Entstehungs- und Aufführungsgeschichte:
Beethovens Fidelio





Fidelio
Libretto von Joseph Sonnleithner
(Negativ)




Leonore oder der Triumph der Ehelichen Liebe
Librettto von Sonnleithner, revidiert von Stephan v. Breuning
(Negativ)




"Ouverture zu Fidelio" E-Dur
Titelseite der Orchesterpartitur, 1828 verlegt
(Negativ)




Einleitung

Was erwarten Opernfreunde von einer guten Oper, dramatische Handlung und mitreißende Musik? Wo suchen Opernfreunde normalerweise danach? In der Oper selbst? Das wäre wohl der 'erste Platz', danach zu suchen!

Die Entstehungs- und Aufführungsgeschichte von Beethovens einziger Oper 'Fidelio' bietet jedoch beides bereits, bevor der Opernfreund mit der endgültigen Version dieses Werks bekannt wird! Worauf kann dies zurückgeführt werden? Die Antwort darauf liegt wohl in dem 'unbeschreiblichen' Kampf, den die Schaffung dieses Werks Beethoven aufzuzwingen schien, von den ersten Anfängen im Jahre 1804 bis zur endgültigen Version im Jahre 1814, einer Zeitspanne von zehn Jahren, voller anfänglicher Hoffnung auf eine glänzende Uraufführung, enttäuschter Illusionen, Ringen um Verkürzungen und Verbesserungen, erneuter Enttäuschungen und dem endgültigen Durchbruch. Folgen Sie dieser spannenden Entwicklung in unserer Entstehungs- und Aufführungsgeschichte dieses Werks!

'Nur noch eine Frage', bevor wir Sie auf Ihren Weg dahin senden: Warum, denken Sie, brauchte Beethoven nahezu zehn Jahre nach seinem Debut als Berufskomponist im Jahre 1795 in Wien, bevor er sich selbst 'reif' für das Schreiben einer Oper hielt? Falls Sie jetzt noch keine passende Antwort darauf parat haben, hoffen wir, daß wir Ihnen vielleicht einige Hinweise dazu liefern können!

Haben wir Ihr Interesse an diesem Thema erweckt? Dann wollen wir Sie nicht länger aufhalten: Genießen Sie Ihre Zeit mit Beethoven auf seinem Weg zum Opernkomponisten, in seinem Kampf um dieses Metier, aber auch in seinen endgültigen Sieg!

Entstehungs- und Aufführungsgeschichte

Beethovens 'Opernvorgeschichte'

Während wir vielleicht bereits sehr interessante Einsichten gewinnen könnten in bezug auf Beethovens Entwicklung auf seinem Weg zum Opernkomponisten, wenn wir unsere Nachforschung mit seiner Ankunft in Wien ansetzen würden, wäre es vielleicht noch aufschlußreicher und gewinnbringender für unser Gesamtverständnis dieses Themenbereichs, wenn wir zu diesem Zweck unsere Nachforschungen so früh wie möglich in Beethovens Kindheit ansetzen. Wenn wir nämlich so verfahren, kommen wir ganz zwangsläufig dazu uns die Frage zu stellen: Wann gewann Beethoven seinen ersten Eindruck der menschlichen Gesangsstimme in der klassischen Musik, der uns auch schriftlich hinterlassen wurde, sodaß wir uns auf ihn beziehen können?

Die Antwort darauf ist eigentlich sehr einfach und auch in unseren Biographischen Seiten angeschnitten, nämlich dadurch, daß wir uns dort auch auf das Kölner Konzert von 1778 beziehen, in dem sein Vater nicht nur seinen 'kleinen Sohn von sechs Jahren', sondern auch die junge Bonner Sängerin Helene Averdonk dem Publikum vorstellte. Während wir nichts darüber in Erfahrung bringen können, 'welchen' Eindruck diese Vorstellung auf den damals Siebenjährigen gemacht haben mochte, liefert uns dieser Hinweis doch unseren ersten 'Beweis' einer solch frühen Begegnung.

Aus unserer Webseitenbiographie erinnern wir uns vielleicht auch daran, daß der Knabe Ludwig van Beethoven während der darauffolgenden Jahre einer allgemeinen musikalischen Ausbildung am Klavier und an der Orgel ausgesetzt war, bis er seinem ersten ständigen und damals auf ihn wohl den größten Einfluß auf seinen Fortschritt ausübenden Lehrer, Christian Gottlob Neefe, anvertraut wurde.



Christian Gottlob Neefe


Wir wissen auch, daß Beethoven während seiner unbezahlten Lehrzeit unter Neefe seinen ersten engeren Kontakt mit der Opernmusik seiner Zeit hatte, als er 1783 als Theatercembalist für diesen einsprang, als jener die Aufgaben des sich auf einer Auslandsreise befindlichen Kapellmeisters Lucchesi zu übernehmen hatte. Eine Aufstellung der Opern dieser Spielsaison befindet sich im Anhang. (1) Lassen sie uns Thayer zitieren, um diesen Punkt etwas besser zu illustieren:

"In those days, every orchestra was provided with a harpsichord or pianoforte, seated at which the director guided the performance, playing from the score. Here, then, was in part the origin of that marvellous power, with which in later years Beethoven astonished his contemporaries, of reading and playing the most difficult and involved scores at first sight. The position of cembalist was one of equal honor and responsibility . . . This was the high place of honor given to Haydn when in London. In Ludwig van Beethoven's case it was the place in which he, as Mosel says of Salieri, "could make practical use of what he learned from books and scores at home." Moreover, it was a place in which he could, even in boyhood, hear to satiety the popular Italian, French and German operas of the day and learn to feel that something higher and nobler was necessary to touch the deeper feelings of the heart; a place which, had the Elector lived ten years longer, might have given the world another not merely great but prolific, nay inexhaustible, operatic composer." (Thayer: 68-69).

In diesem Zitat geht Thayer darauf ein, daß in jenen Tagen jedes Orchester mit einem Cembalo oder Pianoforte ausgestattet war, von welchem aus der Dirigent die Aufführung leitete, indem er die Partitur 'mitspielte'. Thayer ist weiterhin der Auffassung, daß das die Quelle jenes wunderbaren Beethoven'schen Talents war, jegliche Partituren, auch die schwierigsten, sofort vom Blatt lesen und spielen zu können, und daß das Amt des Cembalisten ein sehr ehrenvolles gewesen sei, das auch Haydn in London als Ehrenplatz angetragen wurde. Auch hätte Beethoven während dieser Zeit eine ausgezeichnete Gelegenheit gehabt, das praktisch anzuwenden, was er zuhause nur vom Bücher- und Partiturlesen lernen konnte. Zudem hätte sich ihm auch die Gelegenheit geboten, die populären italienischen, französischen und deutschen Opern seiner Zeit kennenzulernen und ein Gespür dafür zu entwickeln, daß etwas Höheres und Nobleres vonnöten sei, um die tieferen Gefühle des Herzens anzusprechen. Thayer fügt noch hinzu, daß dies der Platz gewesen sei, auf dem, hätte der damalige Kurfürst noch weitere zehn Jahre gelebt, Beethoven sich zu einem der einfallsreichsten Opernkomponisten hätte entwicklen können.

Es mag vielleicht geraten sein, über diesen letzten Satz sehr sorgfältig nachzudenken, um zu einer eigenen Meinung darüber zu gelangen, ob Beethoven sich wirklich in diesem Sinne entfaltet hätte.

Aus unseren Biographischen Seiten gewannen wir auch einen allgemeinen Eindruck von Beethovens weiterer musikalischer Entwicklung während seiner Bonner Jahre. Seine Pflichten führten ihn zunächst wieder in den Stand eines unbezahlten Lehrlings, danach aber in den eines bezahlten zweiten Organisten, der seinen Pflichten hauptsächlich im Kirchendienst nachkam.



Gemälde von Beethovens
angeblichem Klavierspiel vor Mozart
während seines Wiener Besuches im Jahre 1787


Eine 'Reprise' von diesen Pflichten stellte dann wohl seine kurze Reise nach Wien im Frühjahr 1787 dar. Was wir davon jedoch nicht wissen ist, ob der damals 16jährige Gelegenheit hatte, einer Opernvorstellung beizuwohnen oder ob er in der Lage war, Mozart bei der Arbeit an seiner Oper Don Giovanni beobachten zu können, da wir den genauen Arbeitsbeginn Mozarts an diesem Werk weder aus der Korrespondenz mit seinem Vater (der am 27. Mai 1787 starb [Solomon, Mozart - A Life: 420], noch aus der biographischen Literatur ermitteln können.

Beethovens weiterere musikalische Fortschritte auf seinem Weg zum Komponisten erfuhren, wie wir dies aus unseren eigenen hiesigen biographischen Aufzeichnungen ersehen können, einen Dämpfer durch den Tod seiner Mutter im Juli 1787. Er kehrte erst nach der Regelung seiner Familienangelegenheiten im Jahre 1789 zur Komposition zurück. Um diese Zeit ist jedoch auch zu beobachten, daß Beethoven mittlerweile als Violaspieler im Hoforchester engagiert war und als solcher wohl auch Gelegenheit hatte, das Orchester aus dieser Perspektive aktiv in seinen Lernprozeß mit aufzunehmen.

Der erste und wichtigste 'Beweis' seiner wirklichen Fortschritte auf dem Gebiet der Komposition für Orchester und Stimmen ist in seiner 'Kaiserkantate' auf den Tod Kaiser Josephs II aus dem Jahre 1790 enthalten. Falls Sie Ihre Erinnerung in bezug auf die Entstehungsgeschichte dieses Werks kurz auffrischen wollen und sich einige musikalische Beispiele in Form von Wave-Dateien anhören wollen, laden wir Sie ein, dies hier anhand dieses Links zu unternehmen.

Die verbleibenden Bonner Jahre brachten für Beethoven in bezug auf seine Weiterentwicklung und Förderung als Komponist als das wichtigste Ereignis den Bonner Besuch Haydns im Sommer 1792 und die vermutlich damit verbundenen weiteren Entscheidungen hinsichtlich seines Studiums mit ihm in Wien.

Wir wissen auch, daß Beethovens Hauptbeschäftigung während seiner ersten Wiener Jahre das Kontrapunktstudium unter Haydn (teilweise mit der heimlichen Hilfe Schenks) und später unter Albrechtsberger war, aber auch sein Aufstieg als Klaviervirtuose, während wir in bezug auf sein Studium der Vokalmusik während dieser Zeit keine genauen Einzelheiten ermitteln können.

Das Jahr 1795, in dem Beethoven als Berufskomponist hervortrat, ist in die biographische Beethovenliteratur auch als das Jahr eingegangen, in dem er in engeren Kontakt mit der Bonner Sängerin Magdalena Willman gekommen sein muß, die aufgrund der französischen Besetzung Bonns 1794 in Wien ankam. Da diese junge Dame, wie ihre Familie später biographischen Forschern übermittelte, Beethovens Heiratsantrag aus dem Grunde ablehnte, daß er häßlich und halbverrückt gewesen sei, ist anzunehmen, daß der Kontakt der jungen Leute hauptsächlich beruflicher Natur war und sich Beethoven vielleicht unberechtigte Hoffnungen gemacht hatte. Solch ein beruflicher Kontakt zwischen einem jungen Komponisten und Klaviervirtuosen und einer jungen Sängerin läßt zumindest die Vermutung einer regen 'vokalmusikalischen' Aktivität zu, was in diesem Zusammenhang von eigentlichem Interesse für uns sein sollte.

Aus unseren Biographischen Seiten sind wir auch damit vertraut, daß Beethoven 1796 zwei Reisen unternahm, nämlich von Februar bis Juli nach Prag und Berlin und im Herbst nach Pressburg und Pesth.

Spätestens nach seiner Rückkehr im Herbst 1796 darf sein Studium der italienischen Vokalmusik mit dem Mozartkonkurrenten Antonio Salieri (der 'Signor Bonbonniere' aus Mörikes Novelle 'Mozart auf der Reise nach Prag', deren englische Übersetzung auch auf dieser Website zu finden ist) und das der italienischen Sprache angesetzt werden. (Eine Aufstellung jener Kompositionen, die während dieser Jahre aus diesem Studium hervorgegangen sind, befindet sich im Anhang) (2).



Antonio Salieri


Von seinem langsamen Sich-Einarbeiten in die Materie der dramatischen Vokalmusik können wir einen Eindruck davon gewinnen, warum der gründliche Perfektionist Beethoven sich vielleicht noch nicht vorbereitet genug erachtete, sich schon jetzt an eine Oper heranzuwagen.

Diese Jahre boten Beethoven auch viele Gelegenheiten, mit Mozarts Opern vertraut zu werden, von denen Die Zauberflöte seine Lieblingsoper wurde. Er schrieb dazu ja auch 1799 die Klaviervariationen Ein Mädchen oder Weibchen, Op. 66 im Jahre 1798.

Da Fidelio oft auch als eine Oper im symphonischen Stil beschrieben wird, sollte es für uns auch interessant zu sein zu beobachten, daß Beethoven, nachdem er in seinen ersten Jahren als Komponist (von 1795 - 1800) sämtliche anderen Kompositionsarten der Instrumental- und teilweise auch Vokalmusik für sich eroberte, die Komposition seiner ersten zwei Symphonien in den Jahren 1800 - 1803 ihm auch hierin einen guten Ausgangspunkt für weitere Bemühungen verlieh, während das Jahr 1803 dann die ersten Opernversuche brachten, womit wir an jener Schwelle der 'Beethoven'schen Opernvorgeschichte' angelangt wären, an der wir den Stab an die eigentliche Entstehungsgeschichte von Fidelio einschließlich der unmittelbar damit verbundenen Vorbedingungen weitergeben sollten.

Bevor wir jedoch weiterschreiten, sollten wir noch zwei weitere Punkte erörtern.

Einer dieser Punkte ist gewiß die langsame Entwicklung des Beginns von Beethovens Gehörverlust, deren erste Spuren auf 1796 oder 1797 zurückgehen und die in Beethovens Briefen aus dem Jahre 1801 an Carl Friedrich Amenda und Franz Gerhard Wegeler sowie in seinem Heiligenstädter Testament vom Oktober 1802 ihren dramatischen Ausdruck fand. Um diese Entwicklung noch einmal zu verfolgen, sollten wir Sie vielleicht einladen, dies in unserer Abteilung Revelations of Silence unserer Biographischen Seiten zu tun.

Wir sollten vielleicht auch einen letzten Blick auf Beethovens Entwicklung bis zu diesem Zeitpunkt werfen und uns dabei überlegen, welche Eindrücke darin vielleicht die Elemente seines persönlichen Konzepts der 'idealen, heroischen Frau' (wie es in Leonore/Fidelio seinen Ausdruck fand) bilden. Hier spielen sicher die Bonner Jahre von 1784 an durch seinen Umgang mit der Familie von Breuning und ihren zwei weiblichen Mitgliedern, Frau von Breuning und ihrer Tochter Eleonore, eine wichtige Rolle. Die Eindrücke, die er dort sammelte, mögen sich vielleicht mit denen seiner eigenen Mutter verbunden haben, die 1787 an Lungenkrankheit starb, und mit seinem weiteren Umgang mit Frau von Breuning, die ihm danach zu einer zweiten Mutter wurde.

An dem Punkt, an dem wir jetzt in unseren Betrachtungen angelangt sind, sollten wir uns vorstellen, daß wir Beethoven bis ins Jahr 1803 begleitet haben, nach seiner Rückkehr aus Heiligenstadt im Herbst 1802, und bis zum Anfang des musikalischen Erwachens seiner zweiten Schaffensperiode, deren am schwersten errungener Sieg wohl Fidelio ist.



Beethoven um 1803


Das Jahr 1803

Steigen wir gleich ins Jahr 1803 ein und betrachten wir doch erst einmal ein Zitat aus August von Kotzebues Artikel über die Vergnügungen der Wiener nach dem Carneval in seinem Berliner literarischen Journal, dem Freymüthigen, wie er in Thayer widergegeben ist:

" . . . Amateur concerts at which unconstrained pleasure prevails are frequent. The beginning is usually made with a quartet by Haydn or Mozart; then follows, let us say, an air by Salieri or Paer, then a pianoforte piece with or without another instrument obbligato, and the concert closes as a rule with a chorus or something of the kind from a favorite opera. The most excellent pianoforte pieces that won admiration during the last carnival were a new quintet by Beethoven, clever, serious, full of deep significance and character, but occasionally a little too glaring, here and there Odensprünge in the manner of this master . . . Beethoven has for a short time past been engaged, at a considerable salary, by the Theater-an-der-Wien, and will soon produce at that playhouse an oratorio of his composition entitled Christus am Oelberg. . . ." (Thayer: 325).

In diesem Artikel geht Kotzebue darauf ein, daß die Wiener auch nach dem Carneval ihre Vergnügungen hatten, wie zum Beispiel die Amateurkonzerte, die üblicherweise mit einem Quartett von Haydn oder Mozart eingeleitet wurden, dann eventuell auch ein Air von Salieri oder Paer vorstellten, gefolgt von einem Klavierwerk mit oder ohne obligater Begleitung und abgeschlossen durch einen Chor aus einer beliebten Oper. Als das beste Klavierwerk, das im letzten Carneval vorgestellt worden sei, erwähnt Kotzebue Beethovens neues Quintett, das er als klug, ernst, und bedeutungsvoll beschreibt, aber auch als etwas zu stark und mit den üblichen "Odensprüngen" des jungen Meisters angereichtert.

Für uns von größtem Interesse ist jedoch seine nun folgende Bemerkung, daß Beethoven vor kurzem vom Theater-an-der-Wien für ein gutes Gehalt angestellt worden sei und bald ein Oratorium unter dem Titel Christus am Oelberg vorstellen werde.

Daraus wird ersichtlich, daß Beethoven im Winter/Frühjahr 1803 vom Theater-an-der-Wien als Hauskomponist angestellt worden war.  Es wäre hier auch sicher von Interesse zu überlegen, was dieses Theater dazu bewogen haben mag.

Thayer liefert uns hierzu genug Hinweise, wenn er damit fortfährt, die Jahre 1801 bis 1803 als eine "dearth at Vienna in operatic composition" (eine Durststrecke in Wien in bezug auf Opernkomposition) zu beschreiben, die nur durch frischen Wind belebt werden konnte. Jedoch war dieser frische Wind leider keiner, der durch die Straßen von Wien wehte, sondern einer, der von Frankreich herüberwehte in den Werken des bis dahin im deutschsprachigen Raum noch nicht weit bekannten Luigi Cherubini, dessen Opern in Wien im Jahre 1802 sehr erfolgreich zur Aufführung gelangten, angefangen mit Lodoiska durch Schikaneder am 23. März, und seiner Oper Die Tage der Gefahr (Der Wasserträger) am 14. August durch das Hoftheater, dem Schikaneder gleichzeitig auch seine eigene Version unter dem Titel Graf Armand oder Die zwei unvergesslichen Tage entgegensetzte. Es kamen auch noch Medea am 6. November durch das Hoftheater und Der Bernardsberg (Elise) am 18. Dezember durch Schikaneder zur Aufführung. Von Baron Braun (dem Leiter des Hoftheaters) wird berichtet, daß er in diesem Jahr nach Paris reiste, um mit Cherubini einen Vertrag auszuarbeiten, aufgrund dessen dieser dann eine oder mehrere Opern für Wien schreiben sollte (Thayer: 326).

Es sollten hier auch kurz einige Gründe erwähnt werden, die zur 'Operndurststrecke' in Wien beitrugen: Antonio Salieris Wirkungsbereich lag nun in der geistlichen Musik, die ihn voll beanspruchte, der ehemalige Mozartschüler Franz Xaver Süssmayr litt an Tuberkulose, der er dann am 16. September 1803 erlag, und andere Talente konnten sich zu dieser Zeit nicht erfolgreich durchsetzen wie zum Beispiel Weigl, der an seinen Corsär zunächst kein weiteres erfolgreiches Werk anreihen konnte.

Dies mag wohl das Theater-an-der-Wien, dessen offizielle Leitung in den Händen von Bartholomäus Zitterbarth lag, während die Opernleitung bei Schikaneder und dessen Assistenten, einem ehemaligen Schwager Mozarts (des zweiten Gatten von Mme. Hofer, Mozarts Schwägerin, der ersten 'Königin der Nacht'), Sebastian Mayer, ein "moderately gifted bass singer, but a very good actor, and of the noblest and most refined taste in vocal music, opera as well as oratorio" (in diesem Zitat als mittelmäßig begabter Bassänger, aber auch als guter Schauspieler und mit einem guten Gespür für Vokalmusik auf den Gebieten der Oper und des Oratoriums beschrieben--Thayer: 326), dazu bewogen haben, den Werken Cherubinis etwas "örtliche Konkurrenz" entgegenzustellen. Schikaneder mag vielleicht seine Hoffnungen auf Beethovens Fähigkeiten aufgrund des Erfolgs von dessen Prometheus entwickelt haben.

Während der erste "offizielle" Bericht von Beethovens Anstellung durch dieses Theater im hier bereits erwähnten Artikel Kotzebues vom 12. April 1803 enthalten ist, würde es wiederum Beethovens Brüdern zufallen, zusätzliches und teilweise frühreres Zeugnis darüber abzulegen, wie Johann van Beethoven in seinem Brief an Breitkopf und Härtel vom 12. Februar 1803, in dem er darauf folgendermaßen eingeht: "You have heard by now that my brother has been engaged by the Wiedener Theater, he is to write an opera, is in charge of the orchestra, can conduct, when necessary, because there is a director already available there every day" (diesem Zitat zufolge berichtete Johann van Beethoven, daß sein Bruder vom 'Wiedener Theater' engagiert worden sei, daß er eine Oper schreiben solle und daß ihm das Orchester zur Verfügung stünde, das unter seiner Leitung stehe--Thayer: 327).

