Mozart, Mozarts Zauberflöte
und Beethoven






Beethoven 1803


Einleitung

Wir begannen diese Übersicht von Mozarts Zauberflöte mit einem Hinweis auf Joachim Kaisers Bericht in seiner Bayern-IV-Rundfunkserie, Beethoven:  Werk und Wirkung, wonach Beethoven ihre Vielfalt sehr anregend fand.  Da solch ein Urteil wiederum nicht vom Himmel gefallen sein kann, wäre es vielleicht sehr interessant, Mozarts Einfluss und den Einfluss dieser Oper auf Beethoven hier gesondert zu verfolgen.

Diese Entdeckungsreise wird uns jedoch nicht in ein rasant durchfahrbares Flachland führen, sondern in eine hügelige Landschaft!  Der erste leichte Anstieg findet hierbei in Bonn statt, wenn der junge Beethoven mit Mozarts Werken vertraut wird, wenn ihm aber auch beinahe gleichzeitig dieses ehemalige Salzburger Wunderkind und der gegenwärtige junge Wiener Meister der Komposition als Vorbild zur Nacheiferung empfohlen wird, was wohl auch seine Neugierde und Vorfreude auf seine eigene Begegnung mit ihm nicht geschmälert haben mochte.  Ob sich wohl seine Wünsche und Vorstellungen erfüllt haben?  

Danach lesen wir wiederum gewisse prophetische Gönnerworte in seinem Abschiedsalbum, wenn wir ihn im Geist mit nach Wien begleiten und dort Ausschau halten, wie er dem Anspruch der Rolle als Mozarts Nachfolger gerecht zu werden versuchte, aber auch, wie er sich von dieser Rolle zu befreien versuchte, um seinen eigenen Weg zu gehen.

Was wird aus dieser Loslösung in bezug auf seine Beziehung zu Mozart hervorgehen?  Vielleicht hinterlässt sie weitere Wertschätzung und sogar gewisse Variationen, die hier von besonderem Interesse sein dürften!

Wie wird sich Beethovens Haltung zu Mozart während seiner reiferen Jahre im 19. Jahrhundert gestalten?  Wird er in seiner Beurteilung der größte Komponist bleiben?  Welche Haltung wird er zu ihm einnehmen, falls sich dies etwas ändert?  Wird sich sein Rollenverständnis 'unserer' hier besprochenen Mozartoper sogar auf sein Privatleben auswirken?  Dies sind einige der Fragen, denen wir hier nachgehen wollen.

 

Beethoven und Mozart während seiner Bonner Jahre

In unseren Biographischen Seiten diskutieren wir, dass Beethoven von 1780/81 an von seinem Lehrmeister, Christian Gottlob Neefe, intensiv gefördert wurde, und das sowohl am Klavier, in der Komposition, aber auch durch seine Einarbeitung als Cembalist am Bonner Hoftheater.  

In unserer Entstehungsgeschichte zu Beethovens Oper Fidelio stellen wir unseren Lesern eine Liste des Repertoires dieses Hoftheaters während dieser Jahre zur Verfügung.  Die Bonner Theatersaison 1782-1783 bot Beethoven Gelegenheit, mit Mozarts erstem deutschen Singspiel bekannt zu werden:  

"Listing of operatic works performed during the 1782/1783 Season:
.  .   .  Die Entführung aus dem Serail by W.A. Mozart" (Thayer: 32).

Interessant ist hierzu Barry Coopers Kommentar in seinem neuen Beethovenbuch, das 2000 erschien:  " . . .  and in 1782-3 the programmes included Mozart's recently written Die Entführung aus dem Serail.  Beethoven must have heard many of these performances and probably took part in them on the violin or viola" (Cooper: 6; auf die bereits von Thayer angeschnittene Aufführung von Mozarts Singspiel eingehend, kommentiert Cooper, dass Beethoven Gelegenheit hatte, viele dieser Aufführungen zu hören und dass er 'wahrscheinlich' an ihnen als Violinist oder Bratschist teilnahm).   Coopers vorsichtige Ausdrucksweise durch das Wort 'probably' mag darauf hinweisen, dass noch keine unwiderlegbaren Beweise dafür vorliegen, dass Beethoven bereits zu dieser Zeit im Bonner Hoforechester gelegentlich als Violinist oder Bratschist mitwirkte.  Ob sich hierzu wohl noch klärendes Material finden lassen wird?   

Im Frühjahr dieses Jahres brachte Neefe Beethoven direkt mit Mozarts Namen in Verbindung, und zwar in seinem Artikel vom 2. März 1783 in Cramers Magazin der Musik:<

"Louis van Beethoven, . . . ein Knabe von 11 Jahren, und von vielversprechendem Talent.  Er spielt sehr fertig und mit Kraft das Klavier, liest sehr gut vom Blatt, und um alles in einem zu sagen:  Er spielt größtenteils das Wohltemperierte Klavier von Sebastian Bach, welches ihm Herrn Neefe unter die Hände gegeben.  Wer diese Sammlung von Präludien und Fugen durch alle Töne kennt . . .  wird wissen, was das bedeute.  Herr Neefe hat ihm auch, sofern es seine übrigen Geschäfte erlaubten, einige Anleitung zum Generalbaß gegeben.  Jetzt übt er ihn in der Komposition, und zu seiner Ermunterung hat er 9 Variationen von ihm fürs Klavier über einen Marsch in Mannheim stechen lassen.  Dieses junge Genie verdiente Unterstützung, daß er reisen könnte.  Er würde gewiß ein zweiter Wolfgang Amadeus Mozart werden, wenn er so fortschritte, wie er angefangen" (Ley: 26; Schrägstellung des Texts durch die Websiteautorin).

Hierzu kommentiert Barry Cooper in seinem Beethoven-Buch:

"The wonderfully prophetic reference to Mozart is perhaps the most interesting remark of all.  It shows that Mozart was already a household name in Bonn as the archetypal young genius and already great composer, even though he was still only twenty-seven and most of his finest works had yet to be written; Mozart, not Haydn or even Bach, was held up as the model for Beethoven to emulate."

 (Cooper: 9; Cooper diskutiert hier den prophetischen Hinweis Neefes auf Mozart, der darauf hinweise, dass Mozart zu dieser Zeit in Bonn bereits sehr bekannt war, sowohl als Wunderkind als auch bereits als großer Komponist, obwohl seine größten Werke noch auf sich warten ließen, und dass Mozart, nicht Haydn oder Bach, Beethoven als Vorbild empfohlen wurde).

Der Tod des Bonner Kurfürsten Maximilian Friedrich am 15. April 1784, brachte mit seinem Nachfolger, dem Sohn Maria Theresias, Maximilian Franz, einen überzeugten Mozart-Anhänger nach Bonn.  Mozart selbst stand diesem Habsburger jedoch etwas kritischer gegenüber: 

"The brilliant, witty, shrewdly observant Mozart wrote to his father (November 17, 1781): 'To whom God gives an office he also gives an understanding.  This is really the case with the Archduke.  Before he became a priest he was much wittier and more intellectual and talked less, but more sensibly.  You ought to see him now!  Stupidity looks out of his eyes; he talks eternally, always in falsetto; he has a swollen neck--in a word, the man is completely transformed."

