Zauberflöthe zum 24ten mahl bei voll gepropftem Hausse gegeben worden, und hat schon 22000 fl. eingetragen.  Wie ist sie denn bey Euch executirt worden?  machens eure Affen auch so brav, wie unsere Sachsenhäusser?" (Kolb: 291).

Alle weiteren Berichte und Zusammenstellungen zeitkritischer und musikkritischer Kommentare zur Zauberflöte sollten hier erst nach unserer Handlungsbeschreibung und unserer Präsentation des Librettos folgen.  Dazu wünschen wir Ihnen weiterhin viel Lesevergnügen!


Quellen:

Einstein, Alfred. Mozart His Character, His Work. First Edition, Sixth Printing. London. New York. Toronto: 1961. Oxford University Press.

Greither, Aloys.  Wonfgang Amade Mozart in Selbstzeugnissen und Dokumenten.  Reinbeck bei Hamburg: 1962, Rowohlt Taschenbuchverlag.  Rowohlts Monographien.

Gutman, Robert W.  Mozart.  A Cultural Biography.  New York, San Diego, London:  1999, Harcourt Brace & Company.

Hildesheimer, Wolfgang.  Mozart.  Translated from the German by Marion Faber.  New York:  1977,  Farrar, Straus and Giroux.  The Noonday Press.

Köchel, Dr. Ludwig Ritter von.  Chronologisch-thematisches Verzeichnis sämtlicher Tonwerke Wolfang Amade Mozarts. Dritte Auflage bearbeitet von Alfred Einstein.    Ann Arbor, Michigan:  1947, Verlag von J.W. Edwards.  

Kolb, Annette.  Mozart  Sein Leben.Erlenbach-Zürich:  1958, Eugen Rentsch Verlag.

Renner, Hans.  Das Wunderreich der Oper. Opern- und Operettenführer.  Düsseldorf: 1948, Falken Verlag.

Robbins Landon, H.C. Mozart The Golden Years. Thames & Hudson: 1969.

Robbins Landon, H.C. 1791  Mozart's Last Year.  New York: 1988, Schirmer Books, A Division of Macmillan, Inc.

Schumanns, Otto. Schumanns Opernbuch.  Berlin und Buxtehude: 1948, Hermann Hübener Verlag.

Shaffer, Peter.  Amadeus.  London: 1993, Penguin Books.

Solomon, Maynard.  Mozart  A Life.  New York: 1995, Harper Collins.

The Letters of Mozart and His Family.  Chronologically arranged, translated and edited with an Introduction, Notes and Indexed by Emily Anderson.  New York: 1966, St. Martin's Press.  Macmillan, London, Melbourne, Toronto.

The Norton Grove Concise Encyclopedia of Music.  Edited by Stanley Sadie.  London: 1988.  Macmillan Press Ltd.



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