Bevor Beethoven sich jedoch an den ersten Versuch der Opernkomposition wagte, ergriff er zunächst die Gelegenheit und schrieb das Oratorium Christus am Oelberg für das Konzert, das er am 5. April 1803 halten konnte. Die Einzelheiten der Entstehung und Aufführung dieses Werks sollten notwendigerweise das Thema einer gesonderten Entstehungsgeschichte werden. Jedoch befinden sich dazu bereits einige Einzelheiten in der bereits fertiggestellten Entstehungsgeschichte der Zweiten Symphonie.

Hinsichtlich des zweiten "brüderlichen Zeugnisses" zu Beethovens Verbindung mit dem Theater-an-der-Wien können wir auf einen Brief seines Bruders Carl, den jener an Simrock in Bonn am 25. Mai 1803 in bezug auf andere Angelegenheiten schrieb:

"Vienna, May 25, 1803

Highly esteemed Sir:

I have not been able until now to provide you with three sonatas and something else because your answer to my letter of September of last year arrived here so late. . . . Please write to me soon concerning this.

Yours sincerely,

C. v. Beethoven

Address

A -- Beethoven
In Vienna to be delivered
In the Theater-an-der-Wien, 2nd story"

(Lassen Sie uns hier nur kurz auf die letzten Zeilen mit der Adressenangabe eingehen: A--Beethoven in Wien, zu liefern an das Theater-an-der-Wien, im zweiten Stock.--Thayer: 334).

Dies weist darauf hin daß Beethoven, der seine Wohnung "am Peter" gegen das Quartier im Theater umtauschte, auch seinen Bruder Caspar Carl dort aufgenommen hatte. Thayer kommt in dieser Angelegenheit noch auf Seyfried zu sprechen, der berichtet, daß dieser Umzug bereits vor dem Konzert am 5. April stattgefunden hatte, während die allgemeine Tatsache von Carl van Beethovens dortigem Wohnsitz auch durch den Staatsschematismus dieses Jahres bestätigt wurde (Thayer: 334, Fußnote 16).

Von Beethoven wird ferner berichtet, daß er einige Wochen in Baden zur Kur verbrachte, um sich vom hektischen Winterleben zu erholen, und daß er von dort nach Oberdöbling bei Heiligenstadt in die Sommerfrische ging, wo er hauptsächlich an seiner dritten Symphonie, der Eroica, arbeitete. Die Einzelheiten dazu sollten wiederum Eingang in eine gesonderte Entstehungsgeschichte finden.

Erst nach seiner Rückkehr nach Wien im Herbst machte sich Beethoven an seinen ersten Opernkompositionsversuch. Lassen Sie uns hierzu Thayer zitieren:

"Alexander Macco, the painter, after executing a portrait of the Queen of Prussia, in 1801, which caused much discussion in the public press but secured to him a pension of 100 thalers, went from Berlin to Dresden and Prague. In 1803, Macco wrote to Beethoven offering for composition an oratorio text by Prof. A. G. Meissner--a name just then well-known in musical circles because of the first volume of the biography of Kapellmeister Naumann. . . . Just now he felt bound to decline it, which he did in a letter dated November 2, 1803, for the following reason: " . . . it is impossible for me at this moment to write this oratorio because I am just now beginning my opera, which, together with the performance, may occupy me until Easter. . . . "

(Dieses Zitat geht darauf ein, daß der Maler Alexander Macco nach der Fertigstellung eines Portraits der Königin von Preussen von Berlin nach Dresden und von dort nach Prag ging. Von dort soll er 1803 an Beethoven geschrieben haben und ihm einen Oratoriumstext von Prof. A.G.Meissner--eines Namens, der zu dieser Zeit in musikalischen Kreisen durch seinen ersten Band der Biographie des Kapellmeisters Naumann bekanntgeworden war. Beethoven habe sich jedoch veranlaßt gesehen, dieses Manuskript abzulehnen, da er gerade mit der Arbeit an seiner Oper begonnen habe. Er nahm dazu in seinem Brief vom 2. November 1803 Stellung und erwähnte auch, daß ihn diese Arbeit wohl bis Ostern 1804 beschäftigen würde.--Thayer: 340).

Dies wird auch durch einen Brief Georg August Griesingers an Breitkopf und Härtel vom 12.November 1803 bestätigt, in welchem jener schreibt, daß Beethoven zur Zeit an einer Oper von Schikaneder schreibe, aber auch nach anderen Texten Ausschau halte, und mit seinem zweiten Schreiben vom 4. Januar 1804 gibt uns Griesinger auch den Zeitrahmen, wann Beethoven diesen Versuch aufgab, indem er darin berichtet, daß der Komponist Schikaneder diesen Text zurückgegeben hatte, da er "too ungrateful" (zu undankbar--Thayer: 340) sei.

Die Beethovenliteratur (z.b. Raoul Biberhofer, DM, Vol.22 (1930), pp. 409-14 und Willy Hess, BJ, 1957-58, pp. 63-106) besprechen Einzelheiten des Materials, mit dem Beethoven gerungen hatte: Schikaneders Vestas Feuer, während Nottebohm in seinem  Skizzenbuch von Beethoven aus dem Jahre 1803 auf ein melodisches Fragment von einem oder zwei Stücken, das urspünglich für Schikaneders Oper geschrieben worden sei, dann aber seinen Weg in die Oper Leonore/Fidelio in der Arie "O namenlose Freude" gefunden hätte, spricht (alle Einzelheiten aus Thayer: 340).

Vielleicht können nicht nur Beethovenforscher, sondern auch Laienfreunde der beethoven'schen Musik hier eine gewisse "organische Entwicklung" Beethovens in Richtung seiner Bereitschaft entdecken, sich an die Komposition einer Oper auf seiner ganz eigenen, intensiven und mit Kämpfen verbundenen Ebene zu wagen.

Das Jahr 1804

Beethovens bereits erwähnter Brief vom 4. Januar 1804 an Rochlitz berichtet nicht nur, daß er Schikaneder dessen Libretto zu Vestas Feuer wegen seiner schlechten Qualität zurückgegeben hätte, sondern auch, daß er bereits mit der Arbeit an einem alten französischen Libretto begonnen hätte. Darauf werden wir hier in Kürze eingehen.

Bevor wir dies tun, sollten wir uns jedoch auch mit dem Besitzerwechsel des Theaters-an-der-Wien befassen, von dem Thayer berichtet, daß Zitterbarth bereits einige Monate vorher von Schikaneder die Rechte an diesem Theater für einen Preis von 100,00 Gulden allein erworben hatte.

Wir hatten auch Gelegenheit, mit der Konkurrenz zwischen dem Hoftheater (unter der Leitung von Baron von Braun) und dem Theater-an-der-Wien (unter der Leitung von Schikaneder) vertraut zu werden. Vielleicht ist es hilfreich, hier auf den Ursprung dieser manchmal bitteren Rivalität einzugehen. Dies ging auf die Aufführung von Mozarts Zauberflöte am 24. Februar 1801 durch das Hoftheater zurück, die Schikaneder neben anderem Ärger auch jenen brachte, daß sein Name als Autor des Textes unterschlagen wurde. Wir sollten uns hierzu vielleicht Treitschkes Kommentar in Thayer betrachten:

"On February 24, 1801, the first performance of Die Zauberflöte took place in the Royal Imperial Court Theatre beside the Kärtnerthor. Orchestra and chorus as well as the representatives of Sarastro (Weinmüller), the Queen of Night (Mme. Rosenbaum), Pamina (Demoiselle Saal) and the Moor (Lippert) were much better than before. It remained throughout the year the only admired German opera. The loss of large receipts and the circumstance that many readings were changed, the dialogue shortened and the name of the author omitted from all mention, angered S. [Schikaneder] greatly. He did not hesitate to give free vent to his gall, and to parody some of the vulnerable passages in the performance. This change of costume accompanying the metamorphosis of the old woman into Papagena seldom succeeded. Schikaneder, when he repeated the opera at his theatre, sent a couple of tailors on to the stage who slowly accompanied the disrobing, etc. These incidents would be trifles had they not been followed by such significant consequences; for from that time dated the hatred and jealousy which existed between the German operas of the two theatres, which alternately persecuted every novelty and ended in Baron von Braun, then Manager of the Court theatre, purchasing the Theater-an-der-Wien in 1804, by which act everything came under the staff of a single shepherd but never became a single flock." (Thayer: 344-345).

Treitschke geht hierin darauf ein, daß die Zauberflöte am 24. Februar 1801 vom Hoftheater aufgeführt wurde, und daß das Orchester, der Chor und die Sänger der Rollen des Sarastro (Weinmüller), der Königin der Nacht (Mmlle. Rosenbaum), Pamina (Demoiselle Saal) und des Mohren (Lippert) besser waren als diejenigen vorangegangener Aufführungen. Der Verlust von Einnahmen, so Treitschke, aber auch der Umstand, daß der Text viele Veränderungen erfuhr und sein Name als Autor nicht erwähnt wurde, mag Schikaneder dann so verärgert haben, daß er seinen Unmut laut zum Ausdruck brachte und daß er auch einige der nicht ganz gelungenen Passagen der Vorstellung parodierte, wie z.B. den Kostümwechsel der alten Frau in die junge Papagena. In einer nachfolgenden Aufführung der Oper durch Schikaneder sorgte dieser dafür, daß gerade diese Sache bei ihm durch Mithilfe von Schneidern auf der Bühne besser klappte. Durch diesen Gang der Ereignisse entstand dann zwischen den beiden Häusern, insbesondere in bezug auf die Aufführung deutscher Opern, eine bittere Rivalität, die dann vielleicht letztendlich Baron von Braun, den Leiter des Hoftheaters, dazu bewog, auch das Theater-an-der-Wien zu erwerben, wodurch 'alles unter einen Hut' kam, jedoch keineswegs aus beiden Ensembles eine Einheit wurde.

Der Vertrag zwischen Zitterbarth und Baron von Braun wurde am 11. Februar unterzeichnet, und zwar mit einem Gesamtkaufspreis von 1,060,000 Gulden 'Wiener Standards'. Am 16. Februar trat die neue Leitung mit der Produktion von Mehuls Ariodante hervor.

Während Zitterbarth Schikaneder noch weiterbeschäftigt hatte, entließ ihn Baron von Braun. Er füllte diese Position zunächst mit Joseph Ferdinand Sonnleithner. Thayer berichtet über ihn Folgendes:



Joseph Sonnleithner


"The eldest son, born 1766, of Christoph Sonnleithner, Doctor of Laws and Dean of the Juridical Faculty at Vienna, Joseph Ferdinand by name, was educated to his father's profession, and early rose to the positions of Circuit Commissioner and Royal Imperial Court Scrivener . . . All the Sonnleithners, from Dr. Christph down to the excellent and beloved representative of the family, Leopold, his grandson who died in 1873, have stood in the front ranks of musical dilettanti, as composers, singers, instrumental performers and writers on topics pertaining to the art. Joseph Ferdinand was no exception. He gave his attention particularly to musical and theatrical literature, edited the Court Theater Calendars, 1794-95, so highly lauded by Gerger, and prepared himself by appropriate studies to carry out Forkel's plan of a "History of Music in Examples", which was to reach the great extent of 50 volumes, folio. To this end he spent nearly three years, 1798-1802, in an extensive tour through northern Europe making collections of rare, old music. Upon his return to Vienna, resigning this project again into the hands of Forkel, he became one of the earliest partners, if not one of the founders, of the publishing house known as the "Kunst- und Industrie-Comptoir" (Bureau d'Arts et d'Industrie), of which Schreyvogel was the recognized head. The latter had been appointed Secretary of the Court Theatre in 1802, but resigned, and, on February 14, 1804, Sonnleithner 'was appointed, and on this account was most honorably retired from his former post as Court Scrivener.' On what ground he has been called an 'actor' (Schauspieler) is unknown." (Thayer: 345).

Diese Kurzbeschreibung geht darauf ein, daß der älteste Sohn des Juristen und Dekans der juristischen Fakultät der Universität Wien, Christoph Sonnleithner, der 1766 geborene Joseph Ferdinand Sonnleithner, auch im Beruf seines Vaters ausgebildet wurde und sehr schnell zum Rang eines "Kommissärs und K.K. Hof-Concipisten" aufstieg. Alle Sonnleithners, von Dr.Christoph bis zu seinem Enkel, dem allgemein beliebten Leopold, der 1873 verstarb, seien sehr versierte 'Musikdilettanten' gewesen, und Joseph Ferdinand sei darin auch nicht als Ausnahme zu verzeichnen. So befaßte er sich schon früh mit Musik- und Theaterliteratur, editierte die Hoftheaterkalender von 1794 und 1795, die von Gerger gelobt worden seien und begab sich von 1798 - 1802 auf eine drei Jahre währende Reise durch Nordeuropa und sammelte für die geplante "Musikgeschichte in Beispielen", die 50 Bände erreichen sollte, viele seltene alte Musikstücke, gab dieses Projekt jedoch an dessen Urheber Forkel zurück. (Forkel ist uns hier ja auch schon bekannt als erster Bachbiograph aus unserer Beschreibung der Matthäuspassion). Danach trat Sonnleithner auch als Partner des neuen Musikverlags, "Kunst- und Industrie-Comptoir" hervor, das von Schreyvogel geleitet wurde. Jener war 1802 zum Sekretär des Hoftheaters ernannt worden, trat von diesem Posten aber zurück, sodaß Sonnleithner am 14. Februar diesen Posten übernahm und aus seinem Beamtendienst ehrenvoll entlassen wurde. Warum er jedoch auch als Schauspieler bezeichnet wurde, sei nicht zu ermitteln gewesen.

Nachdem wir nun Sonnleithner als Schikaneders Nachfolger identifizieren konnten, wird auch seine Rolle als Übersetzer des alten französischen Librettos, das Beethoven erwähnte, klar. Bevor wir uns jedoch eingehender mit der Zusammenarbeit Sonnleithners und Beethovens befassen, sollten wir auch noch einige Einzelheiten zum Originaltext von J.N. Bouilly, Leonore, ou l'Amour conjugal mitteilen. Aus der Feder des französischen Advokaten Bouilly stammte auch Les deus Journees, das Beethoven 1823, zusammen mit La Vestale, als die besten Texte ihres Genres dieser Zeit bezeichnete. Daraus ist zu schließen, daß der ursprüngliche Leonore-Text vielleicht nicht ganz so ausgezeichnet war wie Bouillys andere Arbeit; es entstand aber daraus trotzdem durch die Tonsetzung des französischen Sängers und Komponisten Pierre Gaveaux eine damals am Theatre Feydeau in Paris am 8. Februar 1798 uraufgeführte, sehr erfolgreiche Oper. Bald danach wurde die Partitur verlegt und fand so auch ihren Weg nach Deutschland.

Wir sollten hier auch kurz darauf hinweisen, daß 'Rettungsopern' dieser Art zu jener Zeit in Frankreich sehr beliebt waren, ein Phänomen, das sicherlich Kunsthistoriker, Soziologen und Psychologen gleichermaßen interessieren mag, wobei die verschiedenen Disziplinen jedoch auch vielleicht mit verschiedenen Urteilen dazu aufzuwarten haben. Diejenigen unter Ihnen, die sich dafür interessieren, mögen dieses Thema vielleicht in geeigneter Literatur weiterverfolgen.

Vielleicht hat der italienische Komponist Ferdinando Paer, der 1802 in Leipzig zum Hofkapellmeister ernannt wurde, dieses Thema auch durch seine Bekanntheit in Deutschland aufgenommen, sodaß er eine italienische Version des Textes vertonte und unter dem Titel Leonora, ossia l'amore conugale am 3. Oktober 1804 in Dresden aufführte.  (Es ist auch bekannt, daß Wien Paers Oper zum erstenmal am  8. Februar 1809 sehen konnte, während das Werk in Berlin am 11. Juli 1810 zur Aufführung gelangte.)



Auszug aus dem
Berliner Textbuch von 1810


Dies bringt uns wieder zurück zu Sonnleithner und Beethoven am Anfang des Jahres 1804 und deren beginnende Zusammenarbeit an diesem Werk mit dem Ziel, es im Theater-an-der-Wien zur Aufführung zu bringen. Nicht lange nach seinem Brief vom 4. Januar 1804 an Rochlitz korrespondierte Beethoven mit Sonnleithner bezüglich ihrer Zusammenarbeit:

"Dear Sonnleithner!

Since it is so difficult to talk with you, I prefer to write you about the things which we have to discuss.---yesterday I again received a letter concerning my trip, which makes my decision about it unshakable. . . . Now I beg of you most sincerely to see to it that the poetical part of the libretto is ready by the middle of next April, so that I can continue to work and the opera can be performed by June at the latest, so that I myself can help you in performance.--My brother has told you of my changing lodgings; I have occupied this one conditionally until a better one can be found. The chance came already some time ago and I wanted to assert my right the with Zitterbarth, at which point Baron Braun became owner of the theatre--The rooms occupied by the painter above and which are clearly adequate only for a servant, need only to be vacated, then my apartment could be granted to the painter, and the affair would be settled.--Since in my apartment the servant must sleep in the kitchen, the servant I now have is already my third--and this one will not stay long with me either; without considering its other inconveniences.--I know beforehand that if it depends upon the decision of Hr. Baron again, the answer will be no. In that case I shall look for something elsewhere immediately. Already I am used to the fact that he has nothing good to say about me--let it be--I shall never grovel--my world is elsewhere.--Now I expect an answer from you on this--meanwhile I do not want to stay an hour longer in this fatal hole. My brother told me that according to your complaint I am supposed to have spoken against you, but don't listen to miserable gossip at the theatre.--The one thing which I find at fault with you is that you listen too much to what some people say which they certainly don't deserve.--Forgive my frankness.--

Faithfully your Beethoven" (Thayer: 347).

In diesem Brief bringt Beethoven zum Ausdruck, daß er Sonnleithner lieber schreibe als sich mit ihm direkt zu diesem Thema auseinanderzusetzen. Er geht danach auf einen Zeitrahmen ein in bezug auf die Fertigstellung des "poetischen Teils" von Leonore und verleiht seiner Hoffnung Ausdruck, daß dieser bis Mitte April abgeschlossen sein möge, damit er selbst Sonnleithner mit der Aufführung des Werks behilflich sein kann, da er auch "fest" eine Reise nach Paris geplant habe. (Möglicherweise wollte Beethoven dort mit Männern wie dem Pianisten Louis Adam, dem Violinsolisten Rudolph Kreutzer und dem Klavierbauer Sebastian Erard in Kontakt treten, jedoch wurde auch aus dieser Reise nichts). Ferner geht Beethoven auch noch auf die Notwendigkeit ein, sein Quartier zu wechseln. Auch weiß er nichts allzu Vorteilhaftes in bezug auf Baron Braun zu äußern, und abschließend rät er Sonnleithner, sich nicht mit Klatsch inpunkto irgendwelcher abfälliger Äußerungen seinerseits über ihn zu befassen.

Demnach liefert uns dieser Brief viele Hinweise auf die widersprüchlichen Umstände der damaligen Zeit, die den Gang der weiteren Ereignisse beeinflußten, wie z.B. die bereits erwähnte geplante Frankreichreise Beethovens und den ursprünglich angesetzten Zeitrahmen für die Fertigstellung der Oper Leonore zwischen April und Juni 1804. Wenn Beethoven in seinem Brief nichts allzu Gutes über Baron Braun zu sagen hatte, mag dies vielleicht daran gelegen haben, daß jener mit der Leitung so vieler Theater erst einmal die Zügel seines neuerworbenen Etablissements strenger anziehen mußte, um seine eigenen Absichten zu verwirklichen. Dadurch mag sich Baron Braun vielleicht zu diesem Zeitpunkt veranlaßt gesehen haben, die zwischen Schikaneder und Vogler bzw. Beethoven abgeschlossenen Verträge in dieser Form nicht zu erneuern. So kam auch nur das erste von drei aus Voglers Feder bestellten Werken, Samori, am 7. Mai zur Uraufführung. Auch stand Baron Braun zu dieser Zeit ein einigermaßen reichhaltiges Repertoire zum Bestreiten dieser Saison zur Verfügung. Ferner mag sich Baron Braun auch nicht an die vertraglichen Bedingungen anderer Parteien gebunden erachtet haben. Diese Situation erforderte daher Beethovens Quartierwechsel, auf den er auch in diesem Brief einging. Er vertauschte seine Räume im Theater-an-der-Wien mit einer neuen Wohnung in der Nähe des "rothen Hauses", des Domizils seines Bonner Freundes Stephan von Breuning, das dieser auch in den Jahren 1825 - 1827 noch bewohnen würde (als Beethovens letzter Wohnsitz das Schwarzspanierhaus war). Während Beethoven den ersten Teil der Sommersaison von 1804 in Baden verbrachte, sahen ihn die spätern Monate in Döbling. Diese Monate sahen auch einen Streit zwischen ihm und von Breuning, der jedoch noch vor Ausgang des Jahres wieder gütlich beigelegt wurde. Einzelheiten hierzu sollten wohl am besten in eine eingehende Beschreibung von Beethovens Beziehungen zu seinen engsten Freunden Eingang finden. Bei seiner Rückkehr nach Wien im Herbst bezog Beethoven das Pasqualatihaus an der Mölkerbastei. Dieser Herbst sah auch die Erneuerung seiner Freundschaft mit der inzwischen verwitweten Josephine von Brunsvik-Deym, die er von nun an fast täglich besuchen würde, woraus sich seine große Leidenschaft für sie entwickeln, vielleicht auch sogar wiederentwickeln würde. Während all dieser Zeit ruhte die Arbeit an Leonore. Der Spätsommer und Herbst brachte aber für das Theater-an-der-Wien wiederum einen Wechsel in der Leitung: Sonnleithner trat Ende August von seinem Posten zurück, und Baron Braun stellte erstaunlicherweise Schikaneder wieder ein. Beethovens Vertrag zur Fertigstellung der Leonore wurde ebenfalls erneuert. Zu dieser Zeit war auch Paers Version am 3. Oktober in Dresden zur Uraufführung gelangt. Es ist vielleicht von Interesse hier darauf hinzuweisen, daß unter Beethovens Papieren später eine Partitur dieses Werks gefunden wurde. Hierzu bemerkt Richard Engländer in seinem Werk Paers "Leonora" und Beethovens "Fidelio" einige gemeinsame Ideen, die nicht in der Version von Gaveaux enthalten seien, sich sowohl in Paers Werk als auch in den verschiedenen Versionen von Leonore/Fidelio befänden. (Thayer: 360). Diese Ansicht kann jedoch weder widerlegt noch bestätigt werden, da nicht feststellbar ist, wann Beethoven in den Besitz der Paer'schen Partitur gelangte. Das Werk selbst wurde erst am 8. Febuar 1809 in Wien aufgeführt. In bezug auf den tatsächlichen Fortschritt von Beethovens Arbeit an Leonore im Herbst 1804 können wir ebensowenig ermitteln, ob er sich gleich an die Arbeit machte oder nicht.