(Thayer: 74; hier wird in Thayer berichtet, dass der schlagfertige, aufmerksame Beobachter Mozart am 17. November 1781 in bezug auf Maximilian Franz an seinen Vater Leopold schrieb: 'Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verständnis.  Das ist wirklich der Fall mit dem Erzherzog.  Ehe er Priester wurde, war er viel schlagfertiger und viel intellektueller, und sprach weniger, aber geistreicher.  Du solltest ihn aber jetzt sehen!  Die Dummheit sieht ihm aus den Augen, er spricht unentwegt, und immer mit einer Fistelstimme; er hat einen geschwollenen Hals:--mit einem Wort, der Mann hat sich ganz verändert.")  




Kurfürst
Maximilian Franz

Der Mozartbiograph Otto Jahn hatte dies zu Maximilian Franz' Vorliebe für Mozart  zu sagen:  

" .  .   .   Mozart was everything to him; he signalized him at every opportunity and said, if he were Elector of Cologne, Mozart would surely be his Kapellmeister.  He had also suggested to the Princess [of Württemberg] that she appoint Mozart her music teacher, but received the reply that if it had rested with her she would have chosen him; but the Emperor (--'for him there is nobody but Salieri!' cried out Mozart peevishly--) had recommended Salieri because of the singing, and she had to take him, for which she was sorry.' . . .  Jahn gives no reason why Mozart was not engaged for Bonn at the time of Maximilian's succession.  Perhaps he would have been if Lucchesi had resigned in consequence of the reduction of his salary; but he kept his office of kapellmeister and could not very well be dismissed without cause.  Mattioli's resignation was followed by the call of Joseph Reicha to the place of concertmaster; but for Mozart no vacancy occurred at that time.  Maximilian was in Vienna during most of the month of October, 1785, and may have desired to secure Mozart in some way, but just at that time the latter was, as his father wrote, "over head and ears busy with the opera Le Nozze di Figaro."  Old Kapellmeister Bonno could not live much longer; which gave him hope, should the opera succeed, of obtaining a permanent appointment in Vienna.  In short, his prospects seemed just then so good that we need not be surprised at his determination--if he really should receive an offer from the Elector--to remain in the great capital rather than to take his young wife so far away from home and friends as the Rhine then was, and, in a manner, bury himself in a small town where so few opportunities would probably be given him for the exercise of the vast powers which he was conscious of possessing. . . .  Was it the good or ill fortune of the boy Beethoven that Mozart came not to Bonn?  His marvellous original talents were thus left to be developed without the fostering care of one of the very greatest of musical geniuses, and one of the profoundest of musical scholars; but on the other hand it was not oppressed, perhaps crushed, by daily intercourse with that genius and scholarship." 

(Thayer: 77-78; Jahn drückt hier aus, dass Mozart Maximilian Franz alles bedeutete und gesagt haben soll, wäre er Kurfürst von Köln, so würde er Mozart als Kapellmeister zu sich berufen.  Thayer berichtet weiter, dass er (Maz Franz) ihn als Lehrer für die Prinzessin von Württemberg empfohlen hatte, diese aber auf Anraten Kaiser Josephs II. Salieri nahm, dass Jahn aber keinen Grund angab, warum Max Franz Mozart dann nicht nach Bonn berief.  Jedoch hatte Bonn in Lucchesi bereits einen Kapellmeister, der nicht ohne weiteres entlassen werden konnte, und  sonst gab es für Mozart in Bonn keine andere, passende Stelle. Max Franz war im Oktober 1785 in Wien, stellte aber auch dann Mozart nicht ein.  Mozart sei zu dieser Zeit sehr mit seiner Oper, Figaros Hochzeit, beschäftigt gewesen und hegte wohl Hoffnungen, durch ihren Erfolg in Wien noch besser Fuß fassen zu können.   . . .  Thayer diskutiert danach noch kurz, ob Beethoven durch einen Kapellmeister Mozart in Bonn gefördert oder vielleicht in seiner eigenständigen Entwicklung gehemmt worden wäre.) 

In bezug auf Beethovens Kompositionsversuche dieser Zeit weist Cooper darauf hin, dass: 

"Mozart was by now undeniably the prime influence, and evidently remained his favourite composer until Beethoven encountered the music of Handel after Moving to Vienna. Neefe had already held up Mozart as a model in his printed notice of 1783, the year in which Beethoven must have heard Mozart's Entführung in Bonn. And reports of Mozart's piano concertos of the early 1780's could have prompted Beethoven to turn to the genre, although he would have had difficulty obtaining scores of them since they had not yet been published. In the Piano Quartet in E flat the allusion to Mozart is unmistakable. The model is the Violin Sonata in G, K. 379, composed and published in Vienna in 1781. . . . Beethoven begins his work with an Adagio theme almost identical to Mozart's. . . . ."

(Cooper: 16 - 17; Cooper berichtet hier, dass Mozarts Einfluss zu dieser Zeit zweiffellos der hauptsächliche kompositorische Einfluss auf Beethoven war, und dass Mozart erwiesenermaßen sein Lieblingskomponist blieb, bis er in Wien Händels Musik kennenlernte, dass Neefe Mozart Beethoven gegenüber bereits als Vorbild herausgestellt hatte in seinem 1783 veröffentlichten Artikel, dem Jahr in dem Beethoven auch die Entführung gehört haben muss, dass zudem auch Berichte von Mozarts Klavierkonzerten Bonn erreicht haben könnten, was Beethoven veranlasst haben könnte, sich diesem Genre zuzuwenden, obwohl er Schwierigkeiten gehabt haben würde, diese noch nicht veröffentlichten Partituren zu erhalten, dass aber im Klavierquartett in Es die Anspielung auf Mozart unbestreitbar sei, und dass Mozarts G-Dur-Violinsonate, KV 379, 1781 in Wien komponiert und veröffentlicht, Beethoven als Vorbild gedient habe. Beethoven, so Cooper, begann sein Werk mit einem Adagio-Thema, das fast identisch mit dem Mozarts war.)

Wenn wir dies recht bedenken, verwundert es uns nicht weiter, dass  Beethoven im Frühjahr 1787 nirgends anders als nach Wien geschickt wurde, um dort eventuell unter Mozarts Anleitung seine kompositorischen Fähigkeiten weiterzuentwickeln.   Werfen wir hier einen Blick auf Barry Coopers Zusammenfassung dieser Begegnung:  

"Beethoven set out from Bonn towards the end of March 1787, reaching Munich 1 April and Vienna about six days later (Easter Eve). No documents survive relating to the meeting of the two great composers--all we have is second-hand anecdotes of uncertain reliability. Mozart is reported to have been extremely impressed by Beethoven's extemporization, and to have told bystanders: 'Keep your eyes on him; some day he will give the world something to talk about.' . . . Ries says that Beethoven regretted never hearing Mozart play, but Czerny claims that Beethoven did hear him and that his playing was 'choppy', with no legato. Most likely, then, Beethoven heard Mozart's playing, perhaps during a theory lessen, but never attended a performance as such." 

(Cooper: 22; Cooper fasst hier zusammen, dass Beethoven Bonn Ende März 1787 verließ, München am 1. April erreichte und Wien etwa sechs Tage später, dass wir keine Dokumente dieser Begegnung haben, sondern nur sehr unzuverlässige Berichte und Anekdoten aus zweiter Hand. Mozart soll von Beethovens Improvisationskünsten sehr beeindruckt gewesen sein, und Anwesenden gegenüber geäussert haben, 'Auf den gebt acht, der wird noch von sich reden machen.' Ferdinand Ries habe berichtet, schreibt Cooper, dass Beethoven bedauert habe, Mozart nie spielen gehört zu haben, wohingegen Czerny behauptet habe, dass Beethoven ihn hörte und dass sein Spiel 'zerhackt' gewesen sei, ohne Legato. Cooper schließt daraus, dass Beethoven Mozart wahrscheinlich doch spielen hörte, aber höchstens in einer Theorielektion, nicht aber in einem Konzert.)

 



Beethoven im Alter
von 16 Jahren
(Scherenschnitt)



Cooper fragt sich weiter, ob Beethoven aus seiner kurzen Begegnung mit Mozart viel gewonnen haben mag, was er als nicht gewiss bezeichnet (Cooper: 22).  Er wirft aber danach auch noch eine weitere, sehr interessenante Frage auf:

" . . . And what about Mozart? Was his next work, the String Quintet in G minor (K. 516, completed in May), written in an ultra-serious vein due to his encounter with this earnest, forceful youth; and did he venture into the remote key of E flat minor in both the first and third movements of the quintet after being struck by Beethoven's impressive quartet movement in that key? Whatever their cause, all these effects can certainly be observed."

(Cooper: 22; hier fragt Cooper, ob nicht vielleicht auch Mozart durch seine Begegnung mit dem ernsten, kraftvollen jungen Beethoven beeinflusst worden sein könnte und wundert sich, ob er nicht vielleicht die seltene Es-Moll-Tonart im ersten und dritten Satz seines g-Moll-Streichquartetts, KV 516, das er im Mai 1787 fertigstellte, anwandte, nachdem er vielleicht einen Blick auf Beethovens beeindruckenden Quartettsatz in dieser Tonart werfen konnte).

Wenn auch der Eindruck, den Beethoven von Mozart während seines kurzen Wien-Aufenthalts von ihm gewinnen konnte, nicht so tiefgehend gewesen sein mag als wenn er länger hätte bleiben können und sich an der Seite Mozarts weiterbilden können, sollten sich ihm nach seiner Rückkehr nach Bonn einige Gelegenheiten bieten, mit Mozart weiter vertraut zu werden.  

Solch eine Gelegenheit bot sich Beethoven mit der Ankunft Graf Waldsteins, die Cooper auf Anfang 1788 legt (Cooper: 25).  Die Biographischen Seiten unserer Partnerwebsite, Beethoven:  The Magnificent Master, diskutieren die Beziehung Beethovens zu diesem Gönner im Kapitel Beethoven's later Bonn Years.  Dass diese neue Freundschaft auch aus einer lebendigen Diskussion und aus lebendigem Musizieren mozart'scher Musik bestanden haben mag, liegt auf der Hand.

Die Jahre 1789 und 1790 brachten, wie Barry Cooper berichtet, für Beethoven:

"Another stimulus to Beethoven's development came with the reopening of the opera theatre in Bonn in 1789. After Maximilian Franz had disbanded the theatre of his predecessor, temporary arrangements for a reduced season had been made in subsequent years, but now the activities were put on a firm footing again. Over a dozen operas were produced in the early months of 1789, including Mozart's Die Entfhrung and works by Salieri, Gretry, Cimarosa, and others, and the following season (13 October 1789 to February 1790) included Mozart's Le Nozze di Figaro and Don Giovanni, which had been composed as recently as 1786 and 1787 respectively. Beethoven would have participated in all these works as a member of the orchestra, and was thus able to experience some of the latest and greatest operatic works of the time. It is perhaps suprrpising that his own involvement in writing music for the stage was so slow to develop. He was, however, learning the dramatic power of such music, and would shortly put that understanding to good use."

(Cooper; 26; Cooper diskutiert hier, dass Beethovens Entwicklung in den Jahren 1789 und 1790 einen weiteren Stimulus erfuhr durch die Wiedereröffnung der Bonner Oper. Neben den Werken anderer Komponisten wie Salieri, Gretry, und Cimarosa seien auch Mozarts Opern, Die Entführung (aus dem Serail) (1789) sowie Le Nozze di Figaro und Don Giovanni (1790) zur Aufführung gelangt, und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach mit Beethoven als Orchestermitglied. Cooper argumentiert weiter dass, obwohl Beethovens Entwicklung als Komponist von Bühnenwerken langsam vor sich ging, er doch aus der dramatischen Kraft dieser Musik einiges lernen konnte, was er bald auch selbst anwenden würde).

 

Wer die Entstehungsgeschichte von Beethovens sogenannten Kaiserkantaten aus dem Jahr 1790 in unserer Beethovenwebsite gelesen hat, wird bereits wissen, worum es sich hier handelt!  Diejenigen von Ihnen, die sowohl Aufnahmen der Zauberflöte als auch jener Kaiserkantaten, der Josephs-Kantate  und der Leopold-Kantate haben, können darin nicht nur Beethovens Anwendung dessen, was er aus der dramatischen Kraft der Mozartopern lernen konnte, verfolgen, sondern auch vergleichen, wie hier, völlig unabhängig voneinander, zwei Komponisten verschiedenen Alters und verschiedener Entwicklungsstufen, beinahe zur gleichen Zeit, 1790 (Beethoven) respektive 1791 (Mozart), die Ideen der Aufklärung des josephinischen Zeitalters musikalisch zum Ausdruck bringen.  Was werden Sie wohl aus einem solchen Vergleich heraushören?  Ihrem eigenen Urteil soll daher hier nicht vorgegriffen werden!

Wozu Haydns Blick -- unter anderen ihm von Beethoven wohl vorgelegten Bonner Werken -- auf diese Kantaten führte, ist hier wohl bereits auch vielen nur flüchtig mit Beethovens Biografie Vertrauten klar:  zu Beethovens Übersiedlung nach Wien im Herbst 1792, um sich unter Haydn dem ernsten Kontrapunktstudium zu widmen.  Nachdem wir hier noch einmal Waldsteins berühmte Worte in Beethovens Abschiedsalbum überdenken,    

"Lieber Beethoven!  Sie reisen itzt nach Wien zur Erfüllung Ihrer so lange bestrittenen Wünsche.  Mozarts Genius trauert noch und beweinet den Tod seines Zöglings.  Bey dem unerschöpflichen Haydn fand er Zuflucht, aber keine Beschäftigung; durch ihn wünscht er noch einmal mit jemandem vereinigt zu werden.  Durch ununterbrochenen Fleiß erhalten Sie:  Mozarts Geist aus Hadyns Händen.  Bonn d. 29. Okt. 1792.  Ihr wahrer Freund Waldstein" (zitiert aus Waldsteins Facsimilekopie auf unserer Beethoven-Website). 