Das Jahr 1805

Beethovens neuer Vertrag mit dem Theater-an-der-Wien für die Fertigstellung seiner Oper berechtigte ihn wiederum, im Theater zu logieren. Demnach erwähnt das Wiener Stadtverzeichnis von 1805 das Theater als Beethovens Wohnsitz, während er in Wirklichkeit auch seine Wohnung im Pasqualati-Haus beibehielt. Thayer berichtet dazu, daß Beethoven in seiner Theaterwohnung Besucher empfing und sich zum Komponieren in seine Wohnung im Pasqualatihaus zurückzog.

Viele seiner Nachmittage und Abende mag er aber wohl auch in Gesellschaft von Gräfin Josephine von Brunsvik-Deym verbracht haben, was dazu beitrug, daß sich seine Freundschaft für sie ins Leidenschaftliche vertiefte. Während es hier wohl zu weit gehen würde, auf diese Angelegenheit ausführlich einzugehen, sollten wir vielleicht die wichtigsten Stationen dieser Begegnung im Jahre 1805 kurz erwähnen:

Anfang 1805 beunruhigte die leidenschaftliche Natur dieser Freundschaft Josephines Familie sehr und fand dementsprechenden Ausdruck im Briefwechsel zwischen Josephines Schwestern Charlotte und Therese, während sich auch die Gefahr von Gerüchten entwickelte aufgrund von Fürst Lichnowskys Beobachtungen und Baron Zmeskalls Interventionen zur mehr oder weniger erfolgreichen Beruhigung der Situation. Beethoven versuchte, Josephine diesbezüglich zu beschwichtigen. Jedoch enthält eine Übersetzung seines ersten Briefs dieses Jahres auch den Hinweis, daß Zmeskall "was to have a word with Tante Gui (Gräfin Susanna Guicciardi, Einfügung durch die Autorin)--and suggest that she should speak to you so that you might encourage me more earnestly to finish my opera, because she believed that this might do a lot of good." (Thayer: 378). (Demnach wollte Zmeskall indirekt darauf einwirken, daß Beethoven sich wieder mehr mit seiner Oper befaßte).

Auf einer freundschaftlich-mitmenschlichen Ebene fand Beethoven jedoch auch Gelegenheit, Josephine gegenüber seine Sorgen über seinen fortschreitenden Gehörverlust anzuvertrauen. Drei weitere seiner Briefe dieses Jahres befassen sich nur mit Einzelheiten zu bestimmten Besuchszeiten, dem Austausch von Musik und Geschenken und dergleichen, während sein fünfter, fragmenthafter Brief dieses Jahres seine Gefühle für Josephine folgendermaßen zum Ausdruck bringt:



Josephine von Brunsvik-Deym


" . . . from her--

the only beloved--why is there no language which can express what is far above all mere regard--far above everything--that we can never describe-- Oh, who can name you--and not feel that however much he could speak about you--that would never attain--to you--only in music--Alas, I am not too proud when I believe that music is more at my command than words-- You, you, my all, my happiness--alas, no--even in my music I cannot do so, although in this respect thou, Nature, hast not stinted me with thy gifts. Yet there is too little for you Beat, though, in silence, poor heart--that is all you can do, nothing more--for you--only you--eternally you--only you until I sink into the grave--My refreshment--my all. Oh Creator, watch overher--bless her days--rather let all calamities fall upon me--

Only you-- May you be strengthened, blessed and comforted--in the wretched yet frequently happy existence of us mortals--

Even if you had not fettered me again to life, yet you would have meant everything to me--" (Thayer: 379). (Es würde wenig Sinn ergeben, diesen Brief wieder ins Deutsche zurückzuübersetzen. Er enthält aber doch eine intensive Mischung aus Dankbarkeit Beethovens für Josephines Rolle als 'Retterin' und seiner Leidenschaft für sie).

Da alle fünf Briefe nicht datiert sind, wissen wir nicht, für wie lange diese Intensität anhielt, während uns auch bekannt ist, daß Beethoven und Josephine noch während seines Sommeraufenthalts in Hetzendorf zumindest Nachbarn waren. Die Ereignisse des Herbstes veranlassten Josephine, sich nach Martonvasar zurückzuziehen. Eine Beurteilung des bestehenden oder nicht bestehenden Einflusses dieser Begegnung auf seine Oper würde jedoch den Rahmen dieser Entstehungsgeschichte überschreiten. Denjenigen von Ihnen, die sich näher mit diesem Thema vertraut machen wollen, steht hierzu geeignete Literatur zur Verfügung.

Während seines Sommeraufenthalts in Hetzendorf soll Beethoven auch viel Zeit im Schönbrunner Park verbracht haben, wo er weitere Einzelheiten zu seiner Oper ausarbeitete, die anfang Juni schon skizziert war. Dazu lieferte uns Beethoven selbst einen Hinweis auf Seite 291 seines Leonore-Skizzenbuchs: "June 2nd Finale always simpler. All pianoforte music also. God knows why my pianoforte music always makes the worst impression, especially when it is badly played." (Thayer: 380). (Diese beethoven'sche Randbemerkung enthält wiederum ein Quäntchen unfreiwillige Komik, wenn er nach dem einfachen Hinweis, daß ihm das Finale zu Leonore am 2. Juni immer leichter vorkam auch noch darauf eingeht, daß es ihm mit seiner Klaviermusik ebenso erging, er dann aber fortfährt mit "Gott weiß warum meine Klaviermusik immer den schlechtesten Eindruck macht, besonders wenn sie schlecht gespielt wird."

Hinsichtlich des Leonore-Skizzenbuches kann berichtet werden, daß Gustav Nottebohm der Meinung war, daß dessen Inhalt hauptsächlich auf das Jahr 1804 zurückzuführen sei, und Thayer setzt dem hinzu, daß "The sketchbook is filled for the most part with work on the last pieces of the first act and on all pieces of the second act" (Thayer: 380), und daß es ursprünglich vier Skizzenbücher gegeben haben muß, die von ihrem Inhalt her zusammengehörten.  Von diesen blieben nur das zweite und das dritte erhalten, von welchen das eben besprochende das zweite war.  Man kann nur vermuten, daß sich im ersten Skizzenbuch Material befunden haben muß, das zum ersten Teil der Leonore gehörte, während das vierte wahrscheinlich Arbeiten zum zweiten Finale und zur Ouverture enthielt.   Es wird auch angenommen, daß Beethoven die Hauptnummern der Oper in der Reihenfolge, in der sie im Libretto von 1805 enthalten sind, dem Skizzenbuch entnommen haben muß, während Studien für Fidelios Rezitativ "Ach brich doch nicht" und ihre Arie "Komm Hoffnung", Nr. 11, sich am Ende des Skizzenbuches befinden, als Ausnahme zur Regel.    Dazu hinterließ Beethoven auch eine Anmerkung auf Seite 344 dieses Skizzenbuches, "Duetto with Müller [Marzelline] and Fidelio aside" und "Aria for Fidelio, another text which agrees with her" (Beethoven deutete damit an, daß er das Duett mit Marzelline und Fidelio beiseitelegte und daß er für Fidelio noch einen besser zu ihr passenden Text suchte--Thayer: 380).  Dies deutet vielleicht an, daß das Duett verändert wurde und daß das Air "Komm Hoffnung" nicht im ursprünglichen Text Sonnleithners enthalten war.  In bezug auf Beethovens Skizzen sollten wir vielleicht Otto Jahns Kommentar aus Thayer wiedergeben:

"One is amazed at this everlasting experimentation and cannot conceive how it will be possible to create an organic whole out of such musical scraps. But if one compares the completed art-work with the chaos of sketches one is overwhelmed with wonder at the creative mind which surveyed its task so clearly, grasped the foundation and the outlines of the execution so firmly and surely that with all the sketches and attempts in details the whole grows naturally from its roots and develops. And though the sketches frequently create the impression of uncertainty and groping, admiration comes again for the marvelously keen self-criticism, which, after everything has been tested with sovereign certainty, retains the best. I have had an opportunity to study many of Beethoven's sketchbooks, but I have found no instance in which one was compelled to recognize that the material chosen was not the best, or in which one could deplore that the material which he rejected had not been used" (Jahn drückt hier sein Erstaunen darüber aus, daß Beethoven aus seinen zahllosen Experimenten ein organisches Ganzes schaffen konnte.  Man sei, so Jahn, auch erstaunt über Beethovens Sicherheit und Klarheit, mit der er seine endgültige Auswahl traf, sodaß alles wiederum natürlich und organisch wirkt.  Obwohl die Skizzen sehr viel Suchen und Tasten andeuten, müsse man sich wiederum über Beethovens scharfe Selbstkritik wundern, die nur das beste Material auswählte.  Auch hätte er, Jahn, kein Beispiel dafür gefunden, daß man es etwa bereue, daß Beethoven gerade diese Auswahl getroffen hatte.--Thayer: 380-381).

Hinsichtlich des "Materials, das er beiseitelegte" dürfen wir Sie vielleicht einladen, unsere links page  dieser Fidelioseiten aufzusuchen, um dort die "Unheard Beethoven"-Webseiten-Midifiles zu studieren, die etliches 'beiseitegelegte' Material zu Leonore/Fidelio enthalten.  Thayer geht auch auf die bereits bekannten Schlußfolgerungen vieler Beethovenforscher ein, nämlich daß das erste Material Beethovens oft erstaunlich "trivial" gewesen sei und kaum mit seinem Genie in Verbindung gebracht werden kann.  Als Beispiel für Beethovens selbstkritische Auswahl mag vielleicht die Beobachtung dienen, daß im Skizzenbuch achtzehn verschiedene Anfänge zu Florestans Air "In des Lebens Frühlingstagen" und zehn zum Chor "Wer ein holdes Weib" enthalten sind, sowie auch zahllose Studien zum freudigen Ausbruch von "O namenlose Freude", wovon nur die ersten Takte auf das in unserer Abteilung zum Jahr 1803 erwähnte Vestas Feuer zurückgehen.

Während seines Sommeraufenthalts in Hetzendorf, nämlich im Juli, empfing Beethoven den französischen Komponisten Luigi Cherubini, der gerade Wien besuchte.  Bezüglich des Empfangs, den ihm Beethoven bereitete, existieren zwei Versionen:  Grillparzer nannte diesen Empfang freundlich, während Beethovens Schüler Czerny dazu bemerkte, daß sich Cherubini bei ihm beschwert hatte, daß dieser nicht sehr freundlich gewesen sei.    Wie dem auch sei brachte Beethoven bei seiner Rückkehr nach Wien am Ende des Sommers die fertige Oper mit, zu der nun Proben anzusetzen waren.

Nun bietet sich uns auch eine passende Gelegenheit, darauf einzugehen, daß sich Beethoven während der bisherigen Schaffenszeit an dieser Oper auch auf seinen Schüler Ferdinand Ries als seinen Helfer in vielen Angelegenheiten verlassen konnte.  Vielleicht werden sich einige von Ihnen daran erinnern, daß Ries jedoch in einem ganz gewissen Punkt die Gunst seines Lehrers verloren hatte, was sich, kurz zusammengefaßt, etwa so ereignete:  In der Vergangenheit hatte er sich einmal die Freiheit herausgenommen, ein soeben von Beethoven komponiertes Werk Fürst Lichnowsky vorzuspielen, das dieser dann am nächsten Tag Beethoven vorspielte und als sein eigenes ausgab.  Seit dieser Zeit weigerte sich Beethoven, vor Ries Klavier zu spielen.  Als sich nun die Gesellschaft Fürst Lichnowskys eines morgens bei Beethoven einfand, um ihm beim Vorspiel einiger Passagen aus seiner neuen Oper zuzuhören, bestand der Komponist darauf, daß Ries sich entfernen sollte und konnte auch durch Lichnowsky nicht umgestimmt werden.  Um seinen Standpunkt noch deutlicher zu machen, weigerte sich Beethoven dann sogar, vor allen anderen weiterzuspielen.  So hörte Ries damals nicht einen Ton der neuen Oper, und bald danach mußte er in seine Heimat zurückkehren, da er als Rheinländer der französischen Militärdienstmusterung unterlag.  Im Gegensatz zu seinem 'musikalischen Starrsinn' zeigte sich Beethoven aber in diesem Fall wieder sehr um seinen Schüler besorgt und gab ihm ein Empfehlungsschreiben an Fürstin Liechtenstein mit (Thayer: 382).

Nun sollte uns aber nichts mehr daran hindern, alle Einzelheiten der Opernproben für die Uraufführung im Herbst 1805 zu besprechen.  Hierzu ist es vielleicht nützlich, zuerst auf alle mitwirkenden Sänger und Sängerinnen einzugehen, angefangen mit Anna Milder.



Die junge Anna Milder als Leonore


"My dear child! You have a voice like a house!" (Mein liebes Kind!  Du hast ja eine Stimme wie ein Haus!--Thayer: 383) ist, was Haydn zu dieser Neukomm-Schülerin schon im Kindesalter gesagt haben soll.  Die nun Zwanzigjährige hatte ihre Theaterlaufbahn am 9. April 1803 mit der Juno-Rolle in Süssmayr's Spiegel von Arkadien begonnen, in der jener Komponist schon eine große Arie für sie mit eingebaut hatte.  Während ihre Anfänge mit der Rolle der Leonore im Jahre 1805 vielleicht noch als schüchtern bezeichnet werden können im Vergleich zu ihren späteren Erfolgen, und das hauptsächlich aufgrund ihrer noch mangelnden Bühnenerfahrung als Darstellerin, mangelte es an ihrer Stimme niemals.

Die Rolle der Marzelline sollte mit Louise Müller besetzt werden, die Thayer als  "tasteful and honest singer, although she did not have the help of a voice of especial volume" (eine ehrliche und gute Sängerin, die jedoch keine sehr umfangreiche Stimme hatte--Thayer: 383), beschrieb.  Es wird von ihr berichtet, daß sie sich im Laufe der Zeit in eine sehr gute Bühnenschauspielerin und Sängerin im komischen Fach entwickelte.

Die Rolle des Florestan konnte leider nicht mit einem Sänger besetzt werden, dessen Stimme und Präsenz der Anna Milders ebenbürtig war.  Von Fritz Demner wird berichtet, daß er eine gute, hohe Stimme hatte,  meistens halbkomische Rollen spielte, und daß "...he was best in airs in which there was little agility and more sustained declamation" (er am besten war in Airs mit konstanter Deklamation und wenig Wechsel im Ausdruck--Thayer: 383).



Fritz Demner


Lassen Sie uns nun auf  Sebastian Mayer, Mozarts bereits erwähnten Schwager eingehen.  Er war auch eher ein guter Schauspsieler als ein großartiger Sänger und sollte die die Rolle des Pizarro übernehmen.  Thayer berichtet sogar, daß Beethoven es sich zur Aufgabe machte, diesen sehr selbstbewußten Sänger von seinem allzugroßen Selbstvertrauen zu kurieren, indem er  die folgende Passage in das Air des Schurken einbaute:



Lassen Sie uns hierzu Thayer zitieren zu genauen Wiedergabe:

". . . the voice moves over a series of scales, played by all the strings, so that the singer at each note which he has to utter, hears an appoggiatura of a minor second from the orchestra. The Pizarro of 1805 was unable with all his gesticulation and writhing to avoid the difficulty, the more since the mischievous players in the orchestra below maliciously emphasized the minor second by accentuation. Don Pizarro, snorting with rage, was thus at the mercy of the bows of the fiddlers. This aroused laughter. The singer, whose conceit was thus wounded, thereupon flew into a rage and hurled at the composer among other remarks the words: 'My brother-in-law would never have written such damned nonsense" (Dieses Zitat geht darauf ein, daß die Stimme Pizarros sich über eine Reihe von Skalen hin bewegt, sodaß der Sänger jede Note, die er singen muß, als einen Vorschlag von kurzer Sekundendauer aus dem Orchester hört.  Dem Pizarro von 1805 gelang es trotz heftigen Gestikulierens und Sich-Windens nicht, diese Schwierigkeit zu umgehen, insbesondere auch dadurch, daß die spöttischen Geiger diese Sekunde auch noch besonders betonten.  Der vor Zorn schnaubende Don Pizarro war also der Gnade oder Ungnade der Geiger ausgeliefert, was Gelächter hervorrief.  Dadurch wurde Mayers Stolz verletzt, und er brach in verzweifelten Zorn aus und soll zu Beethoven unter anderem gesagt haben:  "Mein Schwager hätte einen solchen verdammten Unsinn niemals geschrieben"--Thayer: 384).

Es liegen uns auch noch Einzelheiten vor in bezug auf die Qualität der Sänger des Don Fernando, Weinkopf, der eine sehr reine und sogar sehr ausdrucksvolle Stimme gehabt haben soll, dessen Rolle jedoch nicht umfangreich genug war, um sich entscheidend auf den Gesamteindruck der Vorstellung auszuwirken, und ferner auch in bezug auf die Rolle des Jaquino, die mit Cache besetzt wurde, der auch ein guter Schauspieler war, aber auch ein Sänger, dem seine Rolle vor jeder Probe "ins Ohr gegeigt"werden mußte, damit er sie nicht vergaß, und hier vielleicht wirklich zu 'nicht' guter Letzt in bezug auf Rocco, der mit Rothe so schwach besetzt wurde, daß dieser Sänger  weder als Darsteller noch als Sänger der Rolle im Entferntesten gerecht werden konnte, und er später sogar nirgends in den Aufzeichnungen zur Wiener Thatergeschichte erwähnt wurde.

In bezug auf  die eigentlichen Proben  zitiert Thayer  Ignaz von Seyfried, den Orchesterleiter des Theaters-an-der Wien von 1798 bis 1828  wie folgt:   "I directed the study of the parts with all the singers according to his suggestions, also all the orchestral rehearsals, and personally conducted the performance" (Seyfried  erwähnt, daß er die Proben der Sänger nach Beethovens Angaben leitete, auch alle Orchesterproben und daß er die Aufführung dirigierte--Thayer: 384).  Mit welch unterschiedlichen Talenten er arbeiten mußte, können wir vielleicht aus der obigen Einführung der Sänger verstehen.



Ignaz von Seyfried


Inmitten unseres Ernstes, mit dem wir hier die Entstehungsgeschichte dieser Oper verfolgen wollen, freut sich diese aus der bayerischen Landeshauptstadt stammende Verfasserin doch über ihren bayerischen Sinn für Humor, der es ihr erlaubt, Beispiele von Beethovens Temperamentsausbrüchen als zu seinem Charakter gehörig und als einen Teil seiner ganzen, komplexen Persönlichkeit zu akzeptieren, ohne sich darüber zu sehr aufregen zu müssen.   Ein weiteres Paradebeispiel lieferte Beethoven im Zusammenhang mit diesen Proben, von denen der Rheinländer Willibrord Mähler, der Beethoven zweimal, einmal um diese Zeit, und einmal 1815 malte, berichtet, daß bei einer sehr wichtigen Probe der dritte Fagottspieler fehlte und daß Beethoven darüber sehr verärgert war.  Vielleicht um die Situation zu beruhigen wandte Fürst Lobkowitz dagegen ein, daß ja zwei Fagottspieler anwesend seien und daß die Abwesenheit des dritten wohl keinen so großen Unterschied mache.  Beethovens Zorn entlud sich dann auf seiner Heimfahrt auf diese Weise, daß er vor dem Lobkowitz-Palais halt machte und in das Eingangstor hineinschie: "Lobkowitz'scher Esel!" 

In bezug auf die erste Leonore- Ouverture berichtet Forbes' Thayer-Ausgabe, daß, im Gegensatz zu Thayer selbst und Nottebohm, die dieses Werk als zu 1807 gehörend erachteten, Schindler berichtete, daß es 1805 entstanden sei und daß spätere Nachforschungen Levinsohns und Braunsteins dies bestätigt hätten.   Schindlers Bericht geht auch darauf ein, daß Beethoven mit diesem ersten Versuch selbst nicht sehr zufrieden war und er das Stück deshalb von einem kleinen Orchester bei Fürst Lichnowsky spielen ließ und daß die dort versammelten Musikkenner es als für den Charakter der Oper als zu leicht erachteten.  Daher wurde diese Ouverture beiseitegelegt und  "never made its appearance again in Beethoven's lifetime" (--tauchte zu Lebzeiten Beethovens nicht mehr auf--Thayer: 385).  Es wurde erst in den 40er Jahren des 19.Jahrhunderts gedruckt und erhielt die letzte Opusnummer, Op. 138.  (Hierzu  werden wir noch einige genauere Nachforschungen anstellen, um diesen Punkt vielleicht klären zu können.)