 



Graf Waldstein
(Scherenschnitt)


ist es vielleicht auch sehr erhellend, Barry Coopers abschliessenden Kommentar zu Beethovens letzten Bonner Jahren zu lesen:

"the image of Beethoven as Mozart's true successor was by now deeply entrenched in the collective Bonn psyche, including Waldstein's . . . "

(Cooper: 40; Cooper kommentiert hier, dass sich das Bild Beethovens als Mozarts wahrer Nachfolger zu dieser Zeit in der kollektiven Bonner Psyche sehr festgesetzt hatte, wie auch in Waldstein).

Wie Beethoven dieser schweren Rolle gerecht zu werden versuchte, werden wir im nächsten Abschnitt erkunden.

 

Beethoven und Mozart im Wien der frühen 1790-er Jahre

Falls Beethoven während seiner ersten Wochen in Wien genug Zeit hatte, hätte er erfahren können, dass, wie Thayer berichtet, "on November 23rd, Schikaneder announced, falsely, the one-hundredth performance of Die Zauberflöte . . .  " (Thayer: 151; Thayer berichtet hier, dass Schikaneder am 23. November 1792, wohl fälschlicherweise, die hundertste Aufführung der Zauberflöte ankündigte).  Beethovens Finanzlage erlaubte es ihm damals wohl kaum, sich selbst eine Eintrittskarte zu dieser Oper zu leisten, so dass sein eventuelles Kennenlernen derselben von der Grosszügigkeit eines seiner Gönner abhing.  Leider können wir eine solche Möglichkeit weder bestätigen noch gänzlich ausräumen.

Obwohl es hier vielleicht bereits naheliegend wäre, Beethovens Verhältnis zu Mozart zu dieser Zeit vom Standpunkt der ihm durch Waldstein prophezeiten Möglichkeit, "durch unermüdlichen Fleiss ... Mozarts Geist aus Haydns Händen" zu erhalten, zu untersuchen, bietet sich uns zuerst ein anderer Aspekt von Beethovens Entfaltung während seiner ersten Wiener Jahre zur Betrachtung an, nämlich seine Rolle als Klaviervirtuose und Improvisator.  Waren es doch gerade frühere Mozartverehrer und Gönner wie Fürst Lichnowsky und Baron Gottfried van Swieten, die Beethoven ihre Türen öffneten und ihm Gelegenheit gaben, sich vor einem ausgewählten Publikum als Klaviervirtuose und Improvisator zu bewähren.   Durch seinen frühen Erfolg auf diesem Gebiet gab uns Beethoven das Recht, uns wohl nicht zu gewagt zu äussern, wenn wir einräumen, dass er dadurch zumindest einen Teil jener Lücke, die Mozarts Tod in Wien hinterlassen hatte, zur Freude seiner Gönner und seiner Zuhörer auf seine Weise füllte.  Einzelheiten dazu finden Sie sowohl im Abschnitt Beethoven's Vienna Study Years der Beethoven-Biographie unserer Beethovenwebsite, aber auch in deren Entstehungsgeschichte zu Beethovens fünf Klavierkonzerten.

In der oben zuletzt zitierten Passage aus Barry Coopers Buch können wir auch seinen interessanten Kommentar zu Beethovens Versuch, Mozart auf kompositorischem Gebiet nachzueifern, lesen:

" . . . and it penetrated Beethoven's own mind to the extent that in his early years in Vienna he intensified his efforts to follow Mozart, copying out several passages from Mozart's music when working on similar compositions, and writing much music that shows unmistakable Mozartean influence. Meanwhile Haydn was rightly seen by Waldstein as a refuge rather than a home for Mozart's spirit. Haydn had been a close friend of Mozart, and they had shared many ideals. but Haydn had his own very different spirit and, being much older than Mozart, was not suitable as an heir to him. What Waldstein could perhaps not perceive was that Beethoven, too, had a strong and independent spirit that was different from Mozart's that he could never thoroughly absorb it"

(Cooper: 40; Cooper schreibt hier, dass Beethovens Denken und Arbeiten in seinen ersten Wiener Jahren so sehr von der ihm auferlegten Nachfolgerrolle Mozarts erfüllt war, dass er ihr mit gesteigertem Eifer gerecht zu werden versuchte und mehrere Passagen aus Mozarts Werken kopierte, wenn er an ähnlichen Kompositionen arbeitete und dass er Musik schrieb, die Mozarts Einfluss auf ihn sehr deutlich widerspiegelte. Waldstein habe, argumentiert Cooper weiter, Haydn sehr richtig nur als Zufluchtsort für Mozarts Geist gesehen, nicht aber als seine neue Heimat. Er sei eng mit Mozart befreundet gewesen, habe mit ihm viele gemeinsame Ziele verfolgt, sei aber zu alt gewesen, um sein Nachfolger zu werden. Auch habe Haydn seinen ganz eigenen Geist gehabt, und Waldstein hatte wohl auch nicht ahnen können, dass auch Beethoven einen sehr starken, unabhängigen Geist etwickeln würde, der sehr verschieden vom Geist Mozarts war und den er deshalb auch nie ganz in sich aufgehen lassen konnte).

Dass sich seine sehr wahrscheinliche Teilnahme an den Aufführungen der Mozartopern in Bonn in den Jahren 1789 und 1790 als Orchestermitglied auch im direkten Zusammenhang mit einem dieser Werke auswirken würde, beweisen die Variationen zu 'Se vuol ballare' aus Mozarts Oper Die Hochzeit des Figaro, die Beethoven bereits in Bonn begonnen hatte und 1793 in Wien fertigstellte (Cooper: 44). Cooper berichtet, dass Beethoven sich sogar wegen steigender Nachfrage gezwungen sah, sie drucken zu lassen, und zwar Ende Juli 1793, als sein 'Opus 1' (laut Thayer 1793 bei Artaria erschienen war, das Eleonore von Breuning gewidmet ist [Thayer: 179]). Es handelt sich dabei um jene Variationen, die Beethoven auch an seine Bonner Freundin Eleonore von Breuning sandte. Zitieren wir hier daher aus seinem Brief vom 2. November 1793 an sie:

"Sie erhalten hier eine Dedikation von mir an Sie, wobei ich nur wünschte, das Werk sei größer und Ihrer würdiger. Man plagte mich hier um die Herausgabe dieses Werkchens, und ich benutzte diese Gelegenheit, um Ihnen, meine verehrungswürdige E[leonore], einen Beweis meiner Hochachtung und Freundschaft gegen Sie und eines immerwährenden Andenkens an Ihr Haus zu geben. Nehmen Sie diese Kleinigkeit hin, und denken Sie dabei, sie kömmt von einem Sie sehr verehrenden Freunde. . . ."

"P. S.
Die V[ariationen] werden etwas schwer zum Spielen sein, besonders die Triller in der Coda, das darf Sie aber nicht abschrecken; es ist so veranstaltet, daß Sie nichts als den Triller zu machen brauchen, die übrigen Noten lassen Sie aus, weil sie in der Violinstimme auch vorkommen. Nie würde ich so etwas gesetzt haben, aber ich hatte schon öfters bemwerkt, daß hier und da einer in W[ien] war, welcher meistens, wenn ich des Abends fantastiert hatte, des andern Tages viele von meinen Eigenheiten aufschrieb und sich damit brüstete; weil ich nun voraus sah, daß bald solche Sachen erscheinen würden, so nahm ich mir vor, ihnen zuvorzukommen. Eine andere Ursache war noch dabei, nämlich: die hiesigen Klaviermeister in Verlegenheit zu sehen; manche davon sind meine Todfeinde, und so wollte ich mich auf diese Art an ihnen rächen, weil ich voraus wußte, daß man ihnen die V[ariationen] hier und da vorlegen würde, wo die Herren sich dann übel dabei produzieren würden.

Beethoven" (Schmidt: 6 - 7; hier sei zum "P.S." bemerkt, dass dieses wohl zu seinem zweiten Brief an  Eleonore von Breuning vom Juni 1794 gehört, in dem sich Beethoven für die von ihr daraufhin erhaltene Halsbinde bedankt).

Dieser Korrespondenz Beethovens verdanken wir eine Bestätigung seiner Arbeit an diesen Variationen, aber auch einen Einblick in seinen Konkurrenzkampf mit den "Wiener Klaviermeistern", von denen einige seiner eigenen Aussage nach seine "Todfeinde" gewesen seien. Bestätigt dies nicht auch unsere Vermutung, dass Beethoven als Klaviervirtuose und Improvisator die durch Mozarts Tod hinterlassene Lücke auf seine eigene Weise zu schliessen wusste?

Während Beethoven also seinen Erfolg, aber auch die Last seines Erfolgs als Klaviervirtuose zu tragen hatte und während er sich unter Haydn und später unter Albrechtsberger dem ernsthaften Kontrapunktstudium unterzog, arbeitete er auch an der Vollendung seines wohl bereits in Bonn begonnenen Klavierkonzerts Nr. 2, von dem, wie wir in unserer Beethovenwebsite und ihrer Entstehungsgeschichte der beethoven'schen Klavierkonzerte berichten, Thayer vermutet, dass er es anlässlich seines ersten öffentlichen Konzertauftritts als Berufskomponist in Wien am 29. März 1795 spielte.  Von Mozarts Einfluss auf dieses Konzert schreibt Cooper:  

"The second movement is a wonderfully profound Adagio. Beginning very simply, it makes great use of dynamic contrasts and Mozartean expressive appoggiaturas. The piano part becomes increasingly decorative, again in a Mozartean manner, but in the recapitulation the decoration is so elaborate that it far surpasses anything in Mozart's concertos"

(Cooper: 44; Cooper schreibt hier, dass der zweite Satz ein wunderbar tiefsinniges Adagio sei, das einfach beginne und dynamische Kontraste und mozart-inspirierte, ausdrucksvolle Appoggiaturas sehr gut einsetze, dann immer dekorativer werde, und dies auch auf mozart'sche Weise, dass aber die Verzierungen in der Rekapitulierung so ausführlich seien, dass sie jene Mozarts weit hinter sich liessen).

Denken wir einmal etwas über Coopers Beschreibung und das, worauf sie hinweist, nach: Liegt nicht in der von ihm beschriebenen Dynamik dieses Adagios auch die ganze Dynamik von Beethovens Versuch, auf der einen Seite seinem grossen Vorbild nachzueifern, auf der anderen Seite aber auch bereits seinen eigenen Weg zu gehen?

Dass Beethoven bald nach seinem ersten eigenen Auftritt auch auf andere Weise seine Verehrung für Mozart zum Ausdruck bringen konnte, beweist seine Teilnahme am Benefizkonzert Konstanze Mozarts am 31. März 1795, in dem, wie Thayer berichtet,  

"Mozart's widow arranged a performance of La Clemenza di Tito in the Burgtheater.  'After the first part,' says the advertisement, 'Hr. Ludwig van Beethoven will play a Concerto of Mozart's composition on the Pianoforte'"

(Thayer: 175; Thayer berichtet hier, dass Mozarts Witwe eine Aufführung seiner Oper La Clemenza di Tito im Burgtheater arrangiert hatte und dass die Anzeige ankündigte, dass Beethoven nach dem ersten Akt ein Konzert Mozarts auf dem Klavier spielen werde).

Dies zeigt uns, dass Beethoven während seiner ersten Wiener Studienjahre Mozart auf der einen Seite bereits als erfolgreicher Klaviervirtuose zu 'ersetzen' begann, während er sich in seinen Kompositionsversuchen zwar noch oft an sein Vorbild anlehnte, aber auch bereits  seine eigene, intensivere musikalische Ausdrucksweise fand.

 

Mozart und Beethoven als erfolgreicher jüngerer Komponist

Nachdem Beethoven 1795 in Wien auch öffentlich als Komponist und Klaviervirtuose hervortrat und sich als solcher durch seine Erfolge etablierte, wandte er sich, wie wir bereits aus den Biographischen Seiten und den verschiedenen Entstehungsgeschichten unserer Beethoven-Partnersite wissen, 1796 einer intensiven Reisetätigkeit zu.  Coopers Anmerkung dazu fasst dies sehr gut zusammen und stellt auch relevante Beziehungen zu Mozarts Erbe her:    

"The itinerary of his first and longest tour involved a northward journey to Prague, Dresden, Leipzig, and Berlin, and was clearly planned in conjunction with Lichnowsky.  The prince had accompanied Mozart on a tour to precisely these four cities in 1789, and now went with Beethoven as far as Prague.  Although the route was chosen largely for practical reasons, the symbolic nature of Beethoven inheriting Mozart's mantle by undertaking an identical tour should not be overlooked"

(Cooper:  62; Cooper schreibt hier, dass Beethovens Reiseroute Prag, Dresden, Leipzig und Berlin mit einbezog und eindeutig mit Lichnowsky geplant war, der Mozart im Jahr 1789 in die selben Städte begleitet hatte, nun aber mit Beethoven nur bis Prag reiste.  Weiter bemerkt Cooper, dass, obwohl die Route hauptsächlich aus praktischen Gründen gewählt wurde, ihre Symbolik in bezug auf Beethovens Rolle als Erbe Mozarts nicht übersehen werden sollte).