Ursprünglich war die Uraufführung von  Leonore für den 15. Oktober 1805 geplant. In bezug auf die Hindernisse, die sich dem in den Weg stellten, sollten wir vielleicht Sonnleithners Brief an den Theaterzensoren zitieren, den er am 2. Oktober 1805 schrieb:

"Court Secretary Josef Sonnleithner begs that the ban of this September 30th on the opera Fidelio be lifted since this opera from the French original of Boully [sic] (entitled Leonore, ou l'amour conjugal) has been most especially revised because the Empress had found the original very beautiful and affirmed that no opera subject had ever given her so much pleasure; secondly: this opera which was revised by Kapellmeister Paer in Italian has been given already in Prague and Dresden; thirdly: Beeethoven has spent over a year and a half with the composition, also since the ban was completely unanticipated, rehearsals have already been held and other arrangements have been made in order to give this opera on the name-day of the Empress [October 15]; fourthly: the plot takes place in the 16th century, thus there could be no underlying relationship; finally in the fifth place: there exists such a big lack of opera libretti, this one presents the quietest description of womanly virtue and the evil minded governor is executing only a private revenge like Pedrarias in Balboa" (Sonnleithner bat darin den Znsor, das Aufführungsverbot vom 30. September aufzuheben, da selbst die Kaiserin den Originaltext von Bouilly als sehr schön empfunden hatte und daß sie noch von keinem Thema so angenehm berührt worden sei, daß diese Oper ja auch von Paer schon in einer italienischen Version vorliege, daß Beethoven an seiner Version bereits eineinhalb Jahre gearbeitet habe, daß die Handlung ja im 16.Jahrhundert angesiedelt sei und sich deshalb nicht auf die Gegenwart bezöge und letztendlich, daß der Gouverneur ja nur persönliche Rache ausübe wie 'Pedrarias in Balboa'--Thayer: 385-386).

Während das Verbot am 5. Oktober aufgehoben wurde, und während einige der stärksten Szenen noch abgeschwächt wurden, stellten sich der pünktlichen Uraufführung noch andere Hindernisse in den Weg, die Beethoven in seinem Schreiben an Sebastian Mayer wie folgt beschreibt:

"Dear Mayer! The third act quartet is now all right; what has been written out with red pencil must be written over in ink by the copyist right away, otherwise it will fade away!--This afternoon I shall send for the 1st and 2nd act again because I want to look through them also myself.--I cannot come, because since yesterday I have had diarrhoea-- my usual sickness. Don't worry about the overture and the rest; if necessary everything could be ready even by tomorrow. In the present fatal crisis I have so many other things to do that I must put off everything which is not completely necessary.

Your Friend Beethoven" (Er bestätigt Mayer, daß das Quartett im 3. Akt nun in Ordnung sei, daß aber alles, was mit rotem Bleistift geschrieben sei, nun vom Kopisten sofort in Tinte geschrieben werden mußte, damit es sich nicht verflüchtigte.  Er kündigte Mayer an, daß er nochmals nach dem 1. und 2. Akt senden werde, da er diese nocheinmal durchsehen wollte, aber auch wieder einmal durch sein Dauerleiden, seinen schlechten Darm, verhindert sei und daß er in dieser gegenwärtigen Krise alles verschieben müsse, was nicht unbedingt notwendig sei.--Thayer: 386).

Beethoven sprach hier wohl von der 2. Leonoren-Ouverture, da ja die erste für untauglich erachtet wurde.


Während die Uraufführung am 15. Oktober schon durch diese Schwierigkeiten in Gefahr war, änderten sich die Lebensumstände der Wiener durch den drohenden Einmarsch der Franzosen sehr drastisch.  Ulm fiel am 20.Oktober, und Bernadotte zog am 30. Oktober in Salzburg ein.  Die franzsösischen Truppen marschierten entlang der Donau auf Wien zu, das sich nicht in der Lage sah, sich zu verteidigen.  Jedermann, der es sich leisten konnte, verließ die Stadt, vornehmlich der Adel, die Bankiers und Kaufleute, also jene Gesellschaftsschichten, denen Beethovens Mäzene angehörten und somit den Grundstock einer ihm und seiner Oper freundlich gesinnten Zuhörerschaft bildeten.  Die Kaiserin, die angeblich am Sujet der Oper Gefallen gefunden hatte, verließ Wien am 9. November, und wohl keinen Tag zu spät, da die Franzosen die Dörfer um Wien schon am nächsten Tag erreichten.  Sie marschierten in Wien unter dem Kommando von Murat und Lannes am 13. November ein.



Napoleon und sein Heer besetzt Wien
Stich von Le Beau, nach Naudet


Das Heer der Franzosen zählte 15.000 Mann.  Napoleon schlug sein Quartier im Schloß Schönbrunn auf und verkündete seine Proklamation von dort am 15. November.  Es wird berichtet, daß sich Murat im Palais des Erzherzogs Albert und General Hulin im Lobkowitz-Palais einquartierten.  So sah diese französische Besatzungszeit die Uraufführung der Oper Leonore/Fidelio am 20., 21 und 22. November 1805.  Während Beethoven den Titel Leonore beibehalten wollte, kündigte die Theaterleitung das Werk sehr zu seinem Leidwesen unter dem Titel Fidelio an.  In bezug auf die Uraufführung berichtet ein Korrespondent von Kotzebues Der Freimüthige in folgender Weise darüber in einem allgemeinen Bericht zur Lage Wiens, und zwar am 26.Dezember 1805:  

"Also in the beginning the theatres were completely empty; gradually the French began to go to them, and they still form the majority of the audience. 'Recently little new of significance has been given. A new Beethoven opera 'Fidelio or Die eheliche Liebe' has not pleased. It was performed only a few times and after the first performance [the theatre] remained completely empty. Also the music was really way below the expectations of amateur and professional alike. The melodies as well as the general character, much of which is affected, lack that happy, clear, magical impression of emotion which grips us so irresistibly in the works of Mozart and Cherubini. The music has some beautiful passages, but it is very far from being a perfect, yes, even successful work. The text, translated by Sonnleithner concerns a story of rescue which has become in fashion ever since Cherubini's 'Deux Journees'" (Der Bericht erwähnt, daß zu anfang der Besatzungszeit sämtliche Theater leerstanden, daß aber dann nach und nach die Franzosen die Theater zu besuchen begannen.  Es sei während dieser Zeit nichts Bemerkenswertes zur Aufführung gelangt.   Eine neue Beethoven-Oper mit  dem Titel 'Fidelio oder die eheliche Liebe' habe nicht gefallen und sei nur einige Male aufgeführt worden  und sehr schlecht besucht gewesen.  Auch sei die Musik weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben  und die Melodien, aber  auch der allgemeine Charakter dieser stellenweise affektierten Oper mangelten an jener glücklichen, klaren und zauberhaften Ausdruckskraft, die  bei den Werken Mozarts und Cherubinis so mitreißend sei.  Zwar weise  die Musik einige schöne Passagen auf, sei aber von Perfektion sehr weit entfernt und dem  Werk kein Erfolg beschieden.  Der von Sonnleithner übersetzte Text behandele  eine Rettungsgeschichte, wie sie seit Cherubinis 'Deux Journees' in Mode gekommen seien--Thayer: 387).

Am 8.  Januar 1806 fällte die  Allgemeine Mus. Zeitung folgendes Urteil:

" . . . Up to now Beethoven has sacrificed beauty so many times for the new and strange; thus this characteristic of newness and a certain originality in creative idea was expected from this first theatrical production of his--and it is exactly these qualities that are the least in evidence. Judged dispassionately and with an open mind, the whole is distinguishable neither by invention nor execution. The overture . . . cannot be compared with his overture to the ballet Prometheus. As a rule there are no new ideas in the vocal pieces, they are mostly too long, the text repeats itself endlessly, and finally the characterization fails remarkably--as for example the duet in G from the third act after the scene of recognition. For the continuously running accompaniment in the highest register of the violins more nearly expresses mere wild jubilation rather than the quiet feeling of deep sorrow for the circumstances in which they have been reunited. Much better is a four-part canon from the first act and an effective soprano aria in F major [E major?] in which three horns obbligato and a bassoon form a beautiful, if at times somewhat overloaded, accompaniment. The choruses are ineffectual and one, which indicates the joy of prisoners over the sensation of fresh air, miscarries completely . . . " (Diese Kritik vertritt die Meinung, daß Beethoven bisher oft in seinen Kompositionen die Schönheit der Neuheit und dem ungewöhnlichen Eindruck geopfert hatte, sodaß von ihm einige Originalität  im Ausdruck seiner Ideen erwartet wurde in bezug auf diese erste Oper--und es seien gerade diese Qualitäten, die sich am wenigsten darin findenließen.  Leidenschaftslos und neutral beurteilt, distinguiere sich dieses Werk weder durch Neuheiten noch durch seine Durchführung.  Die Ouverture könne nicht mit der Prometheus-Ouverture verglichen werden, und eigentlich seien in den Gesangsstücken keine neuen Ideen zum Ausdruck gelangt, diese seien auch zu lang, der Text wiederhole sich endlos, und die Charakterisierung sei sehr mangelhaft--wie zum Beispiel im Duett in G-Dur des dritten Aktes nach der Erkennungsszene, da die Violinbegleitung eher Jubel ausdrücke als  ein stilles Gefühl der tiefen Sorge um die Umstände, in denen sie sich noch befänden.  Viel besser sei ein Kanonquartett im ersten Akt und eine  Sopranarie in F-Dur (E-Dur?) mit einer sehr schönen, wenn auch etwas überladenenen Begleitung durch die Hörner und das Fagott.  Die Chöre seien wirkunslos und besonders einer, der die Freude der Gefangenen über ihren Aufenthalt im freien Tageslicht ausdrücken soll, sei völlig verfehlt.--Thayer: 387).

Diese Kritik befaßt sich mit der Tatsache, daß in der früheren Version der Oper das Duett "O namenlose Freude" in eine dramatische Situation hineingesetzt ist, in die es nicht passt nach dem befreienden Trompetenstoß, da Rocco in dieser Version Leonore die Pistole mit einer solchen Heftigkeit entreiße, daß sie ohnmächtig zusammenbricht, und das folgende Rezitativ und die Arie befaßten sich noch mit der Unsicherheit der Situation und dem noch möglichen tödlichen Ausgang für das Paar, was erst aufgelöst wird durch das Erscheinen Don Fernandos.


Alle diese Berichte und Kommentare weisen darauf hin, daß diese ersten  Aufführungen vor einem Publikum, das hauptsächlich aus französischen Soldaten und wenigen Beethovenfreunden bestand, kein Erfolg waren.  Auch Stephan von Breunings freundschaftliche Geste seines einleitenden Gedichts, das er während der zweiten Vorstellung unter dem Publikum verteilen ließ, konnte nichts weiter als eine freundliche Geste bleiben. 

Wirkliche Hilfe war erst in Sicht durch eine Revisionsbesprechung im Hause Fürst Lichnowskys, über die der Sänger Joseph August Röckel, der Florestan der Revision von 1806, folgendes zu berichten hatte:

"It was in December, 1805--the opera house An-der-Wien and both the Court theatres of Vienna having been at that time under the intendance of Baron Braun, the Court Banker--when Mr.Meyer, brother-in-law to Mozart and Regisseur of the opera An-der- Wien, came to fetch me to an evening meeting in the palace of Prince Karl Lichnowsky, the great patron of Beethoven. Fidelio had already been performed a month previously An-der-Wien--unhappily just after the entrance of the French, when the city was shut against the suburbs. The whole theatre had been taken up by the French, and only a few friends of Beethoven had ventured to hear the opera. These friends were now at that soiree, to bring Beethoven about, to consent to the changes they wanted to introduce in the opera in order to remove the heaviness of the first act. The necessity of these improvements was already acknowledged and settled among themselves. Meyer had prepared me for the coming storm, when Beethoven should hear of leaving out three whole numbers of the first act.

At the soiree were present Prince Lichnowsky and the Princess, his lady, Beethoven and his brother Kaspar, [Stephan] von Breuning, [Heinrich] von Collin, the poet, the tragedian Lange (another brother-in-law to Mozart), Treitschke, Clement, leader of the orchestra, Meyer and myself; whether Kapellmeister von Seyfried was there I am not certain any more, though I should think so.

I had arrived in Vienna only a short time before, and met Beethoven there for the first time.

As the whole opera was to be gone through, we went directly to work. Princess L. played on the grand piano the great score of the opera and Clement, sitting in a corner of the room, accompanied with his violin the whole opera by heart, playing all the solos of the different instruments. The extraordinary memory of Clement having been universally known, nobody was astonished by it, except myself. Meyer and I made ourselves useful, by singing as well as we could, he (basso) the lower, I the higher parts of the opera. Though the friends of Beethoven were fully prepared for the impending battle, they had never seen him in that excitement before, and without the prayers and entreaties of the very delicate and invalid princess, who was a second mother to Beethoven and acknowledged by himself as such, his united friends were not likely to have succeeded in this, even to themselves, very doubtful enterprise. But when after their united endeavors from seven till after one o'clock, the sacrifice of the three numbers was accomplished, and when we, exhausted, hungry and thirsty, went to restore ourselves by a splendid supper--then, none was happier and gayer than Beethoven. Had I seen him before in his fury, I saw him now in his frolics. When he saw me, opposite to him, so intently occupied with a French dish, and asked me, what I was eating, and I answered: 'I don't know!' with his lion-voice he roared out: 'He eats like a wolf--without knowing what! Ha, ha, ha!'" (Röckel berichtet hier, daß dieser Abend, der um sieben Uhr begann und bis ein Uhr morgens andauerte, im Dezember 1805 im Hause Fürst Lichnowskys stattfand, im Beisein von Fürst und Fürstin Lichnowsky, Stephan von Breuning, Beethoven und seinem Bruder Karl, dem Dichter Heinrich von Collin, dem Schauspieler Lange (des Gatten von Aloysia Weber, auch einem Schwager Mozarts), Treitschke, Clement, Sebastian Mayer und Röckel, und sehr wahrscheinlich auch Ignaz von Seyfried.  Der Zweck dieser Zusammenkunft war, Beethoven von der Notwendigkeit einer dramatischen Kürzung und Straffung der Oper zu überzeugen.  Röckel sei Beethoven an diesem Abend zum erstenmal begegnet.  Fürstin Lichnowsky begleitete am Klavier, Clement mit der Violine, und Röckel und Mayer sangen die Tenor- und Baßstimmen.   Obwohl Jedermann auf Beethovens Unwillen gefaßt war, habe man ihn noch nie so aufgeregt erlebt.  Es bedurfte des sanftesten Zuspruchs durch Fürstin Christiane Lichnowsky, die Beethoven als Ersatzmutter anerkannte, um ihn endlich umzustimmen.  Jedoch sei beim anschließenden nachmitternächtlichen Mahl der Verhungerten niemand so heiter und ausgelassen gewesen wie er.  So habe er Röckel amüsiert beim Essen zugeschaut und ihn gefragt, was er denn esse.  Da Röckel die französische Speise nicht kannte, antwortete er, "ich weiß es nicht."  Darauf brach Beethoven mit seiner Löwenstimme in schallendes Gelächter aus mit den Worten, "Er ißt wie ein Wolf und weiß nicht, was, ha, ha, ha!"--Thayer: 389).

Die gestrichenen Nummern waren:

* Eine große Arie Pizarros mit dem Chor;
* Ein komisches Duett zwischen Leonore/Fidelio und Marzelline, mit Violin-und    Cello-Solobegleitung;
* Ein komisches Terzett zwischen Marzelline, Jaquino und Rocco.

Hier ist natürlich von den Nummern die Rede, auf deren Streichung man sich an diesem Abend geeinigt hatte und nicht von jenen, die dann in der Überarbeitung von 1806 tatsächlich gestrichen wurden.

Was diese bevorstehende Überarbeitung anbelangt, sollten wir uns nun dem Jahr 1806 zuwenden.

Das Jahr 1806

Stephan von Breunings zwar teilweise sachlich nicht korrekter Brief vom 2. Juni 1806 an seine Schwester Eleonore und ihren Gatten,  Franz Gerhard Wegeler, vermittelt immer noch einen ziemlich guten Eindruck in bezug auf die Revision und die Wiederaufführung von Fidelio in diesem Jahr:

" . . . Nothing, perhaps, has caused Beethoven so much vexation as this work, the value of which will be appreciated only in the future. . . . Beethoven, who had observed a few imperfections in the treatment of the text in the opera, withdrew it after three representations. After order had been restored he and I took it up again. I remodelled the whole book for him, quickening and enlivening the action; he curtailed many pieces, and then it was performed three times again with great success. Now, however, his enemies in the theatre arose, and as he had offended several persons, especially at the second representation, they succeeded in preventing further performances. Before this, many obstacles had been placed in his way; to let one instance stand as proof for the others, he could not even get permission to secure an announcement of the opera under the changed title Fidelio, as it is called in the French original, and as it was put into print after the changes were made. Contrary to promise the first title Leonore appeared on the poster. This is all the more unpleasant for Beethoven since the cessation of the performances on which he was depending for his honorarium, which consists in a percentage of the receipts, has embarrassed him in a financial way. He will recover from the set- back all the more slowly since the treatment which he has received has robbed him of a great deal of his pleasure in and love for work. . . ." (Breuning geht hier darauf ein, daß Beethoven die Oper zurückgezogen hätte nach den ersten drei Aufführungen im Jahre 1805, da er in der Behandlung des Texts einige Mängel bemerkte, und daß, nachdem sich die politische Situation wieder beruhigt hatte, er mit ihm an der Umarbeitung und Straffung des Textes arbeitete.  Breuning gibt an, daß er das ganze Buch für Beethoven ummodelte, indem er den Text straffte und dadurch lebendiger machte.  Beethoven habe auch viele Nummern gestrichen, und danach sei es dreimal mit großem Erfolg aufgeführt worden.   Nun seien aber seine Feinde im Theater auf den Plan getreten und hätten, nachdem Beethoven mehrere von ihnen besonders während der zweiten Aufführung beleidigte, eine weitere Aufführung zu verhindern gewußt.  Zuvor seien ihm auch viele Hindernisse inden Weg gelegt worden, und hierzu nannte er als Beispiel das Vorgehen desTheaters in bezug auf den Titel, unter dem es angekündigt wurde, und zwar, entgegen Beethovens Wunch, als Leonore anstatt als Fidelio.  Beethoven habe durch ausbleibende weitere Aufführungen finanzielle Verluste erlitten und sei dadurch auch in Schwierigkeiten geraten, und er werde sich von diesem Mißerfolg umso langsamer erholen, als dieser ihm die Freude an seiner Arbeit verdorben hätte.--Thayer: 394).

Der aufmerksame Leser unserer chronologischen Zusammenstellung wird feststellen, daß entweder Breuning oder sein Sekretär beim Abfassen des Schreibens die Operntitel verwechselt haben.  In bezug auf diese und andere Ungenauigkeiten werden wir hier noch Gelegenheit haben, diese zu diskutieren.

Was aus von Breunings Darstellung auch hervorgeht ist, daß er und nicht Sonnleithner die Revision vorgenommen hatte.  Beethoven verheimlichte diese Tatsache vor Sonnleithner, als er ihm gegen Ende der Revision diesen Brief sandte:

"Dear best Sonnleithner!

I hope you will not refuse me when I beg you very sincerely to give me a small statement in writing that I may again have the libretto printed with your name [!} with its present alterations-- When I made the changes, you were thoroughly occupied with your Faniska, and so I made them myself. You would not have had the patience to undertake these changes and it would have made for further delays in the performance of our opera.--Therefore I quietly dared to hope for your consent. The three acts have been made into only two. In order to effect this and give the opera a livelier course, I have shortened everything as much as possible, the chorus of prisoners and music of that sort particularly.-- All this made it necessary to revise only the first act, and therein lies the change in the libretto--

I will carry the cost of printing, and beg you once again for a granting of my request--

respectfully yours                                                            Beethoven.

P.S. The time is so short, otherwise I would have sent you the libretto to convince you--

P.P.S. Send me, best S. this statement right away by my servant, because I must show it to the censor" (Hierin bat Beethoven Sonnleithner zunächst um eine Bestätigung, daß er das Libretto wiederum mit Sonnleithners Namen als Autor drucken dürfe, und daß Sonnleithner, als er selbst an den Revisionen des Librettos arbeitete, Sonnleithner mit seiner Faniska beschäftigt gewesen sei, sodaß er sich selbst daranmachte.  Auch hätte Sonnleithner nicht die Geduld für die Änderungen aufgebracht, und dies hätte jene wiederum verzögert.  Daher habe er, Beethoven, stillschweigend gehofft, daß Sonnleithner damit einverstanden sein werde, falls er selbst diese Veränderungen vornehme.  Aus drei Akten hätte er zwei gemacht, und um zu diesem Zweck alles lebhafter zu gestalten, habe er den Text soweit wie möglich gekürzt, sodaß hauptsächlich der erste Akt revidiert worden sei, was denn auch die Änderungen des Librettos ausmachten.  Er selbst wolle für die Druckkosten aufkommen und bitte nochmals um die Gewährung der oben erwähnten Einwilligung, und daß er ihm das Libretto nicht senden könne, da die Zeit dränge, und daß er ihn daher auch um umgehenden Bescheid bitte, da er das Libretto noch der Zensur vorlegen müsse.--Thayer: 394).

Beethoven soll die Leonoren-Ouverture Nr. 2 deswegen überarbeitet haben, weil er eine schwierige Passage im Allegro umändern wollte, die für die Bläser sehr schwierig war.  Er schrieb nicht nur diese Passage neu, sondern auch viele andere Teile, sodaß daraus die Leonoren-Ouverture Nr. 3, Op. 72b, wurde. Thayer fügt dem an, daß er mit dieser neuen Version auch zeigen wollte, wer immer noch der beste Instrumentalkomponist war.   In bezug auf diese Revision und auch auf andere kompositorische Revisionen ließ er sich wieder einmal gemächlich Zeit, sodaß  Baron Braun ihn vor ein Ultimatum stellte:  entweder sei das Werk fertig, daß es am 29. März aufgeführt werden könne, oder die Oper werde überhaupt nicht mehr aufgeführt.  Dies half Beethoven, sich etwas zu beeilen. 