Sowohl Cooper als auch Thayer berichten über Beethovens Prager Erfolg, der nicht zuletzt durch die ihm durch seinen Begleiter, Fürst Lichnowsky, gebotenen Kontakte zu Prager Gönnern Mozarts in die Wege geleitet wurde.  Unter den verschiedenen Kompositionen, die Beethoven in Prag für seine dortigen Gönner schrieb, heben beide die Szene Ah! perfido hervor (Thayer: 183, Cooper:  63), die einige Jahre später ohne Opusnummer veröffentlicht wurde, jedoch später als op. 65 ihren Platz unter Beethovens Werken fand.  Die Prager Sängerin und frühere Mozart-Freundin, Josepha Duschek, sang diese scena am 21. November 1796 in Leipzig, obwohl Cooper einräumt, dass sie sie vielleicht auch in Prag während Beethovens Anwesenheit sang, da es seiner Meinung nach sonst schwer für sie gewesen wäre, die Partitur für ihre Leipziger Darbietung zu erhalten.   

 



Josepha Duschek



In bezug auf das Werk selbst hat Cooper das Folgende zu sagen:

"Mozart's influence is apparent almost throughout--far more so than in the Trios, Op. 1 or the Sonatas, Op. 2.  Mozart was particularly highly esteemed in Prague, and had even written a similar scena himself for Josepha Dussek in 1787 ('Bella mia fiamma', K. 528).  Perhaps, then, Beethoven was deliberately aping Mozart's style to please his own patrons.  Only in the rather prolonged coda does Beethoven's personal voice begin to show through clearly;  and the way he turns the opening motif of the second part of the aria . . . into a closing motif in the orchestral postlude . . . is also highly characteristic of him . . . " 

(Cooper: 63; Cooper schreibt hier, dass Mozarts Einfluss  beinahe im ganzen Werk zu spüren sei, und zwar in einem weit höheren Maß als in seinen Trios, op. 1 oder seinen Sonaten, op. 2, dass Mozart in Prag besonders geschätzt wurde und selbst eine ähnliche scena für Josepha Duschek geschrieben hatte, nämlich 'Bella mia fiamma', KV 528, im Jahr 1787, und dass Beethoven daher vielleicht Mozarts Stil ganz bewusst nachgeahmt hatte, um seinen Gönnern zu gefallen.  Erst in der langen Coda, schreibt Cooper, mache sich Beethovens eigener Einfluss klar deutlich, besonders in der Art, in der er die Eröffnung des zweiten Teils der Arie gestaltet, indem er sie als Schlussmotiv des Orchesternachklangs einbaute, was für ihn sehr charakteristisch sei).

Cooper weist auch auf das Es-Dur-Quintett für Klavier und Bläser, op. 16, hin, das Beethoven wohl ihn Berlin fertigstellte; er führt als Beweis dafür an, dass die Skizzen für alle drei Sätze dieses Werks auf dem Papier geschrieben wurden, das er in Berlin benutzte und weist auf den starken Einfluss Mozarts auf dieses Werk hin, zu dem Mozarts Quintett für Klavier und Bläser, KV 452, oft als Modell beschrieben wird. Cooper räumt jedoch ein, dass es nicht feststeht, wie gut Beethoven dieses Mozartwerk kannte, da es zu dieser Zeit noch nicht veröffentlicht war, und dass Beethoven eigentlich für die Komposition eines solchen Werks dieses Mozart-Werk nicht als Vorlage brauchte. Trotz des allgemeinen Mozart-Einflusses auf dieses Werk habe Beethoven dem ersten Satz seines Werk andere Proportionen verliehen mit einer besonders langen Entwicklung und Coda, welche die kleineren Coda Mozarts eindeutig in den Schatten stellten (Cooper: 66-67).

Somit dürfte feststehen, dass Beethoven auf seiner ersten, großen Reise des Jahres 1796 Mozart nicht nur 'im Reisegepäck' dabei hatte, sondern ihm auch ostentativ nacheiferte, aber trotz allem Mozart-Einfluss auch seine eigene Sprache zu sprechen wusste.

Dass Mozart während dieser Zeit nie ganz aus seinem Schaffen abwesend war, mögen auch die Variationen auf La ci darem la mano aus Mozarts Oper Don Giovanni für zwei Oboen und englisches Horn, WoO 28, beweisen (Thayer: 202).

Obwohl Beethoven auch 1798 noch einmal nach Prag reiste und dort mehrere Male öffentlich auftrat, darf doch sein Schaffen der Jahre 1797 'bis Heiligenstadt' im Herbst 1802 hauptsächlich als sein Streben danach angesehen werden, sich nach und nach alle Kompositionsgattungen zu erobern und in ihnen erfolgreich zu sein.  In diesem Streben darf es als natürlicher Vorgang angesehen werden, dass die Entwicklung seiner eigenen musikalischen Sprache Vorrang über die Einflüsse seiner klassischen Lehrer Mozart und Haydn gewinnen würde. 

Dass jedoch daneben sein Virtuosentum und seine Improvisationskunst nicht erschlaffen würde, dürfen wir sowohl seinem künstlerischen Ausdruckswillen als auch dem langsamen Voranschreiten seines Gehörverlusts zuschreiben, der zwar etwa um 1797 seinen Anfang fand, ihm aber erst in den Jahren 1801/1802 in der uns bekannten Weise zu schaffen machen würde.    

Betrachten wir uns doch seine weitere Entwicklung während dieser Jahre und sein Verhältnis zu Mozart unter diesen Gesichtspunkten.  Der Prager Wenzel Tomaschek wusste dies über den 1798 dort auftretenden Komponisten und Virtuosen Ludwig van Beethoven und sein Verhältnis zu Mozart zu berichten:

"Beethoven, the giant among pianoforte players, came to Prague.  He gave a largely attended concert in the Konviktsaal, at which he played his Concerto in C major, Op. 15, and the Adagio and graceful Rondo in A major from Op. 2, and concluded with an improvisation on a theme from Mozart's Titus (duet no. 7), Beethoven's magnificent playing and particularly the daring flights in his improvisation stirred me strangely to the depth of my soul; indeed I found myself so profoundly bowed down that I did not touch my pianoforte for several days .  .  .  "

(Thayer: 207; Thayer lässt Tomaschek hier berichten, dass 'Beethoven, der Gigant unter den Pianofortespielern, nach Prag kam. Er gab ein sehr gut besuchtes Konzert im Konviktsaal, bei dem er sein C-Dur-Konzert, op. 15, und das Adagio sowie das graziöse A-Dur-Rondo aus op. 2 spielte, und er schloss das Konzert mit einer Improvisation zu einem Thema aus Mozarts 'Titus', dem Duett Nr. 7, ab. Beethovens großartiges Spiel und besonders die waghalsigen Sprünge in seiner Improvisation berührten mich ganz eigenartig bis auf den Grund meiner Seele. Ich fühlte mich dadurch tatsächlich so niedergebeugt, dass ich mein Klavier tagelang nicht anfasste).

"The singular and original seemed to be his chief aim in composition, as is confirmed by the answer which he made to a lady who asked him if he often attended Mozart's operas, 'I do not know them,' he replied, 'and do not care to hear the music of others lest I forfeit some of my originality'"

(Thayer: 208; "Das Einzigartige und das Originale schienen das Hauptziel seiner Komposition, was auch durch seine Antwort bestätigt wird, die er einer Dame gab, die ihn fragte, ob er sich oft Mozarts Opern ansehe, 'Ich kenne sie nicht', antwortete er, 'und ich möchte die Musik anderer nicht hören, damit ich meine Originalität nicht verliere').

Selbst im Klavierspiel Beethovens, der in den späten 1790-er und frühen 1800-er Jahren hierin in Wien nicht mehr ohne Konkurrenz blieb, bildeten sich Faktionen seiner Anhänger gegen jene seiner Konkurrenten, wobei die letzteren allen Berichten zufolge mehr der Tradition, also auch mehr einem Spiel im Sinne Mozarts, verhaftet waren als Beethoven:

"It was no longer the case that Beethoven was without a rival as pianoforte virtuoso.  He had a competitor fully worthy of his powers; one who divided about equally with him the suffrages of the leaders in the Vienna musical circles.  In fact the excellencies peculiar to the two were such and so different, that it depended upon the taste of the auditor to which he accorded the praise of superiority, Joseph Wölffl of Salzburg, two years younger than Beethoven, a "wonder-child", who had played a violin concerto in public at the age of seven years, was a pupil of Leopold Mozart and Michael Haydn.  Being in Vienna, when but eighteen years old, he was engaged, on the recommendation of Mozart, by the Polish Count Oginsky, who took him to Warsaw.  His success there, as pianoforte virtuoso, teacher and composer, was almost unexampled.  But it is only in his character as pianist that we have to do with him; and a reference may be made to the general principle, that a worthy competition is the best spur to genius.  When we read in one of his letters Beethoven's words "I have also greatly perfected my pianoforte playing," they will cause no surprise; for only by severe industry and consequent improvement could he retain his high position, in the presence of such rivals as Wölffl and, a year or to later, J.B. Cramer.  A lively picture of Wölffl by Tomaschek, who heard him in 1799, in his autobiography sufficiently proves that Wölffl's party in Vienna was composed of those to whom extraordinary execution was the main thing; while Beethoven's admirers were of those who had hearts to be touched. ..."

(Thayer: 204-205; Thayer berichtet hier, dass Beethoven zu dieser Zeit nicht mehr ohne Rivalen als Klaviervirtuose war, sondern einen Konkurrenten hatte, der ihm ebenbürtig war, nämlich Joseph Wöllfl aus Salzburg, ein ehemaliges Wunderkind und Schüler Leopold Mozarts und Michael Haydns, zwei Jahre jünger als Beethoven, und im Alter von achtzehn Jahren von Mozart an den polnischen Grafen Oginsky in Warschau weiterempfohlen, wo er sehr erfolgreich war als Klaviervirtuose, Lehrer und Komponist, dass hier aber nur seine Fähigkeiten als Klaviervirtuose zur Debatte stünden.  Wenn man also, so Thayer, in Beethovens Briefen lesen könne, dass er sein Klavierspiel wesentlich verbessert habe, sei dies keine Überraschung, sondern ganz natürlich, denn nur durch ständige Übung konnte er seine Position gegen solche Konkurrenten behaupten.  Thayer berichtet weiter, dass Tomaschek, der Wöllfl 1799 hörte, ihn sehr lebhaft in seiner Autobiografie beschrieb und dass diese Beschreibung auch darauf hinweise, dass Wölffls Anhänger in Wien jene waren, denen Exaktheit der Ausführung am meisten am Herzen lag, während Beethovens Anhänger jene waren, deren Herzen durch das Klavierspiel bewegt wurden.  Als weiteren Konkurrenten erwähnt Thayer auch noch J.B. Cramer).

Wie weit die von Thayer in seiner Biografie gebrachte Anekdote in allen Einzelheiten den Tatsachen entspricht, ist nachträglich nicht mehr festzustellen.  Sollte ihr Kern jedoch wahr sein, so böte sie einen sehr positiven Einblick in Beethovens Verhältnis zu Mozarts Fähigkeiten als Komponist:

"Cramer's widow communicates a pleasant anecdote.  At an Augarten Concert the two pianists were walking together and hearing a performance of Mozart's pianoforte Concerto in C minor (K 491); Beethoven suddenly stood still and, directing his companion's attention to the exceedingly simple, but equally beautiful motive which is first introduced towards the end of the piece, exclaimed:  'Cramer, Cramer!  we shall never be able to do anything like that!'  As the theme was repeated and wrought up to the climax, Beethoven, swaying his body to and fro, marked the time and in very possible manner manifested a delight rising to enthusiasm"

(Thayer: 209; Thayer schreibt hier, dass J.B. Cramers Witwe eine charmante Anekdote überlieferte, der zufolge ihr Gatte und Beethoven anlässlich eines Augartenkonzerts in Wien ein Klavierkonzert Mozarts hörten. [Ob es sich dabei wirklich um das c-Moll-Konzert, KV 491 handelte, ist nicht erwiesen]. Beethoven soll plötzlich stillgestanden haben und seinen Begleiter auf das sehr einfache, aber auch sehr schöne Motiv gegen Ende des Stücks aufmerksam gemacht haben, und dabei soll er geäussert haben, 'Cramer, Cramer! So etwas werden wir nie schaffen!' Als das Thema dann wiederholt wurde und zum Höhepunkt führte, habe sich Beethoven im Stehen hin- und hergewiegt und den Takt mitgeschlagen und auf alle mögliche Art seinen Gefallen an dieser Musik kundgetan, der sich in helle Begeisterung gesteigert habe).

Beethovens Komposition der Variationen für Pianoforte und Violoncello auf Ein Mädchen oder Weibchen aus Mozarts Zauberflöte, wohl ein Gelegenheitswerk, stand einer solchen Begeisterung für Mozarts Musik bestimmt auch nicht im Wege. Thayer führt an, dass diese 1798-99 entstanden (Thayer: 217) und bei Traeg erschienen seien (Thayer: 218).

Wie bereits oben diskutiert, begann sich während und durch Beethovens allmähliche(r) Eroberung aller Kompositionsgattungen, besonders aber bei der des Steichquartetts und der Symphonie, die Eigenheit seiner musikalischen Sprache mehr und mehr herauszubilden, während seine Anlehnung an seine klassichen Vorbilder Mozart und Haydn ebenso allmählich in den Hintergrund trat.  Wie wir bereits aus dem ersten Teil der Entstehungsgeschichte der Streichquartette unserer Beethoven-Partnerwebsite wissen, schrieb Beethoven seine unter op. 18 zusammengefassten sechs Streichquartette während dieser Zeit.  Zu ihrer Entwicklung und zu der der Ersten Symphonie schreibt Cooper einleitend:

"Thus a serious composer such as Beethoven could not approach either genre without due preparation if he hoped to succeed at the highest artistic level rather than produce mere works of entertainment.  Here it was a question of inheriting Haydn's spirit more than Mozart's (although the situation is complicated by the fact that Mozart's later quartets and symphonies were partly inspired by Haydn's example)"

(Cooper: 78; Cooper schreibt hier, dass ein ernsthafter Komponist wie Beethoven diese Kompositionsgattungen nicht ohne gründliche Vorbereitung angehen konnte, wenn er damit erfolgreich zu sein wünschte und nicht nur Unterhaltungswerke schreiben wollte und dass es hier wichtiger gewesen sei, Haydns Geist in sich aufzunehmen als Mozarts Geist, obwohl dies nicht ganz unkompliziert sei, da Mozarts späte Quartette und Symphonien auch von Haydn beeinflusst waren).