In bezug auf den Titel der Oper, unter dem diese nun angekündigt werden sollte, waren Beethoven und Breuning der Meinung, daß man sich auf Leonore geeinigt hatte, und daher wurde auch das Textbuch so gedruckt.



Leonore oder der Triumph der  ehelichen Liebe
Libretto von J. Sonnleithner,
Revision von Stephan von Breuning
Titelseite der zweiten Ausgabe, 1806


Die Theaterleitung entschied sich jedoch anders und das vielleicht hauptsächlich aufgrund der Tatsache, daß die erste Version unter dem Titel Fidelio aufgeführt worden war, und vielleicht auch aufgrund der Tatsache, daß diese Version sich sehr an das Original von 1805 hielt, aber vielleicht auch deswegen, weil Paer's Oper unter dem Titel Leonore bekannt war. Wie schon für die ersten Aufführungen, schrieb von Breuning auch zu diesen Aufführungen ein einleitendes Gedicht.

Die Allgemeine Musikalische Zeitung hat über die 'Revisionsaufführungen' folgendes zu berichten:

"Beethoven has again produced his opera Fidelio on stage with many alterations and abbreviations. An entire act has been omitted, but the piece has benefitted and pleased better." (Beethoven habe seine Oper Fidelio wieder aufgeführt, mit vielen Veränderungen und Verkürzungen. Ein ganzer Akt sei weggefallen, aber das Stück habe davon profitiert und habe besser gefallen.--Thayer: 394).

Das Werk wurde am 10. April 1806 wiederholt, im Gegensatz zu von Breunings Bericht, daß es dreimal zur Aufführung gelangt sei. In bezug auf die Umstände, aufgrund deren eine dritte Aufführung unterblieb, sollten wir uns vielleicht zwei Briefe Beethovens an Sebastian Mayer ansehen:

"Dear Mayer:

Baron Braun tells me that my opera is supposed to be performed on Thursday; I shall ask you please to see to it that the choruses get more rehearsals, for last time they were full of blunders. Also, we must have another rehearsal on Thursday in the theatre with the whole orchestra-- The orchestra for sure was not at fault, but-- on the stage several were; but that was too much to ask since the time was too short. But I had to bring it off then for B. Braun had threatened me with the fact that if the opera were not given on Saturday it would not be given any more. I am counting on your loyalty and friendship, which you have shown me in the past, to take care of this opera now; after this the opera will no longer need such rehearsals and you can perform it when you want to. Here are two libretti, I ask you to give one to Röckel. Farewell, dear Mayer, and give my affair your attention.

Your friend Beethoven" (Hierin bittet Beethoven Mayer darum, sich darum zu kümmern, daß die Chöre mehr geprobt werden, da das letztemal bei ihnen gepatzt worden sei. Auch bestand er auf einer weiteren vollen Orchesterprobe am Donnerstag im Theater. Er räumt ein, daß das Orchester beim letztenmal in Ordnung war, daß dies aber für einige auf der Bühne nicht zutraf, daß aber auch die Zeit zu knapp gewesen sei. Er hätte das Werk aber am Samstag aufführen müssen aufgrund von Baron Brauns Ultimatum. Er verlasse sich wiederum auf Mayers Freundschaft und Loyalität und bitte ihn, sich um die Oper zu kümmern. Danach brauche diese Oper wohl nicht mehr soviel extra Aufmerksamkeit und könne dann so oft aufgeführt werden, wie das Theater es will. Er schickte Mayer auch noch zwei Libretti und bat ihn, davon eines an Röckel weiterzuleiten.--Thayer:395-396).

Im zweiten Brief drückt sich Beethovens Unzufriedenheit schon stärker aus:

"Dear Mayer!

Please ask Hr. v. Seyfried to conduct my opera today, I want to look at it and hear it from a distance. Thus at least my patience will not be so greatly tried as if I were to hear my music bungled close at hand!-- I cannot help thinking that it has been done on purpose. I will say nothing about the wind-instruments, but--that app pp, crescendos, all decres and all fortes, ff, have been scratched out of my opera! At any rate they are not at all played. All delight in composing departs when one hears one's music played thus! Tomorrow or the day after I will fetch you for dinner. Today I am unwell again.

Your friend Beethoven.

P.S.--If the opera is to be given the day after tomorrow there must be a rehearsal again tomorrow in the room--otherwise it will get worse and worse each day!" (Thayer: 396).

"Lieber Mayer!

Ich bitte Dich, den Hrn. v. Seyfried zu ersuchen, daß er heute meine Oper dirigiert, ich will sie heute selbst in der Ferne ansehn und anhören; wenigstens wird dadurch meine Geduld nicht so auf die Probe gesetzt, als so nahebei meine Musik verhunzen zu hören! Ich kann nicht anders glauben, als daß es mir zu Fleiß geschieht. Von den blasenden Instrumenten will ich nichts sagen, aber -- --- daß alle pp. crescendo, alle decresc. und alle forte ff. aus meiner Oper ausgestrichen; sie werden doch alle nicht gemacht. Es vergeht alle Lust, weiter etwas zu schreiben, wenn ich's so hören soll! Morgen oder übermorgen hole ich Dich ab zum Essen. Ich bin heute wieder übel auf.

Dein Freund

Beethoven.

P.S.: Wenn die Oper übermorgen sollte gemacht werden, so muß m o r g e n wieder--Probe im Zimmer sein,--sonst geht es alle Tage schlechter!" (Schmidt: 42).

(In  bezug auf Briefe Beethovens and Sebastian Mayer aus diesen Tagen ist zu berichten, daß Sothebys in London am 10. Dezember 1999 einen weiteren Originalbrief [Nr. 244 der Gesammtelten Briefe] zur Versteigerung bringt.  In diesem Brief, der vor dem 29. März 1806 geschrieben worden sein muß, geht Beethoven kurz darauf ein, daß er Mayer den ersten Akt sofort und den zweiten Akt der Oper umgehend zukommen lassen werde.)

Lassen Sie uns nun versuchen zu erkunden, ob wir uns etwas Klarheit darüber verschaffen können, warum es bei diesen zwei Vorstellungen blieb im Frühjahr 1806. In seinem Verzeichnis aller Vorstellungen des Theaters-an-der-Wien, das Seyfried während seiner dortigen Amstzeit führte, notierte er für den auch von Beethoven angeführten kommenden Samstag, den 12. April 1806, Paer's Sarginga als das Stück, das aufgeführt wurde, und für den 13. und 14. April Agnes Bernauer. Dies liefert uns schon einmal eine ziemlich verläßliche Angabe, daß Fidelio tatsächlich nicht mehr zur Aufführung gelangte.

Hinsichtlich der Gründe, warum es dazu nicht mehr kam, verweist Thayer auf den Sänger Röckel (3), der den Florestan im Frühjahr 1806 sang, als eine verläßliche Informationsquelle, und zwar mit der Begründung, daß dieser ein "Insider" des Theaterlebens am Theater-an-der Wien war, der oft mit Beethoven zusammentraf, und zwar nicht nur im Theater, sondern als Junggeselle auch im Privatleben, im Gegensatz zu von Breuning, der in seiner offiziellen Position als Sekretär des Kriegsministeriums überraschenderweise Zeit fand, Beethoven bei der Überarbeitung des Librettos zu helfen, aber eigentlich weniger Gelegenheit hatte, mit ihm sowohl im Theater als auch im Privatleben, zusammenzutreffen, also in dieser Hinsicht mehr ein "Outsider" war. Röckels Ansichten zu diesem Thema werden hier bald vorgestellt werden.

Thayer fährt damit fort, daß von Breunings Schilderung der Situation sich hauptsächlich auf Beethovens Angaben verließ und stellt dann die Frage, wer wohl jene Feinde am Theater gewesen sein mochten, die von Breuning erwähnt und kann diese nicht finden, da alle in Frage kommenden Personen, angefangen mit Baron Braun, Schikaneder, Seyfried, Sebastian Mayer, Konzertmeister Clement, bis zu den Solisten, Mlle. Milder, Weinkopf und Röckel, da diese gewiss nicht als Feinde Beethovens, und wenn schon nicht als engste Freunde, so doch als Beethoven wohlgesonnen eingestuft werden können. Während Thayer zugibt, daß das Orchester und die Chöre vielleicht nicht allzu begeistert waren über Beethoven als Dirigent, wird auch festgestellt, daß dies eigentlich keine Rolle mehr spielte, da der Dirigentenstab ja ohnehin traditionsgemäß und notwendigerweise an Seyfried abgetreten war. Es wird auch darauf hingewiesen, daß Baron Braun aller Wahrscheinlichkeit nach die Oper solange aufgeführt hätte, wie sie noch Zuschauer anlockte, und daß sie auf dem besten Weg dazu war, sich durchzusetzen.

Ferner wird darauf hingewiesen, daß Beethoven in seinem zweiten Brief an Mayer die Musiker und Sänger sehr ungerecht beurteilte, und dies wird mit der Ansicht begründet, daß diese Künstler bereits an die erste Version des Fidelio gewöhnt waren aufgrund der Proben im Herbst 1805 und daß es daher nicht leicht war, sich an die veränderte Version zu gewöhnen und jene einzuüben und die erste Version zu "vergessen".

Aufgrund dieser Argumente wird Röckels Schilderung als eine wahrscheinlichere Version der Ereignisse angeboten:

"When the opera was produced in the beginning of the following year, it was exceedingly well received by a select public, which became more numerous and enthusiastic with each new representation; and no doubt the opera would have become a favorite if the evil genius of the composer had not prevented it, and as he, Beethoven, was paid for his work by a percentage, instead of a mere honorarium, an advantage which none enjoyed before him, it would have considerably advanced his pecuniary arrangements. Having had no theatrical experience, he was estimating the receipts of the house much higher than they really were; he believed himself cheated in his percentage, and without consulting his real friends on such a delicate point, he hastened to Baron Braun--that high-minded and honorable nobleman--and submitted his complaint. The Baron, seeing Beethoven excited and conscious of his one susceptibility (i.e., suspicious temper), did what he could to cure him of his suspicions against his employees, of whose honesty he was sure. Were there any fraud, the Baron said, his own loss would be beyong comparison more considerable than Beethoven's. He hoped that the receipts would increase with each representation; until now, only the first ranks, stalls and pit were occupied; by and by the upper ranks would likewise contribute their shares.

'I don't write for the galleries!' exclaimed Beethoven.

'No?' replied the Baron, 'My dear Sir, even Mozart did not disdain to write for the galleries.'

Now it was at an end. 'I will not give the opera any more,' said Beethoven, 'I want my score back.' Here Baron Braun rang the bell, gave orders for the delivery of the score to the composer, and the opera was buried for a long time. From this encounter between Beethoven and Baron Braun one might conclude that the former's feelings had been injured by the comparison with Mozart; but since he revered Mozart highly, it is probable that he took offence more at the manner in which they were uttered than at the words themselves.--He now realized plainly that he had acted against his own interests, and in all probability the parties would have come to an amicable understanding through the mediation of friends if Baron Braun had not very soon after retired from the management of the united theatres, a circumstance that led to a radical change of conditions" (Röckels Schilderung geht darauf ein, daß die neue Version der Oper von 1806 beim Publikum sehr gut ankam und daß sich die Zuschauerzahl bei der zweiten Aufführung stark vermehrt hatte und daß sie zweifelsohne ein Publikumsliebling geworden wäre, hätte nicht der üble Genius des Komponisten dies verhindert. Da Beethoven am Ertrag prozentual beteiligt war, ein Privileg, das vor ihm noch niemandem zugestanden wurde, schätzte er die Einnahmen aus Mangel an Erfahrung zu hoch ein und war dann enttäuscht, als seine Erwartungen nicht erfüllt wurden. Dadurch, daß er sich aus seiner mißtrauischen Natur heraus betrogen fühlte, verlor er durch seine eigene Handlungsweise die Chance weiterer für ihn sicher immer lukrativer werdenden Einnahmen. Anstatt sich in bezug auf einen solch heiklen Punkt mit seinen engsten Freunden zu beraten, bevor er in Aktion trat, eilte er gleich zu Baron Braun, diesem, wie Röckel es in etwa ausdrückt, ehrbaren Adeligen, und beschwerte sich bei ihm. Der Baron, der Beethoven so aufgeregt sah und seinen Hang zum Mißtrauen kannte, versuchte alles zu tun, um ihm dieses in Ruhe und Vernunft auszureden und verteidigte seine Angestellten, von deren Ehrlichkeit er überzeugt war. Er führte als Argument auch an daß, falls hier wirklich ein Betrug vorläge, er selbst ja den größten finanziellen Verlust erleide. Bisher, so Baron Braun, seien erst die besseren Ränge und die Logen voll besetzt gewesen, wenn aber erst auch die Galerien voll besetzt seien, würden auch diese ihr Schärflein zum Gewinn beitragen.

'Ich schreibe nicht für die Galerien!', soll Beethoven ausgerufen haben.

'Nein?', soll Baron Braun geantwortet haben, 'Mein lieber Herr, sogar Mozart genierte sich nicht, für die Galerien zu schreiben.'

Damit war alles zu Ende. 'Ich will die Oper nicht mehr aufführen', soll Beethoven geantwortet haben, 'ich will meine Partitur zurckhaben!' Auf diese Bitte hin soll Baron Braun nach einem Boten geläutet haben, der Beethoven seine Partitur bringen sollte, und dadurch sei die Oper für lange Zeit begraben worden.

Von diesem Zusammenstoß könne man, so Röckel, wohl zu der Anschauung gelangen, daß Beethoven sich etwa durch Baron Brauns Hinweis auf Mozart beleidigt sah, da er aber Mozart sehr verehrte, mag es wohl eher die Art gewesen sein, in der Baron Braun dies äußerte als sein Hinweis auf Mozart.--Beethoven, so Röckel, sah nun wohl ein, daß er gegen seine eigenen Interessen gehandelt hatte, und sehr wahrscheinlich wären die Parteien bald durch die Vermittlung wohlgesonnener Dritter zu einer gütlichen Einigung gelangt, hätte nicht Baron Braun die Theaterleitung bald aufgegeben, wodurch sich die Situation natürlich grundlegend geändert hätte.--Thayer: 397-398).

Röckels Ansicht, daß sich die Partien bald gütlich geeinigt hätten, wird vielleicht durch die Beobachtung unterstützt, daß, während Beethoven wohl die Partiturteile der Gesangsrollen mitnahm, die volle Orchesterpartitur im Theater verblieb und er innerhalb weniger Wochen wieder in solch friedlicher Verfassung war, daß er Baron Braun um Erlaubnis bat, vom Theater " .  .  .  flauto primo, the three trombones and the four horn  parts of my opera.--I need them, but only for a day, in order to have a few trifles copied for myself, which could not be written into the score for want of room, also because Prince Lobkowitz is thinking of giving the opera at his house and asked me for it.--I am not completely well, otherwise I would have come myself to pay my respects--" (Beethoven erbat sich die Partituren der ersten Flöte, der drei Posaunen und vier Hörner, damit er sie sich selbst auskopieren konnte, und als Grund dazu führte er an, daß Fürst Lichnowsky die Oper vielleicht privat aufführen wollte.--Thayer: 398).  Ein weiterer Grund für Beethovens Bitte um diese Partiturteile erscheint im Ende des Schreibens von Stephan von Breuning an die Wegelers, nämlich, daß Fürst Lichnowsky die Partitur an die Königin von Preußen sandte, damit vielleicht die Berliner den Wienern durch eine dortige Aufführung zeigen konnten, was sie versäumten. Ob Fürst Lichnowsky die Oper privat aufführte, ist nicht festzustellen, während wir sehr genau wissen, daß Fidelio nicht in Berlin zur Aufführung gelangte zu dieser Zeit und auch nicht vor der Revision von 1814. (In bezug auf weitere mögliche Abänderungen für eine evenutellePrager Aufführung im Jahre 1807 sollten wir erst weitere Nachforschungen anstellen, bevor wir hier darauf eingehen.)  Somit sollten wir uns hier diesem Jahr zuwenden.



Beethoven um 1814


Das Jahr 1814

Diejenigen von Ihnen, die unsere Entstehungsgeschichte der 'Schlachtsymphonie' zu Wellingtons Sieg bei Victoria gelesen haben, werden sich vielleicht daran erinnern, daß eine der Folgen der Aufführung und Popularität dieses Werks für Beethoven im Jahre 1814 die Wiederbearbeitung- und Aufführung seiner Oper Fidelio war. Diesmal sollten die Textänderungen jedoch Georg Friedrich Treitschke (4) anvertraut werden. Hierzu sollten wir am besten gleich Treitschke selbst zu Wort kommen lassen, und zwar aus der Edition von Forbes Thayer, der dieses lange Zitat aus Orpheus, Musikalisches Taschenbuch für das Jahr 1841 (Wien), editiert von August Schmidt (S. 293ff) entnommen hatte:

"The Inspizienten of the R. I. Court Opera, Saal, Vogl and Weinmüller, were granted a performance for their benefit, the choice of a work being left to them, without cost" (Treitschke erwähnt, daß die Inspizienten der Kaiserlichen Oper, Saal, Vogl und Weinmüller, ein unkostenfreies Benefizkonzert zugestanden erhielten, und dazu durften sie sich auch selbst ein Werk ihrer Wahl dazu aussuchen.--Thayer: 571-572).

Da es sehr wahrscheinlich war, daß das Werk eines neuerlich so beliebten Komponisten wie Beethoven die meisten Zuschauer anlocken würde, fiel ihre Wahl auf Beethovens Fidelio, wozu sie sich mit Recht einen guten Gewinn erhoffen durften, da das Werk unkostenfrei produziert werden konnte. Treitschke fährt nun in seiner Erzählung so fort:

"Beethoven was approached for the loan of the opera and very unselfishly declared his willingness, but on the unequivocal condition that many changes be made. At the same time he proposed my humble self as the person to make these changes. I had enjoyed his more intimate friendship for some time, and my twofold position as stage-manager and opera-poet made his wish a pious duty. With Sonnleithner's permission I first took up the dialogue, wrote it almost wholly anew, succint and clear as possible--an essential thing in the case of Singspiele" (Beethoven wurde um das Ausleihen seiner Oper gebeten und erklärte sich dazu sehr uneigennützig bereit, jedoch mit der strikten Bedingung, daß viele Änderungen vorgenommen werden müßten. Zugleich schlug er Treitschke als Librettobearbeiter vor. Da Treitschke schon seit geraumer Zeit Beethovens Freundschaft genoß, erachtete er die Erfüllung von Beethovens Wunsch--besonders in seiner Doppelrolle als Bühnenleiter und Theaterdichter--als eine Ehrenpflicht. Mit Sonnleithners Erlaubnis arbeitete er dann am Dialog und schrieb ihn fast ganz neu, so knapp und klar wie möglich, was er als sehr wichtig für den Erfolg eines Singspiels erachtete.--Thayer: 572).

Treitschke fäht dann fort mit der Schilderung der Veränderungen, die er einbaute:

"The scene of the entire first act was laid in an open court; the positions of Nos. 1 and 2 were exchanged; later the guard entered to a newly composed march; Leonora's Air received a new introduction, and only the last movement, 'O du, für den ich alles trug,' was retained. The succeeding scene and duet-- according to Seyfried's description 'a charming duettino for soprano voices with concertante parts for violin and violoncello, C major, 9/8 time'-- which was on the old book, Beethoven tore out of the score; the former was unnecessary, the latter a concert piece. I was compelled to agree with him; the purpose in view was to save the opera as a whole. A little terzetto for Rocco, Marcelline and Jaquino which followed ('a most melodious terzetto in E-flat' as Seyfried says) fared no better. There had been a want of action and the music did not warm the hearers. A new dialogue was desired to give more occasion for the first finale. My friend was again right in demanding a different ending. I made many plans: at lenght we came to an agreement: to bring together the return of the prisoners at the command of Pizarro and their lamentation."

"The second a act offered a great difficulty at the very outset. Beethoven at first wanted to distinguish poor Florestan with an aria, but I offered the objection that it would not be possible to allow a man nearly dead of hunger to sing bravura. We composed one thing and another; at last, in his opinion, I hit the nail on the head. I wrote words which describe the last blazing up of life before its extinguishment:

'Und spür ich nicht linde, sanft säuselnde Luft,
Und ist nicht mein Grab mir erhellet?
Ich seh', wie ein Engel, im rosigen Duft,
Sich tröstend zur Seite mir stellet.
Ein Engel, Leonoren, der Gattin so gleich!
Der führt mich zur Freiheit,--ins himmlische Reich!"

"What I am now relating will live forever in my memory. Beethoven came to me about seven o'clock in the evening. After we had discussed other things, he asked how matters stood with the aria? It was just finished, I handed it to him. He read, ran up and down the room, muttered, growled, as was his habit instead of singing--and tore open the pianoforte. My wife had often vainly begged him to play; to-day he placed the text in front of him and began to improvise marvellously--music which no magic could hold fast. Out of it he seemed to conjure the motive of the aria. The hours went by, but Beethoven improvised on. Supper, which he had purposed to eat with us, was served, but--he would not permit himself to be disturbed. It was late when he embraced me, and declining the meal, he hurried home. The next day the admirable composition was finished" (Die Szene des ganzen ersten Aktes, so Treitschke, war in einem offenen Hof angelegt; die Reihenfolge der 1. und 2. Nummer wurde umgekehrt; später marschierte die Wache zu einem völlig neu komponierten Marsch ein; Leonores Air erhielt eine neue Einleitung, und nur der letzte Satz, 'O du, für den ich alles trug', wurde beibehalten. Die folgende Szene und Duett--nach Seyfrieds Schilderung ein charmantes Duettino für Sopranstimmen mit konzertanten Passagen für Violine und Violoncello, in C-Dur, im 9/8-Takt--die im alten Buch stand, strich Beethoven ganz; das erstere sei unnötig, das zweite ein Konzertstück. Treitschke mußte ihm beipflichten; der Zweck, der verfolgt wurde, war, die Oper als ganzes zu retten. Ein kleines Terzett für Rocco, Marzelline und Jaquino, das folgte ('ein äußerst melodisches Terzett in Es', wie Seyfried es beschrieb) ereilte das selbe Schicksal. Im Allgemeinen bestand im ersten Akt bisher ein Mangel an Handlung, und die Musik als solche erwärmte die Zuhörer auch nicht. Der neue Dialog sollte ein besseres Ende für den ersten Akt erbringen. Treitschke entwickelte Pläne, und Beethoven und er einigten sich darauf, die Rückkehr der Gefangenen in ihre Zellen mit dem dementsprechenden Befehl Pizarros und ihrem wehmütigen Abschied von der Freiheit zusammenzulegen.

Der zweite Akt, so Treitschke, präsentierte gleich zu Anfang eine große Schwierigkeit. Zuerst wollte Beethoven dem armen Florestan Gelegenheit geben, sich mit einer Arie ins Bild zu rücken; jedoch gab ihm Treitschke zu bedenken, daß es einem fast verhungerten Gefangenen nicht möglich sei, 'bravura' zu singen. Sie hätten dann mit mehreren Konzepten gespielt; zu guter letzt habe er, Treitschke, Beethovens Meinung zufolge 'den Nagel auf den Kopf getroffen' (mit dem obenstehenden Text).

Treitschke erzählt dann von jenem Abend, den er wohl nie vergessen würde, als Beethoven etwa gegen sieben Uhr zu ihm kam und, nachdem sie verschiedene Dinge diskutiert hatten, hätte der Komponist ihn gefragt, wie es mit der Arie stünde. Sie war gerade fertiggeschrieben, und Treitschke gab sie Beethoven zu lesen. Dabei rannte jener im Zimmer auf und ab, murmelte, brummelte, wie es seine Art war, anstatt zu singen--und schlug das Klavier auf. Treitschkes Gattin hatte Beethoven öfter vergeblich gebeten, zu spielen. Nun legte jener den Text vor sich hin und begann  wunderbar zu improvisieren--Musik, die keine Zauberkraft bannen konnte. Daraus habe Beethoven wohl das Thema der Arie entwickelt. Die Stunden seien vergangen, und Beethoven improvisierte weiter. Das Abendessen, das in der Zwischenzeit serviert worden sei und das Beethoven eigentlich auch mit einnehmen wollte, ließ er jedoch links liegen und erlaubte sich nicht, gestört zu werden. Es sei sehr spät gewesen, als er Treitschke zum Abschied umarmte, und ohne Abendessen sei er nachhause geeilt. Am nächsten Tag sei die wunderbare Komposition fertig gewesen.--Thayer:572-753).



Treitschke

Röckel berichtet, daß der Italiener Radici, der neue Florestan von 1814, nach dem Ende seines Airs auf Applaus hoffte. Dies, so Röckel, war aber nicht möglich und auch nicht angebracht nach dem geplanten pianissimo -Ende des Airs, das vom con sordino der Violinen begleitet wurde. Wie aber sollte Beethoven dieses Problem lösen ohne auf der einen Seite den Sänger vor den Kopf zu stoßen, auf der anderen Seite aber auch, ohne die beabsichtigte Wirkung dieses Airs zu zerstören? Er löste dies, indem er das adagio des Airs verkürzte und als Abschluß ein allegro anfügte, das dem Tenor erlauben sollte, seine hohen Stimmregister zur Geltung zu bringen. Um aber auch dem folgenden Eintritt Roccos und Fidelios zum Zwecke ihrer schrecklichen Aufgabe des Grabschaufelns für Florestans Grab Rechnung zu tragen und diesen nicht durch unangebrachten Applaus zu beeinträchtigen, kam Beethoven auf die Idee, dem allegro eine kleine coda des Orchesters, das in einem erneuten pianissimo endet, anzuhängen, das die für Roccos und Fidelios Eintritt nötige Stille wiederherstellte.

Treitschke fährt seine Schilderung damit fort, daß die Veränderungen im zweiten Aufzug sich auf Verkürzungen und Änderungen des Textes beschränkten, wie zum Beispiel die Unterbrechung des Quartetts Er sterbe usw. durch eine kurze Pause, in der Jaquino und andere eintreten und die Nachricht von der Ankunft des Ministers überbringen, sodaß Pizarro seinen Mord an Florestan nicht ausführen kann, da er abberufen wird, und daß, nach dem nächsten Duett, Rocco zurückkehrt um Florestan und Leonore zum Minister zu führen.

Diese Lösung bewirkte, daß die Handlung aus dem finstersten Verlies des Gefängnisses in das volle Tageslicht des hellen Palastgartens verlegt wurde, was er selbst als wünschenswert erachtete.

In bezug auf eine interessante Quelle zur Fideliorevision erwähnt Thayer das sogenannte Dessauer Skizzenbuch, das sich im Besitz der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien befinden soll und als dem Jahr 1814 zugehörig erachtet wird. Darin seien die zwei neuen Finales der Oper enthalten, aber auch eine interessante Bemerkung Beethovens auf Seite 72 desselben, "Für Milder, B, siehe oben", sich sehr wahrscheinlich auf den vorletzten Takt in Leonores Arie beziehend. Dieses Skizzenbuch enthalte auch, auf Seite 82, Florestans Air, auf Seite 90 das Melodram, auf Seite 108 das Rezitativ "Abscheulicher, wo eilst du hin", und Skizzen für die Ouverturen zu Fidelio. Nottebohm, so berichtet Thayer, habe den Inhalt dieses Skizzenbuches genau studiert. In diesem Zusammenhang sollten wir jedoch nicht auf die ebenfalls darin enthaltenen Skizzen zu weiteren Werken des Jahres 1814 eingehen.

Beethoven wurde in seiner Revisionsarbeit durch die Vorbereitungen zu dem Konzert unterbrochen, das er am 27. Februar geben sollte. Er geht darauf sowohl in seinem Brief vom 13. Februar 1814 an Graf Franz von Brunsvik als auch in seiner Nachricht aus der selben Zeit an Erzherzog Rudolph ein. (Einzelheiten zum Konzert vom 27. Februar 1814 sind in unserer Entstehungsgeschichte von "Wellington's Victory" enthalten).

Eine weitere Angelegenheit verzögerte die Fidelio-Arbeit Beethovens und Treitschkes. Dazu sollten wir am besten Thayer zitieren:

"The French Armies had so often taken possession of the capitals of the various Continental states, that the motives are inconceivable, which induced Schwarzenberg to restrain the approach of the allied armies on Paris, until Blücher's persistence, enforced by his victories, at last compelled the Commander-in- Chief to yield the point. When this became known in Vienna, it was determined to celebrate the event, so soon as news of it should arrive, by an appropriate performance in the Court Opera. To this end, Treitschke wrote a Singspiel in one act entitled Die gute Nachricht (Good News). Of the nine pieces of music in it, the overture was given to Hummel and the concluding chorus, "Germania, wie stehts du jetzt im Glanze da", to Beethoven."--Thayer berichtet hier, daß die Französischen Armeen die Haupstädte verschiedener Staaten auf dem Kontinent so oft eingenommen hätten, daß es unverständlich war, warum Schwarzenberg nun mit seinem Angriff der Alliierten auf Paris zögerte, bis Blücher, durch seine Siege dazu bewogen, den Obersten Heerführer in Bewegung setzte. Als dies in Wien bekannt geworden sei, sei beschlossen worden, sobald Nachricht dazu in Wien eintreffe, dieses Ereignis mit einer Vorstellung in der Oper zu feiern. Treitschke schrieb dazu den Einakter Die gute Nachricht. Von den neun darin vorgesehenen Musikstücken wurde die Komposition der Ouverture an Hummel vergeben, und der Abschlußchor "Germania, wie stehst du jetzt im Glanze da", an Beethoven.--Thayer: 576-577).

Kehren wir jedoch zu Fidelio zurück, wozu wir berichten können, daß Beethoven von Treitschke das überarbeitete Libretto Ende März erhielt, und sich bei ihm mit diesen Worten bedankte: "I have read your amendments to the opera with great pleasure; they determine me the more to rebuild the ruins of an old castle."-- Er habe die Änderungen mit Vergnügen gelesen und sei dadurch umso mehr entschlossen, die Ruinen einer alten Burg wieder aufzubauen.--Thayer: 577).

Jedoch wurde Beethovens Aufmerksamkeit vom Ruinenaufbau durch das Konzert, das er am 11. April im Hotel Zum Römischen Kaiser, das vom Besitzer des Etablissements und von Schuppanzigh für Militärbenefizzwecke organiziert wurde, abgelenkt. Eines der Werke, das dort zur Aufführung gelangen sollte, war das Erzherzogtrio, Op. 97. Im Nachrichtenaustausch zu diesen Proben taucht zum erstenmal der Name Anton Schindler als Bote zwischen Schuppanzigh und Beethoven auf, den jener auch im Konzert am 11. April wiedererkannte. Jedoch bestand, wie Thayer betont, kein weiterer direkter Kontakt zwischen Beethoven und Schindler bis zum Ende dieses Jahres.

Da die Nachricht vom endgültigen Sieg der Alliierten (am 31. März) Wien am 10. April erreichte, wurde das Singspiel auch am 11. April aufgeführt.

Wir sollten hier nicht versäumen darauf hinzuweisen, daß Beethovens alter Freund und Gönner, Fürst Karl Lichnowsky, der die Revision der ersten Fidelioversion durch die in seinem Haus abgehaltene Soiree im Dezember 1805 unterstützt hatte, am 15. April 1814 starb. Leider haben wir keinen Kommentar Beethovens dazu, welche Wirkung der Tod seines Gönners auf ihn hatte.

Während dieser Zeit diskutierte Beethoven auch in einer Nachricht an Zmeskall seinen bevorstehenden Umzug aus dem Pasqualatihaus ins Bartensteinhaus, das auch an der Mölkerbastei lag, sodaß er immer noch in der Nähe gewisser Freunde (z.B. Fürstin Lichnowskys und der Erdödys) wohnte.

In bezug auf die Verzögerung seiner Arbeit an Fidelio erwähnte Beethoven in einer Nachricht and Treitschke, daß die "Kantate" (wohl zum erwähnten Singspiel) ihm vier bis fünf Tage geraubt hatte.

Bezüglich der gerade erwähnten Nachricht Beethovens an Treitschke sollten wir vielleicht deren Rest zitieren, da sie uns einen guten Eindruck davon vermittelt, wie sich der Ruinenaufbau für Beethoven tatsächlich gestaltete:

" . . . nun muß freilich alles auf einmal geschehen, und geschwinder würde ich etwas Neues schreiben, als jetzt das Neue zum Alten, wie ich gewohnt bin zu schreiben. Auch in meiner Instumentalmusik habe ich immer das Ganze vor Augen; hier ist aber mein Ganzes überall auf eine gewisse Weise geteilt worden, und ich muß mich neuerdings hineindenken! In 14 Tägen die Oper zu geben, ist wohl unmöglich, ich glaube immer, daß 4 Wochen dazu gehn können.

Der 1. Akt ist indessen in einigen Tagen vollendet, allein es ist am 2. Akt noch viel zu tun: auch meine neue Ouvertüre, welches zwar das leichteste ist, da ich sie ganz neu machen kann. Vor meiner Akademie war nur hier und da einiges skizziert, sowohl im 1. als 2. Akt; erst vor einigen Tagen konnte ich anfangen zu arbeiten.

Die Partitur von der Oper ist so schrecklich geschrieben, als ich je eine gesehen habe; ich mußte Note für Note durchsehen (sie ist wahrscheinlich gestohlen) --

Kurzum! ich versichere Sie, lieber Tr--, die Oper erwirbt mir die Märtyr-Krone? Hätten Sie nicht sich so liebe Mühe damit gegeben, und so sehr vorteilhaft alles bearbeitet, wofür ich Ihnen ewig danken werde, ich würde mich kaum überwinden können! Sie haben dadurch auch einige gute Reste von einem gestrandeten Schiffe gerettet! Unterdessen--wenn Sie glauben, daß Ihnen der Aufenthalt mit der Oper zu groß wird, so schieben Sie [sie] lieber auf eine spätere Zeit auf. Ich fahre jetzt nun fort, bis alles geendigt ist, und auch ganz wie Sie alles geändert und besser gemacht haben, welches ich jeden Augenblick, je mehr und mehr, einsehe; allein es geht nicht so geschwinde, als wenn ich etwas Neues schreibe; und in 14 Tagen, das ist unmöglich! Handeln Sie, wie es Ihnen am besten dünkt, jedoch aber auch als Freund für mich! An meinem Eifer fehlt es nicht?

Ihr

Beethoven" (Schmidt, Beethovenbriefe: 90-91).

Nachdem Die gute Nachricht noch mehrere Male zur Aufführung gelangte und am 3. Mai ihre letzte Vorstellung sah, erachtete sich Treitschke wohl dazu veranlasst, Beethoven zur Eile aufzufordern, denn trotz der Tatsache, daß die Revision noch nicht fertig war, wurde bereits am 15. April mit den ersten Proben begonnen, und die Aufführung wurde auf den 23. Mai festgelegt.

Bezüglich Beethovens "Fortschritt" berichtet Thayer von einem Memorandum Beethovens am 15. Mai, das ausdrückt, daß er mit der Revision im März begonnen hatte und am 15. Mai fertiggeworden sei; sein offizieller Bescheid an Treitschke, so Thayer, sei am 17. Mai ergangen, wozu jedoch keine Einzelheiten erwähnt sind. Demhingegen zitiert Thayer Beethovens Schreiben an Treitschke vom 14. Mai:

"Worthy T! Your satisfaction with the chorus delights me infinitely.-- I was of the opinion that you ought to apply all the works to your profit and therefore mine also. But if you do not want to do this, I should like to have you sell it outright for the benefit of the poor.

Your copyist and Wrantisky were here yesterday about the matter, I told them, that you, worthy Tr., were entirely master in the affair.-- For this reason I await now your frank opinion.-- Your copyist is an ass!--but he is completely lacking in the well-known splendid ass's skin [Eselshaut]-- Therefore my copyist has undertaken the work of copying, and by Tuesday little will remain to be done, and my copyist will bring everything to the rehearsal-- As for the rest, the whole matter of the opera is the most wearisome thing in the world, and I am dissatisfied with most of it--and--there is hardly a piece in it to which in my present state of dissatisfaction I ought not to have patched for some satisfaction.-- That is the great difference between being able to surrender to free reflection or enthusiasm--

wholly your Beethoven" (Hierin drückt Beethoven seine Freude darüber aus, daß Treitschke am Chor Gefallen gefunden hatte und daß er der Meinung gewesen sei, daß Treitsche alle Werke zu seinem und auch Beethoven's Gewinn verwenden wollte, daß er jedoch andernfalls alles zum Wohl der Armen verwerten sollte.

Er fährt damit fort zu erwähnen, daß Treitschkes Kopist und Wranitzky tags zuvor diesbezüglich bei ihm gewesen seien und daß er sie ganz an Treitschke verwiesen hätte und daß er aus diesem Grunde auf seine Stellungnahme dazu warte.--Beethoven fährt nun in seiner 'launigen Art' fort, Treitsche zu erklären, daß sein Kopist ein Esel sei, aber nicht jene wohlbekannte, vorteilhafte Eselshaut besäße, und daß deshalb sein eigener Kopist die Kopierarbeit erledige und daß am kommenden Dienstag nicht mehr viel zu tun sei und der Kopist alles zur Probe mitbringe.-- Im übrigen, so Beethoven, sei die ganze Oper die anstrengendste Angelegenheit auf der ganzen Welt, daß er mit dem meisten daran unzufrieden sei und daß darin kaum ein Stück sei, bei dem er seine eigene Unzufriedenheit darüber durch weitere Verbesserungen in Zufriedenheit hätte umwandeln sollen. Dies, so Beethoven, sei der große Unterschied zur Möglichkeit, sich der freien Reflekexion oder dem Enthusiasmus hinzugeben.--Thayer: 581).

Treitschke zufolge fand die letzte Probe am 22. Mai statt. Jedoch sei die Ouverture immer noch nicht fertiggestellt gewesen, und daß es wohl am 20. oder 21. Mai gewesen sein mag, als Beethoven mit seinem Freund, Dr. Bertolini, im Römischen Kaiser das Abendessen einnahm, wo er zum Schluß auf der Rückseite der Rechnung Linien zeichnete und dann Noten zu schreiben begann. Bertolini wollte ihn zum Gehen auffordern, Beethoven jedoch hätte ihm geantwortet, daß ihm gerade eine Idee zur Ouverture gekommen sei, und der blieb, um deren Skizzierung zu vollenden.

Treitschkes Bericht fährt damit fort, daß Beethoven am Morgen des 23. Mai zur allerletzten Bühnenprobe nicht erschien, daß man etwas auf ihn wartete, dann aber nach ihm schickte. Man fand ihn selig schlafend in seinem Bett, neben ihm ein Glas Wein mit einem aufgeweichten Bisquit darin, aber auch eine abgebrannte, verloschene Kerze, und die Skizzen zur Ouverture auf dem Boden verstreut, alles Anzeichen, daß er daran noch bis spät in die Nacht gearbeitet hatte, aber sie nicht mehr fertigstellen konnte.

In bezug auf die damals eingeschobene Ouverture berichtet Schindler, daß die Ouverture zu Leonore zum Einsatz gelangte, Seyfried wiederum berichtet von den Ruinen von Athen, was durch einen zeitgenössischen Kommentar im Sammler bestätigt wird.

Eine beethoven'sche Konversation aus dem Jahre 1823 übermittelt folgendes: "The people applauded, but I stood ashamed; it did not belong to the rest" (die Leute hätten applaudiert, er hätte sich aber geschämt, da die Ouverture nicht zum Rest gehörte--Thayer: 582).

Das für diese Gelegenheit zusammengestellte Textbuch soll, nach Thayer, überraschenderweise folgende Titelangabe enthalten haben:

"Leonore, Fidelio

An Opera in Two Acts, etc."

The word "Leonore" is crossed out and "Fidelio" written at the side in red pencil afterwards inked over. There was then on the part of some one--whom?--an intention subsequently abandoned, of thus changing the title.

Again, in the list of "properties," stands

A wallet
2 chains . . . Mme. Hönig.

and the same occurs in the list of the

DRAMATIS PERSONAE

Herr Saal . . . Don Fernando, minister.
Herr Vogel . . . Don Pizarro, Governor of a State's prison.
Herr Radichi . . . Florestan, a prisoner.
M. Hönig . . . Leonore, his wife, under the name of Fidelio.
Hr. Weinmller . . . Rokko, jailer.
Mlle. Bondra . . . Marzelline, his daughter.
Hr. Frühwald . . . Jaquino.

Prisoners of State, etc. etc."

Thayers Zitat drückt aus, daß in diesem Textbuch das Wort Leonore ausgestrichen worden sei und am Seitenrand Fidelio in rotem Bleistift hingesetzt wurde, welches danach mit Tinte nachgezeichnet worden sei. Demnach, so Thayer, sollte wohl jemand die Absicht, jedoch wer?, die Absicht gehabt haben, den Titel zu ändern--Thayer: 582).

Lassen Sie uns hier im deutschen Text jedoch zur Aufstellung der Künstler auch noch eine Abbildung aus Reclam zur Programmankündigung einfügen:

Aus dem Vergleich zwischen dem Zitat aus Thayer und Reclam können wir Ihnen durch ein konkretes Beispiel vor Augen halten, daß Thayer zurecht erwähnt Mme. Hönig sei bei der eigentlichen Vorstellung dann doch durch Mme. Milder-Hauptmann ersetzt worden.



Mme. Milder-Hauptmann

Bezüglich der Wiener Premiere der revidierten Version von 1814 berichtet Treitschke, daß "The opera was capitally prepared. . . . Beethoven conducted, his ardor often rushed him out of time, but Kapellmeister Umlauf behind his back, guided everything to success with eye and hand. The applause was great and increased with every representation" (Die Oper sei sehr gut vorbereitet gewesen . . . Beethoven habe dirigiert und sei durch seine Begeisterung oft zu schnell im Tempo gewesen, jedoch habe Kapellmeister Umlauf alles sehr umsichtig hinter seinem Rücken geleitet, der Applaus sei sehr groß gewesen und hätte sich bei jeder Vorstellung verstärkt.--Thayer: 583).

Am 26. Mai wurde die Oper erneut aufgeführt, und zwar diesmal mit der neuen E-Dur-Ouverture, die sehr begeisterten Applaus erhielt, zu dem Beethoven zweimal herausgerufen worden sei.

Weitere Veranstaltungen fanden am 2., 4. und 7. Juni 1814, aber auch am 21. Juni statt, nachdem die Hofoper für einige Zeit geschlossen war für die Vorbereitungen zum Empfang des zurckkehrenden Kaisers.

Bezüglich einer Vorstellung zu Beethovens Gunsten schrieb Beethoven die folgende Nachricht an Treitschke:

"Dear worthy Tr! What you say about a quarter of the receipts is understood, of course! And for a moment only I must moreover remain your debtor, but I will not forget that I am.-- As regards a benefit performance for me I should like to have the day set on a week from yesterday, that is next Thursday.--

I called on Hr. Palffy today but did not find him in. Do not let the opera rest too much! It surely would be injurious!

I will visit your shortly as I still have a lot to discuss with you. Running out of paper, I must end.

Wholly your Beethoven" (Beethoven stimmt hier mit Treitschke bezüglich eines Viertels der Einnahmen überein und gibt zu, daß er in seiner Schuld stehe und versichert, daß er das nicht vergessen werde. Hinsichtlich einer Vorstellung zu seinen Gunsten drückt er aus, daß er diese gerne für den nächsten Donnerstag haben würde, aber Herrn Palffy nicht angetroffen habe, um ihn darum zu bitten. Er fordert Treitschke auf, die Oper nicht zu lange ruhen zu lassen, da ihr dies gewiß schaden würde und da er ihn bald besuchen werde, um vieles zu diskutieren.--Thayer: 583).

Zu dieser Nachricht sollte vielleicht folgendes angefügt werden:

1. Daß die Vorstellung zu seinen Gunsten nicht für das von ihm angestrebte Datum genehmigt wurde;

2. Daß die Ausgabe der "Wiener Zeitung" vom 1. Juli eine "Musikalische Notiz" hinsichtlich

"The undersigned, at the request of the Herren Artaria and Co., herewith declares that he has given the score of his opera FIDELIO to the aforesaid music establishment for publication under his direction in a complete pianoforte score, quartets, or arrangements for wind band. The present musical version is not to be confounded with an earlier one, since hardly a musical number has been left unchanged, and more than half of the opera was composed anew. Scores in the only authorized copy and also the book in manuscript may be had from me or from the reviser of the book, Hr. Fr. Treitschke, R. I. Court Theatre Poet. Other unauthorized copies will be punished by law.

Ludwig van Beethoven" (Der Unterzeichete erkläre auf Verlangen der Herren Artaria & Co., daß er die Partitur zu seiner Oper FIDELIO dem vorgenannten Musiketablissement übergeben habe für die Veröffentlichung eines Klavierauszugs, eines Auszugs für Quartette oder für Blasinstrumente, unter seiner Leitung. Diese Version solle nicht mit einer früheren verwechselt werden, da kaum eine Nummer unverändert geblieben sei, und mehr als die Hälfte der Oper neu komponiert wurde. Partituren der einzigen autoristierten Version und auch Manuskriptbücher könnten von ihm oder vom Textbearbeiter, Herrn Fr. Treitschke, dem Poeten des Kaiserlichen Hoftheaters, erworben werden. Andere, unautorisierte Ausgaben würden gerichtlich geahndet werden.--Thayer: 584).

Die Erarbeitung des Klavierauszugs wurde dem jungen Prager Ignaz Moscheles (5) angeboten, der darüber nach eigener Aussage sehr erfreut war, da ihm dies endlich eine Gelegenheit bot, den von ihm sehr verehrten Beethoven kennenzulernen und sogar mit ihm zusammenarbeitn zu können. Einer seiner weiteren Kommentare zu seiner Zusammenarbeit mit Beethoven liefert uns wieder einmal ein Beispiel von Beethovens sehr menschlichem Wesen:

"Coming early to Beethoven, he was still in bed; this day he was particularly merry, leaped up at once, and, as he was, went to the window, which opened to the Schottenbastei, to look through the arranged numbers. Naturally the street boys assembled under the window until he cried out: 'Damn the youngsters, what do they want?' I smilingly pointed to his garment. 'Yes, yes, you are right,' said he and hastily threw a dressing-gown over his shoulders. When we reached the last great duet, 'Namenlose Freude,' where I had written down the text 'Ret-terin des Gat-ten,' he crossed it out and wrote 'Rett-erin des Gatt-en'; for it was not possible to sing on 't.' Under the last number I had written 'fine with God's help.' He was not at home when I carried it to him; and when he sent it back under mine were the words: 'O man, help yourself.'" (Moscheles erzählt, daß Beethoven eines Morgens als er ihn aufsuchte, noch im Bett lag, aber sehr vergnügt gewesen sei, und munter aufsprang, zum Fenster ging und sich dort den Klavierauszug ansah. Natürlich versammelten sich unten die Gassenbuben, bis er ausrief, 'verdammte Jungens, was wollen die denn?' Moscheles deutete lachend auf Beethovens Nachthemd. 'Ja, ja, Sie haben recht', hätte Beethoven geantwortet und sich schnell einen Morgenmantel übergeworfen. Als wir das letzte große Duett, 'O namenlose Freude' errreichten, wozu er, Moscheles, notiert hatte, 'Ret-terin des Gat-ten', hätte Beethoven dies mit 'Rett-erin des Gatt-en' verbessert, da man nicht auf 't' singen könne. Unter den letzten Teil hätte Moscheles geschrieben, 'Gut, mit Gottes Hilfe', fand aber Beethoven nicht zuhause an. Als er ihm diesen letzten Teil zurckgeschickt hätte, wäre unter seiner Bemerkung in Beethovens Handschrift gestanden: 'O Mensch, hilf dir selbst'.--Thayer: 584).



Ignaz Moscheles

Während Thayers Leser mit Moscheles eigenen Erinnerungen zu den Gründen seiner Bevorzugung durch Beethoven als Arrangeur über Hummel unterhaltet, wird auch erwähnt, daß Beethoven vielleicht einen talentierten jüngeren Musiker einem bekannteren Komponisten, der diesem Arrangement sicher auch seinen Stempel aufprägen würde, vorzog. Es wird auch darauf hingewiesen, daß die Partitur nicht sofort veröffentlicht wurde, und das wohl zum Nachteil Beethovens, da in der Zwischenzeit auch unautorisierte Kopien entstanden seien, die den eigentlich Beethoven zustehenden Gewinn einstrichen.

Da die warme Jahreszeit fortschritt und sowohl der Adel als auch das wohlhabende Bürgertum Wien bald verlassen würde, sah sich Beethoven dazu bewogen, dem Publikum in geeigneter Weise seine Oper Fidelio wieder in Erinnerung zu bringen, wohl im Hinblick auf die bevorstehende Aufführung zu seinen eigenen Gunsten. Er erreichte dies, indem er den Friedensblättern das Lied "An die Geliebte" (mit Text von Stoll) zur Gravur für einen Anhang zur Ausgabe vom 12. Juli überließ, der auch folgende Notiz enthielt:

"A WORD TO HIS ADMIRERS

How often in your chagrin, that his depth was not sufficiently appreciated, have you said that van Beethoven composes only for posterity! You have, no doubt, been convinced of your error since if not before the general enthusiasm aroused by his immortal opera "Fidelio"; and also that the present finds kindred souls and sympathetic hearts for that which is great and beautiful without withholding its just privileges from the future" (Dieses "Wort an seine Bewunderer" drückt aus, daß sich viele unter ihnen wohl oft vorgehalten hätten, daß Beethoven nur für die Nachwelt komponiere, und daß sie von diesem Fehler wohl durch die unsterbliche Oper "Fidelio" abgebracht worden seien, sodaß auch das gedruckte Lied in diesem Sinne begeisterte Freunde finden möge, deren Herzen durch das, was wirklich schön sei, erfreut werde, ohne der Zukunft das zu rauben, was ihr zustehe.--Thayer: 586-587).

Beethoven dachte auch daran, die Oper mit einer neuen Attraktion anzureichern, wie dies auch aus seiner Nachricht an Treitschke hervorgeht:

"For heaven's sake, dear friend! It seems that you have no instinct for money-making-- See to it that Fidelio is not given before my benefit. This was the arrangement with Schreyvogel-- Since Saturday when you last saw me at the theatre, I have been confined to my bed and room, and not until yesterday did I feel a trace of improvement. I might have visited you today did I know that poets like Phaeacians observe Sunday! We must talk about sending out the opera so that you may receive your quarter share and so it is not sent out in stolen copies all over the world. I know nothing of business but think that if we were to sell the score to a publisher here and it were to be printed, the result would be better for you and me. If I understand you correctly I ought to have the song by this time-- Please, dear friend, hurry it up!-- Are you angry? Have I offended you? If so, it was done inadvertently, and therefore forgive an ignoramus and musician. Farewell, let me know something soon.

Your grateful debtor and friend Beethoven

Milder has had her aria for a fortnight, I shall learn today or tomorrow whether she knows it. It will not take her long" (Das für uns Wichtige in dieser Nachricht ist im Nachsatz enthalten. Jedoch lohnt es sich auch, den Hauptteil kurz zu beschreiben: Beethoven bittet Treitschke hier, dafür zu sorgen, daß Fidelio nicht nocheinmal vor seiner eigenen Benefizvorstellung gegeben wird, klagt über schlechte, mit Bettlägerigkeit verbundene Gesundheit, und auch darüber, daß die Partitur veröffentlicht werden soll, damit sie beide Gewinn daraus schöpfen können anstatt Unberechtigter und hält es für ratsam, sie in Wien verlegen zu lassen.--Er bittet Treitschke auch dringend um 'das Lied' und fordert ihn auf, sich damit zu beeilen, und entschuldigt sich gleich zum Schluß noch einmal 'vorsorglich', falls er Treitschke irgendwie vor den Kopf gestoßen haben sollte. Im Nachsatz erwähnt Beethoven, daß Mme. Milder ihre Arie nun schon zwei Wochen lang hatte und daß er selbst in ein, zwei Tagen erfahren werde, ob sie sie schon beherrscht, glaubt aber nicht, daß sie lange dazu braucht.--Thayer: 587).

Die Benefitzvorstellung fand dann am Montag, den 18. Juli 1814 statt. Das "Lied", das Beethoven so dringend von Treitschke erbeten hatte, war Roccos Gold-Arie, für die jener den früheren, teilweise von Sonnleithner und teilweise von Stephan von Breuning stammenden Text umgearbeitet hatte. Hinsichtlich Mme. Milders neuer Arie berichtet Thayer, daß diese eigentlich als große Arie für sie vorgesehen war, da sie aber die Handlung wiederum verlangsamt hätte, kam sie nicht zum Einsatz. Beethoven selbst kommentierte dazu nur, "...zwei neue Stücke sind hinzugefügt worden", während die Friedensblätter-Notiz angibt: "Fidelio will be given with two entirely new arias sung by Mme. Milder and Hr. Weinmüller, for the benefit of the composer" (Thayer: 587).

Nach genauer Studie verschiedener Quellen kommt Thayer zu dem Schluß, daß das "neue Stück für Milder" "Komm, Hoffnung" war, aber nicht die Arie, die sie bereits sechsmal in diesem Jahr gesungen hatte; vielmehr war es jene, die Beethoven in seiner oben zitierten Nachricht an Treitschke erwähnte. Hinsichtlich einer Kritik dieser Änderung, lassen Sie uns hier einen Bericht der Allg. Mus. Ztg. aus Thayer zitieren:

"The second aria with four horns obbligatio (E major) which was performed with power and feeling by Mad. Milder-Hauptmann (Fidelio) is beautiful and of great artistic worth. Yet it seems to this critic that now the first act has lost its fast pace and is held up by the performance of these two arias and has become unnecessarily long" (Die zweite Arie mit vier obligaten Hörnern, in E-Dur, die von Frau Milder-Hauptmann mit Kraft und Gefühl gesungen wurde, sei schön und von großem künstlerischen Wert. Jedoch erscheine dies dem Kritiker den ersten Akt wieder zu verlangsamen, so daß dieser wieder sein Tempo verloren hätte und daß durch die Einfügung dieser beiden Arien der erste Akt wieder unnötig lang geworden sei.--Thayer: 588).

Das Fidelio-Skizzenbuch, so Thayer, weise auf Seite 107 eine Aufstellung Beethovens auf über den Versand der Oper und die jeweiligen erzielten Preise, was wir der Einfachheit des Inhalts halber direkt in deutscher Sprache widergeben können: "Hamburg, 15 Golddukaten; Grätz 12 Gulden; Frankfurt, 15 Golddukaten; Stuttgart, 12 Golddukaten; Karlsruhe, 12 Golddukaten; Darmstadt, 12 Golddukaten". Die nächste Seite weise Skizzen zu "Abscheulicher, wo eilst du hin" auf, jedoch sind keine Skizzen zur neuen Arie bekannt. Daher wundert sich Thayer, ob nicht die Arie, die Mme. Milder damals sang, nicht jene war, die von Moscheles arrangiert wurde und die noch heute gesungen wird. Für ein genaueres Studium dieser Frage verweist er auf W. Hess, Beethovens Oper Fidelio.

Am 14. Juli schrieb Beethoven an Erzherzog Rudolph und entschuldigte sich, daß er von Baden abwesend sein muß aufgrund seiner Benefizvorstellung, die wie folgt angekündigt wurde:

Berichte über diese Vorstellung waren alle sehr lobend, einschließlich der Qualität der Sänger, wie zum Beispiel Forti als Pizarro, aber auch in bezug auf die neue Ouverture, und sprachen außerdem von einem vollen Haus, was Beethoven nun endlich etwas Gewinn einbrachte.

Aufgrund dieser Ereignisse konnte Beethoven in diesem Sommer nicht viel Zeit auf dem Land verbringen, sondern nur einige Tage in Baden. Während der bevorstehende Wiener Kongress, der eigentlich am 1. August beginnen sollte, auf den frühen Herbst vertagt wurde, sah dieser Monat doch nun endlich die Veröffentlichung des von Moscheles erstellten Klavierauszugs zu Fidelio.

Im Frühherbst wurde die Hoftheatersaison am 26. September mit Fidelio eröffnet. Thayer argumentiert, daß an der Feindseligkeit Palffys nicht soviel dran sein konnte, wie aus ihr gemacht wurde, da er als Theaterleiter dies bewilligte. Einer der Zuschauer dieser Vorstellung war Dr. Weissenbach aus Salzburg, der Beethoven bald im Zusammenhang mit seiner Texterstellung zu "Der glorreiche Augenblick" kennenlernen sollte.

Hinsichtlich weiterer Wiener Fidelio-Vorstellungen des Jahres 1814 können wir berichten, daß diese am 4. und 9. Oktober stattfanden, während aus Prag zu berichten ist, daß die Oper dort am 26. November zur Aufführung gelangte. Hierzu folgendes aus Reclam:

Daß sich Beethoven beim Herumgereichtwerden auf dem Wiener Kongress 'wacker' hielt, bestätigte er ja später. Wie sich seine Oper Fidelio in weiteren Aufführungen zu Lebenszeiten des Komponisten hielt, können wir nun im nächsten Abschnitt erforschen.

Fidelios weiteres Schicksal zu Beethovens Lebzeiten

Nach Prag im November 1814 konnte sich Dresden diese Oper zum erstenmal am 12. April 1815 ansehen, während Berlin diese Ehre am 11. Oktober des Jahres hatte (Reclam: 17). Zur Berliner Aufführung weiß Thayer zu berichten, daß die erste Vorstellung mit Mme. Schultze, Ignaz Schuppanzighs Schwägerin, als Leonore bestritten wurden, während Mme. Milder drei Tage später ihre 11 Berliner Auftritte in dieser Oper begann und damit wieder nur Triumphe freierte. Seine Freude und seinen Dank an Mme. Milder drückte Beethoven folgendermaßen aus in seinem Schreiben an sie vom 6. Januar 1816:

"Wien am 6ten Jänner 1816.

Meine wertgeschätzte einzige Milder, meine liebe Freundin!

Sehr spät kommt mein Schreiben von mir Ihnen zu; wie gern möchte ich dem Enthusiasmus der Berliner mich persönlich beifügen können, den Sie im Fidelio erregt. Tausend Dank von meiner Seite, daß Sie meinem Fidelio so getreu geblieben sind.--Wenn Sie den Baron de la Motte-Fouque in neinem Namen bitten wollen, ein großes Opern-Sujet zu erfinden, welches auch zugleich für Sie anpassend wäre, da würden Sie sich ein großes Verdienst um mich und um Deutchlands Theater erwerben.--Auch wünschte ich solches ausschließlich für das B e r l i n e r T h e a t e r zu schreiben, da ich es hier mit dieser knickerigen Direktion nie mit einer neuen Oper zustande bringen werde.--Antworten Sie mir bald, baldigst, sehr geschwind, so geschwind als möglich, aufs geschwindeste--, ob so was tunlich ist.--Herr Kapellmeister B. [oder W.?] hat Sie himmelhoch bei mir erhoben und hat recht; glücklich kann sich derjenige schätzen, dem sein [=dessen] Los Ihren Musen, Ihrem Genius, Ihren herrlichen Eigenschaften und Vorzügen anheimfällt-- so auch ich.--Wie es auch sei, alles um Sie her darf sich nur N e b e n m a n n nennen, ich allein nur führe mit Recht den ehrerbietigen Namen H a u p t m a n n, und nur ganz im stillen.

Ihr wahrer Freund und Verehrer

Beethoven.

(Mein armer unglücklicher Bruder ist gestorben--dies ist die Ursache meines lange ausgebliebenen Schreibens.)

Sobald Sie mir geantwortet haben, schreibe ich auch an Baron de la Motte-Fouque; gewiß wird Ihr Einfluß in Berlin es leicht dahin bringen, daß ich für das Berliner Theater, und besonders berücksichtigt für Sie, mit annehmlichen Bedingungen eine ganze Oper schreibe.--Nur antworten Sie bald, damit ich mich mit meinen übrigen Schreibereien damit eintheilen kann" (Schmidt, Beethovenbriefe: 102-102).

Aus demselben Buch stammt die Abbildung von Beethovens launigem 'musikalischen Gruß' an Mme. Milder-Hauptmann.

Reclam führt als weitere Mitwirkende der Berliner Aufführung Mmlle. Sebastiane als Marzelline, und die Herren Buchert als Minister, Blume als Pizarro, Eunicke als Florestan, Wauer als Rocco und Relenstein als Jaquino an. Ferner wird dort berichtet, daß Wien im Jahr 1815 10 Fidelio-Aufführungen erlebte.

1816 folgten diese Städte: 10. März: Karlsruhe, 22. Mai: Hamburg (mit Ritzenfeld, Schäfer, Gerstäcker, Mad. Aug. Krüger, Aschenbrenner, Berthold, und Mad. Fischer, und Gloy), 3. Juni: Kassel und am 4. September: Weimar, während Wien wiederum 10 Aufführungen erlebte.

Im zweiten Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts sah Wien 1817 neun Fidelio-Aufführungen, das Jahr 1818 sah am 18. März die Leipziger Premiere, und Wien folgte 1819 nochmals mit drei Vorstellungen, wonach die Oper in der Stadt ihrer Entstehung für drei Jahre ruhen sollte.

Meine eigene Heimatstadt, München, erlebte die Oper zum erstenmal am 1. Juli 1821, und wurde dort zunächst mit Henriette Eberwein, später jedoch mit Nanette Schechner (die Beethoven auch 1827 in Wien aufsuchte) als Leonore aufgeführt, und am anderen Ende Deutschlands, in Königsberg, sah man die Oper zum erstenmal im Sommer des selben Jahres.

Im Jahr 1822 ging jedoch in Wien ein neuer Stern auf als Leonore:



Wilhelmine Schröder-Devrient

Eine Benefizveranstaltung zu ihren Gunsten war es, die Fidelio nach 3 Jahren wieder auf die Wiener Bühne brachte. Ihr zur Seite standen in diesem Ensemble die Herren Haitzinger als Florestan, Zelner als Rocco, Forti als Pizarro, Rauscher als Jacquino, der spätere Wiener Possendichter Johann Nestroy ("Einen Jux will er sich machen" u.a.) als Minister, und Mmlle. Demmer als Marzelline. Thayer zitiert einen interessanten Kommentar der Sängerin zu ihrem Debut:

"Under the guidance of my talented mother many of the traits in Leonore's character became clear to me; however, I was still too young, too little developed within to have a full understanding of what took place in Leonore's soul, emotions for which Beethoven had conceived his immortal harmonies. At the rehearsals which were led by Umlauf who was then kapellmeister, the limits of my underdeveloped young voice soon became known and many things in my part were changed for me so that the effect did not suffer too much. The last rehearsals were set, when I learned before the dress rehearsal that Beethoven had asked for the honor of conducting the work himself in celebration of the day. On hearing this news a great fear came over me, and I also remember my frightful awkwardness which nearly drove my poor mother, as well as those who were working with me, to despair. But Beethoven sat in the orchestra and waved his baton over everyone's heads, and I had never seen the man before!-- At that time the master's physical ear was already closed to all sounds. With a bewildered face and unearthly inspired eyes, waving his baton back and forth with violent motions, he stood in the midst of the performing musicians and didn't hear a note! If he thought it should be piano he crouched down and almost under the conductor's desk and if he wanted forte he jumped up with the strangest gestures, uttering the weirdest sounds. With each piece our courage dwindled further and I felt as though I were watching one of Hoffmann's fantastic figures appear before me. The inevitable happened: the deaf master threw the singers and orchestra completely off the beat and into the greatest confusion, and no one knew any longer where they were. Beethoven, however, knew nothing of all this, and so with difficulty our rehearsal came to an end, with which he seemed well satisfied, for he laid down his baton with a cheery smile. But now it was impossible to entrust him with the performance, and Kapellmeister Umlauf had to perform the heart-rending task of pointing out to him that the opera could not be given under his direction. I am told that he resigned himself with a melancholy look upwards, and I found him at the performance on the following night sitting in the orchestra behind Umlauf lost in profound thought. . . . Beethoven followed the whole performance with eager attention, and he looked as if he were trying to see from each of our gestures whether we have even half understood him.

Even then they used to call me a little genius; and indeed on that evening a more mature spirit seemed to have come over me, for several touches of sheer genius shone forth from my performance which must not have escaped Beethoven, for the next day he came himself, the great master, to bring me his thanks and congratulations. With hot ears I moistened the hand that he offered me, and in my joy, I would not have exchanged anything in the world for this praise from Beethoven's lips! He promised at that time to write an opera for me, but unfortunately it remained nothing but a promise" (Wilhelmine Schröder-Devrient berichtet hier, daß ihre talentierte Mutter ihr die Charakterzüge der Leonore verständlich machte, sie aber noch zu jung gewesen sei, diese voll zu erfassen. Daher habe Umlauf veranlasst, daß einige Stellen so umgeändert würden, daß sie mit ihrer unreiferen Interpretationsweise in Einklang stünden. Als sie erfuhr, daß Beethoven die Generalprobe dirigieren werde, sei sie sehr nervös geworden. Sie habe dann den bereits tauben Komponisten mit einem überirdischen Lächeln sein Baton hin und her schwingen gesehen, obwohl er ja keine einzige Note hören konnte. So sei das Unvermeidliche eingetroffen, daß der Meister und das Orchester im Tempo auseinandergerieten und Ratlosigkeit entstand. Ihr Eindruck sei gewesen, daß Beethoven jedoch mit der Probe sehr zufrieden gewesen sei und seinen Taktstock glücklich niederlegte und danach von Umlauf gebetwn worden sei, nicht zu dirigieren, und dies eingesehen habe. Bei der Aufführung sei er auf seinem Platz im Orchester gesessen und habe diese in seine eigenen Gedanken verloren verfolgt, aber auch diese wiederum sehr aufmerksam beobachtet. An diesem Abend sei sie selbst über sich hinausgewachsen und habe der Leonore gerecht werden können. Beethoven habe sie danach auch für ihren Einsatz gelobt.--Thayer: 811-812).



Mlle. Schröder-Devrient
als Leonore/Fidelio

Demgegenüber liefert Anton Schindler von dieser Kostümprobe zwar im wesentlichen denselben Bericht, beendet diesen aber wie folgt:

"the impossibility of going ahead with the author of the work was evident. But how, in what manner inform him of the fact? Neither Duport, the director, nor Umlauf was willing to speak the saddening words: 'It will not do; go away, you unhappy man!' Beethoven, already uneasy in his seat, turned now to the right now to the left, scrutinizing the faces to learn the cause of the interruption. Everywhere a heavy silence. Then he summoned me. I had approached near him in the orchestra. He handed me his notebook with an indication that I write what the trouble was. Hastily I wrote in effect: 'Please do not go on; more at home.' With a bound he was in the parterre and said merely: 'Out, quick!' Without stopping he ran towards his lodgings, Pfarrgasse, Vorstadt Leimgrube. Inside he threw himself on the sofa, covered his hands and remained in this attitude till we sat down to eat. During the meal not a word came from his lips; he was a picture of profound melancholy and depression. When I tried to go away after the meal be begged me not to leave him until it was time to go to the theatre. At parting he asked to go with him next day to his physician, Dr. Smetana, who had gained some repute as an aurist" (Schindler berichtet hierin, daß die Unmöglichkeit, mit dem Verfasser der Oper als Dirigenten zu arbeiten, eindeutig war. Wie aber sollte man diesem das beibringen? Weder Duport, der Theaterleiter, noch Umlauf wollten diese Aufgabe übernehmen. Beethoven sei jedoch auch schon sehr peinlich berührt auf seinem Platz gesessen und hätte sich bald nach rechts gewandt, bald nach links, um in den Gesichtern zu lesen, was denn vorgefallen sei und die Unterbrechung hervorgerufen habe. Es herrschte jedoch nur Stille. Er rief Schindler zu sich. Als dieser sich ihm genähert hätte und von ihm mit Gesten aufgefordert worden sei, ihm in sein Konversationsheft zu schreiben, was geschehen sei, habe er, Schindler, nur kurz in diesem Sinne einen Eintrag gemacht: 'Bitte fahren Sie nicht fort. Mehr darüber zuhause.' Beethovens Antwort sei nur, 'Schnell fort!' gewesen, worauf er sich in rasendem Tempo nachhausebegab, Schindler hinterdrein. Dort habe sich Beethoven erst einmal auf sein Sofa geworfen und hätte erst nach dem Essen zu sprechen begonnen. Er hätte ihn noch nie so deprimiert erlebt. Beethoven hätte ihn dann gebeten, wieder zusammen mit ihm ins Theater zu gehen. Auch hätte er ihn gebeten, mit ihm zum Gehörspezialisten, Dr. Smetana, zu gehen.--Thayer: 810-111).

Die Ausgabe der Theaterzeitung vom 9. November berichtet, daß der 3. November der Namenstag der Kaiserin war, daß der Platz um die Oper hell erleuchtet war, und daß die Nationalhymne, "Gott erhalte Franz den Kaiser" gesungen wurde. Dies geht auch aus der Programmankündigung hervor:

Ferner berichtet das Blatt, daß die Ouverture solch starken Applaus erhielt, daß sie wiederholt werden mußte, ebenso das große Duett und das Kanonquartett, und daß die Sopransängerin (Schöder-Devrient) und der Tenor (Anton Haizinger, Florestan, siehe Bild unten) nach der Oper nochmals herausgerufen wurden.

Fidelio wurde am 4. und 26.November, 2. und 17. Dezember 1822 und am 3. und 18. März 1823 wiederholt.

Carl Maria von Weber brachte das Werk 1823 in Dresden erneut zur Aufführung. Er korrespondierte diesbezüglich mit Beethoven am 28. Januar, 18. Februar, 7. April und 5. Juni 1823, während Beethovens Antwortschreiben den 16. Februar, 10. April und 9. Juni 1823 als Daten tragen. Leider sind diese Briefe nicht erhalten geblieben. Aus Webers Notizen geht jedoch auch noch folgendes hervor:

"Fidelio. To Beethoven. The performance in Prague under my direction of this mighty work, which bears testimony to German grandeur and feeling, gave me an intimacy, as inspiring as it was instructive, with the essence through which I hope to present it to the public in its complete effectiveness here, where I have all possible means at my command. Every representation will be a festival day on which I shall be priviledged to offer your exalted mind the homage which lives in my heart, where reverence and love for you struggle with each other" (Weber notierte hier ein Schreiben an Beethoven und drückte darin aus, daß die Vorstellung in Prag under seiner Direktion ihm Gelegenheit gegeben hätte, mit diesem von der deutschen Größe Zeugnis ablegenden Werk eng vertraut zu werden und daß er hoffe, dieses Werk wiederum in seiner ganzen Wirkung dem Publikum präsentieren zu können.  Jede Aufführung werde ein Festtag sein, an dem er dem erhabenen Geist Beethovens Tribut zollen könne, und daß in ihm Ehrfurcht und Liebe für ihn in seinem Herzen miteinander im Wettstreit lägen.--Thayer: 863).

Um Carl Maria von Weber die Partitur senden zu können, mußte sie Beethoven vom Kärtnerthor-Theater ausleihen, deren musikalische Archive zu dieser Zeit in den Händen von Graf Gallenberg lagen, dem Gatten von Giulietta Giuicciardi. Weber erhielt sie dann von Beethoven am 10. April 1823. Zu bemerken ist auch noch, daß Weber Beethoven ein Honorar von 40 Dukaten für die Dresdener Aufführung übersandte. Beethoven bedankte sich bei ihm in seinem Schreiben vom 17. Juli.

Nanette Schechner, von der wir schon im Zusammenhang mit der Münchner Aufführung von 1821 berichteten, hatte dann 1826 Gelegenheit, die Rolle der Leonore in Wien zu verkörpern, konnte damals aber leider Beethoven noch nicht selbst kennenlernen. Eine weitere Neuaufführung der Oper zu Beethovens Lebzeiten fand am 1. Oktober 1826 in Braunschweig statt. Somit ist Nanette Schechners Besuch im Winter 1827 unsere letzte Verbindung mit der Oper zu Beethovens Lebzeiten.

Nachklang

1827 war ja "nur" das Todesjahr Beethovens, aber nicht das seiner einzigen Oper! Betrachten wir doch zum Ausklang und als Überleitung zu den anderen hier gebotenen Seiten ein wenig das weitere Schicksal dieser Oper auf den Bühnen Europas:

Aus unserer obigen Aufführungsgeschichte wissen wir bereits, daß die Sängerinnen Anna Milder-Hauptmann und Wilhelmine Schröder-Devrient die Rolle der Leonore entscheidend prägten. Ihr Erbe traten dann im 19. Jahrhundert im deutschen Sprachraum zum Beispiel Louise Köster-Schlegel mit 58 Aufführungen, Vilma von Voggenhuber mit sogar 98 Aufführungen an, aber auch Lilli Lehmann zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die zu dieser Rolle laut Reclam sogar eine Studie schrieb. Das Werk selbst sah im 19. Jahrundert im deutschen Sprachraum die folgenden Uraufführungen:

26. Dezember 1828: Mannheim
Im Jahr 1831: 1. März: Darmstadt, 16. März: Dessau, 2. Oktober: Mainz, 21./22. Oktober: Rudolstadt, 7. Dezember; Bremen
24. Juni 1832: Coburg
Im Jahr 1833: 7. März: Schwerin, 26. Juni: Rostock, 11. Dezember: Wiesbaden
4. März 1845: Neustrelitz

Das Ausland sah unter anderem auch folgende Uraufführungen:

22. Juni 1818: Riga
Im Jahr 1829 im Salle Favart in Paris: Ein Gastspiel des Aachener Ensembles unter der Leitung von Röckel, dem Florestan von 1806;
6. Mai 1832: Straßburg
18. Mai 1832: London im King's Theatre, mit einer deutschen Auffhrung der Celardschen deutschen Operngesellschaft, mit Wilhelmine Schröder-Devrient;
4. August 1841: Brünn;
20. Mai 1851 in London: Eine italienische Aufführung in Her Majesty's Theatre;
12. Juni 1851 in London: Die erste englische Aufführung mit der Malibran als Leonore, im Covent Garten Theatre;
4. Februar 1886 in Rom im Apollotheater.

Um wieder an den Entstehungsort der Oper, nach Wien, zurückzukehren: Von hier können wir über einige bemerkenswerte Festveranstaltungen berichten:

Zum 100. Geburtstag Beethovens, am 16. Dezember 1870, in der neuen Hofoper;
Zum 50. Todestag Beethovens am 26. März 1877, ebenfalls in der neuen Hofoper;
Am 1. Mai 1880 anläßlich der Einweihung von Beethovens Denkmal;
Am 5. November 1955 unter Karl Böhm, zur Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper, unter dem Dirigat von Karl Boehm, wozu wir Ihnen folgende Bilder nicht vorenhalten wollen:


Fotos: Votava--Informationsquelle:  Wiener Stadtchronik, 1955

Von hier möchten wir Sie nun gerne auf unsere weiteren Seiten verweisen, nämlich ber unsere FIDELIO-HANDLUNGS-SEITE selbst erkunden können, das eine oder andere für Sie Interessante zu Ihrem weiteren Fidelio- Vergnügen bieten kann!

Anhang

(1) Aufstellung der Opern und Singspiele der Bonner Saison von 1782/1783:

Das Rosenfest von Wolf [aus Weimar]
Azalia von Johann Küchler (Fagottist der Bonner Kapelle)
Die Sklavin (La Schiava) von Piccini
Zemire et Azor von Gretry
Das Mädchen im Eichthale (Maid of the Oaks) von d'Antoine (Hauptmann im Heer des Fürstbischofs von Köln)
Der Kaufmann von Smyrna von J.A. Juste [Hofmusiker in Den Haag]
Die seidenen Schuhe von Alexander Frizer [oder Fridzeri]
Die Reue vor der That von Dezede
Der Aerndtetanz von J.A. Hiller
Die Olympischen Spiele (Olympiade) von Sacchini
Die Lügnerin aus Liebe von Salieri
Die Italienerin zu London von Cimarosa
Das gute Mädchen (La buona figluiola) von Piccini
Der Antiquitäten-Sammler von Andre
Die Entführung aus dem Serail von W.A. Mozart
Die Eifersucht auf der Probe (Il Geloso in Cimento) von Anfossi
Rangstreit und Eifersucht auf dem Lande (Le Gelosievillane) von Sarti
Unverhofft kommt oft (Les Evenements imprevus) von Gretry
Felix, oder der Findling (Felix ou l'Enfanf trouve) von Monsigny
Die Pilgrimme von Mekka von Christoph Willibald Gluck

Diese Angaben sind Thayer entnommen (S. 32).


(2) Aufstellung relevanter Kompositionen aus den Jahren 1796/7 - 1800

1795-6:
Szene und Arie, "Ah, perfido!", für Sopran und Orchester, Op. 65 (Text des ersten Teils von Metastasio

1796
Variationen für Klavier auf einen russischen Tanz aus Wranitzkys Das Waldmädchen, WoO 71.
Variationen für Klavier auf "Une fievre brulante" aus Gretry's Richard, Coeur de Lion, WoO 72.
Variationen für Klavier und Violine zu einem Thema aus Händels Judas Maccabaeus, WoO 45.

1795-7:
Lieder zu Texten von Mestastasio:
Duett für Sopran und Tenor, "Scrivo in te" Il nome, WoO 99, Nr. 11
Quartett für Sopran, Alt, Tenor und Bass, "Nei campi e nelle selve" (Cantata 27), WoO 99, Nr. 7. Zwei Versionen.
Terzett für Sopran, Alt und Bass, "Per te d'amico aprile" Il nome, WoO 99, Nr. 9.

1796-7
Zwei Arien aus Umlaufs Die schöne Schusterin, WoO 91. (1) für Tenor und Orchester; (2) für Sopran und Orchester.
Variationen zu "La ci darem la mano" aus Mozarts Don Giovanni für zwei Oboen und Englischhorn, WoO 28.

1797. Lieder zu Texten von Metastatio:
Duett für Tenor und Bass, "Fra tutte le pene" (Zenobia), WoO 99, Nr. 3
Duett für Sopran, Alt, Tenor und Bass, "Salvo tu vuio la sposo?" Zenobia.
Quartett für Sopran, Alto, Tenor und Bass, "Quelle cetra ah pur tu sei" (Pel giorno natalizio di Maria Teresa) WoO 99, Nr. 11. Zwei Versionen.
Terzett für Sopran, Alt und Tenor, "Fra tutte le pene" Zenobia, WoO 99, Nr. 3
Terzett für Sopran, Tenor und Bass, "Quella cetra ah pur tu sei" (Pel giorno natalizio di Maria Teresa), WoO 99, Nr. 10.

1797-8
Lied: "La partenza" (Text von Metastasio), WoO 124
1798
Variationen für Klavier und Violoncello zu "Ein Mädchen oder Weibchen," aus Mozarts Zauberflöte, Op. 66

1799
Terzett für Soprano, Tenor und Bass, "Chi mai di questo core" (Text von Metastasio aus "Il Ritorno"), WoO 99, Nr. 2. Variationen für Klavier zu "Kind, willst du ruhig schlafen," aus Winters Das unterbrochene Opferfest, WoO 75
Variationen für Klavier zu "La stessa, la stessissima," aus Salieris Falstaff, WoO 73.
Variationen für Klavier zu "Tändeln und scherzen," aus Süssmayer's Soliman II, WoO 76.

Alle Angaben entnommen aus Thayer, S. 201-202 und S. 217-218.

(3)  
"Johann August Röckel (1783-1870), a young man educated at the Unviersity of Munich, had for some time been private secretary to the Bavarian Charge des Affaires at Salzburg.  The approach of the French armies after the fall of Ulm made his position and prospects very uncertain.  It was just then that an agent of Baron Braun came thither in search of a young, fresh tenor to succeed Demmer, whose powers were fast yeilding to time.  The engagement was offered him and thus it came about, that Röckel, in the autumn of 1805, became first tenor in the Theater-an-der Wien.  After appearing in divers characters wich much success, considering his inexperience, he was offered the part of Florestan in the contemplated revival of Fidelio" (Dieses Zitat aus Thayer erwähnt, daß Röckel in München studierte und als Privatsekretär des Bayerischen Botschafters in Salzburg eine Anstellung fand, daß ihn dort aber der Einmarsch der französischen Truppen im Herbst 1805 brotlos machte. Da aber gerade zu jener Zeit ein Agent von Baron Braun in Salzburg war und über Röckels Talent als Tenor im Bilde war, bot er dem noch sehr jungen Mann den Posten des Tenors am Theater-an-der-Wien an. Nachdem er dort in verschiedenen Rollen auftrat, wurde ihm die Rolle des Florestan der revidierten Version der Oper angetragen.--Thayer: 388).

(4) Der 1776 in Leipzig geborene Georg Friedrich Treitschke begann beim Wiener Hoftheater als Schauspieler, jedoch wurden auch bald seine anderen Talente und sein angenehmes Wesen erkannt, sodaß er schon nach zwei Jahren die Stelle des Bühnenleiters und Poeten der deutschen Hofoper innehatte, eine Stelle, die er für etliche Jahre bekleidete. Während der französischen Besatzungszeit von 1809 wurde Treitschke zum Theaterleiter des Theaters- an-der Wien ernannt, und 1811 zu dem des Kärtnerthortheaters.

(5) Thayer zitiert Moscheles' eigene Schilderung seiner Wiener Zeit wie folgt:

"In the year 1809, my studies with my master, Weber (Dionysius), closed, and being then also fatherless, I chose Vienna for my residence to work out my future musical career. Above all, I longed to see and become acquainted with that man, who had exercised so powerful an influence over my whole being, whom though I scarcely understood, I blindly worshipped. I learnt that Beethoven was difficult of access and would admit no pupil but Ries, and for a long time my anxiety to see him remained magnified. In the year 1810, however, the longed-for opportunity presented itself. I happened to be one morning in the music shop of Domenico Artaria, who had just been publishing some of my early attempts at composition, when a man entered with short and hasty steps, and, gliding through the circle of ladies and professors assembled on business, or talking over musical matters, without looking up, as though he wished to pass unnoticed, made his way direct for Artaria's private office at the bottom of the shop. Presently Artaria called me in and said: "This is Beethoven!" and to the composer, "This is the youth of whom I just spoke to you." Beethoven gave me a friendly nod and said he had just heard a favorable account of me. To some modest and humble expressions, which I stammered forth, he made no reply and seemed to wish to break off the conversation. I stole away with a greater longing for that which I had thought than I had felt before this morning, thinking to myself--'Am I indeed such a musical nobody that he could not put one musical question to me?--nor express one wish to know who had been my master, or whether I had any acquaintance with his work? My only satisfactory mode of explaining the master and comforting myself for this omission was in Beethoven's tendency of deafness, for I had seen Artaria speaking close to his ear..."

"I never missed the Schuppanzigh Quartets, at which he was often present, or the delightful concerts at the Augarten, when he conducted his own Symphonies. I also heard him play several times, which, however, he did but rarely, either in public or in private. The production which made the most lasting impression upon me, were his Fantasia with orchestral accompaniment and chorus and his Concerto in C minor. I also used to meet him at the houses of MM, Zmeskall and Zizius, two of his friends, through whose musical meetings Beethoven's works first made their way to public attention [ ? ]; but, in place of better acquaintance with the great man, I had mostly to content myself on his part with a distant salute."

"It was in the year 1814, when Artaria undertook to publish a pianoforte arrangement of Beethoven's Fidelio, that he asked the composer whether I might be permitted to make it. Beethoven assented upon condition that he should see my arrangement of each of the pieces, before it ws given into the engraver's hands. Nothing could be more welcome to me, since I looked upon this as the long wished-for opportunity to approach nearer to the great man and to profit by his remarks and corrections. During my frequent visits, the number of which I tried to multiply by all possible excuses, he treated me with the kindest indulgence. Although his increasing deafness was a considerable hindrance to our conversation, yet he gave me many instructive hints, and even played to me such parts as he wished to have arranged in a particular manner for the pianoforte. I thought it, however, my duty not to put his kindness to the test by robbing him of his valuable time by any subsequent visits . . . " (Moscheles berichtet hier, daß er 1809, als er seine Studien mit Dionysius Weber beendet hatte, nach Wien übersiedelte, um dort seine musikalische Laufbahn zu beginnen. Vor allem wollte er auch jenen Mann kennenlernen, den und dessen Werke, ohne beide notwendigerweise bereits zu verstehen, vergötterte: Beethoven. Er erfuhr, daß Beethoven nicht leicht kennenzulernen sei und außer Ries keine Schüler annehme. Eines Morgens hatte er jedoch in Domenico Artarias Musikladen Gelegenheit zu sehen, wie Beethoven den Laden betrat und sich durch die Menge der dort versammelten Damen und Musiker mit gesenktem Kopf sehr eilig in Richtung von Artarias Büro begab. Artaria rief ihn, Moscheles, dann herein und stellte ihn Beethoven vor, der jedoch außer einem freundlichen Nicken sich nicht an ihn wandte. Moscheles schrieb dies wohl zurecht Beethovens Schwerhörigkeit zu. Auch habe er nie die Veranstaltungen des Schuppanzigh- Quartetts versäumt oder die Augarten-Konzerte, bei denen Beethoven oft answesend war, auch habe er ihn--zwar selten--ab und zu in privater Gesellschaft oder öffentlich spielen gesehen. Besonders beeindruckt sei er von seiner Chorfantasie, Op. 80 gewesen und vom Klavierkonzert in C-Moll. Erst im Jahre 1814, als Artaria einen Klavierauszug zu seiner Oper Fidelio veröffentlichen wollte und Beethoven dazu fragte, ob er, Moscheles, dies übernehmen könne, hätte sich die von ihm so lange herbeigesehnte Gelegenheit zur näheren Bekanntschaft mit Beethoven ergeben. Dieser hätte nämlich die Bedingung gestellt, daß ihm alle Bearbeitungen von Moscheles vorgelegt werden sollten, bevor sie gestochen werden sollten. So habe Moscheles diese Gelegenheit weidlich ausgenutzt, Beethoven so oft wie möglich aufzusuchen, sei von ihm sehr freundlich behandelt worden und habe auch den einen oder anderen wertvollen Hinweis von ihm erhalten. Beethoven habe ihm auch ab und zu eine Passage, die er ihm besonders eindringlich erklären wollte, auf dem Klavier vorgespielt. Nach der Beendigung des Klavierauszugs hätte er aber Beethovens wertvolle Zeit nicht durch weitere Besuche in Anspruch nehmen wollen."--Thayer: 584-585).