Somit räumt Cooper ein, dass in der hier diskutierten Entwicklung Mozarts Geist eine geringere Rolle spielen sollte als Haydns Geist.  Selbstverständlich würde es hier zu weit führen, alle diese Werke auf ihre Einflüsse durch Mozart und Haydn genauestens zu untersuchen, um diese Behauptung zu bestätigen oder zu widerlegen.  Jedoch führt sie uns dazu, darüber nachzudenken, ob es nicht doch Mozarts Einfluss war, der noch vor dem Haydns allmählich in den Hintergrund zu treten begann.

Ein weiteres Problem dieser Zeit war, dass viele Wiener Zeitgenossen Beethovens sich nicht vorstellen konnten, dass irgendein Musiker über die klassischen Vorbilder hinauswachsen können würde.  Zitieren wir dazu Thayer:

".  .  .   The older generation of musical amateurs at Vienna, van Swieten and his class, had accepted the young Bonn organist and patronized him, as a pianist.   But when Beethoven began to press his claims as a composer, and, somewhat later, as his deafness increased, to neglect his playing, some of the elder friends had passed away, others had withdrawn from society, and the number was few of those who, like Lichnowsky, could comprehend that departures from the forms and styles of Mozart and Haydn were not necessarily faults.  With the greater number, as perfection necessarily admits of no improvement and both quartet and symphony in form had been carried to that point by Haydn and Mozart, it was a perfectly logical conclusion that further progress was impossible.    They could not perceive that there was still room for the invention or discovery of new elements of interest, beauty, power; for such perceptions are the offspring of genius.  With Beethoven they were instinctive"

(Thayer: 241; Thayer argumentiert hier, dass die ältere Generation der Wiener Musikfreunde, van Swieten und seine Klasse, den jungen Bonner Organisten als Pianisten willkommen hiessen und unterstützen.  Als Beethoven aber dann danach strebte, sich als Komponist durchzusetzen, und noch etwas später als er, da sich sein Gehörverlust verschlimmerte, sein Spiel vernachlässigte, und als einige der älteren Freunde starben und andere sich aus der Gesellschaft zurückgezogen hatten, es wenige gab die, wie etwa Fürst Lichnowsky, verstehen konnten, dass Abweichungen von der klassischen Form und vom klassischen Stil Haydnns und Mozarts nicht unbedingt Fehler waren.  Für die Mehrzahl der Musikfreunde, argumentiert Thayer weiter, konnte deren Perfektion nicht überboten werden und für sie war es sehr logisch, dass ein Fortschritt über sie hinaus nicht möglich war.  Sie konnten nicht verstehen, dass noch Raum vorhanden war für die Entdeckung neuer interessanter Elemente, neuer Schönheiten, neuer Kräfte, da solch ein Vorstellungsvermögen Genie verlangte.  Bei Beethoven, argumentiert Thayer, war diese Vorstellung instinktiv). 

Nichtsdestotrotz habe, berichten sowohl Thayer (Seite 255) als auch Cooper (Seite 90),  Beethoven sein Benefizkonzert vom 2. April 1800, zu dessen Anlass er drei seiner eigenen Werke, das Septett, die Erste Symphonie und eines seiner Klavierkonzerte aufführte, dieses Konzert mit einer Mozart-Symphonie eingeleitet und in ihm auch zwei Sätze aus Haydns Schöpfung zur Aufführung gebracht.  Somit können wir trotz allem Vorwärtsstreben Beethovens in seinen eigenen grossen Werken der Zeit vor Heiligenstadt auch seine weitere Verbundenheit zur Wiener Klassik verfolgen.  Zur Entwicklung seines Kompositionsstils nach Heiligenstadt kommentiert Cooper jedoch wie folgt:  

" . . . Nevertheless, the works written immediately after Heiligenstadt can be seen as more profoundly innovative, pointing in new directions and moving much further away from the legacy of Haydn and Mozart"

(Cooper: 122; Cooper argumentiert hier, dass Beethovens Werke, die unmittelbar nach Heiligenstadt entstanden seien, in vertieftem Masse erfinderisch seien und in neue Richtungen wiesen, und weiter vom Erbe Haydns und Mozarts entfernt seien).

Vielleicht ist dies der richtige Zeitpunkt in unserer Betrachtung, uns hier etwas ausführlicher dem Thema von Beethovens Kenntnis und Verhältnis zur Zauberflöte zuzuwenden.  Aufgrund seiner 1798-99 komponierten und verlegten Variationen zu Papagenos Arie, Ein Mädchen oder Weibchen aus dem zweiten Akt dürfen wir annehmen, dass Beethoven diese Oper in Wien zu dieser Zeit durch mehrere Aufführungen bereits gut kannte.   Zitieren wir hier Thayer in bezug auf seinen Besuch von Schikaneders Vorstadttheater: 

"Some two weeks after Beethoven's arrival in Vienna, on November 23rd, Schikaneder announced, falsely, the one-hundredth performance of Die Zauberflöte, an opera the success of which placed his theatre a few years later upon a totally different footing, and brought Beethoven into other relations to it than those of an ordinary visitor indulging his taste for the comical and, according to Seyfried, listening to and heartily enjoying very bad music"

(Thayer: 151; Thayer berichtet hier, dass Schikaneder etwa zwei Wochen nach Beethovens Ankunft in Wien, am 23. November 1792, wohl fälschlicherweise, die einhundertste Aufführung der Zauberflöte ankündigte, deren Erfolg das Theater einige Jahre später auf eine solche Basis stellte, die Beethoven mit ihm in andere Beziehungen als die eines gewöhnlichen Theaterbesuchers brachte, der dort seinem Geschmack für das Komische frönte (und laut Seyfried dort mit herzhaftem Vergnügen sehr schlechter Musik lauschte).

Wie wir sehen, diskutiert Thayer hier zweierlei, nämlich zum Einen Beethovens Bekanntschaft mit Schikaneders Freihaustheater auf der Wieden, und zum anderen seine spätere Beziehung zu Schikander und dessen neuem, 1801 eröffneten Theater an der Wien.  Hören und sehen wir uns doch hier noch einmal den kurzen Filmausschnitt dazu an:


Ein kleiner Filmausschnitt zum 200. Geburtstag des Theaters an der Wien
aus: 3SAT; Sprecher: Marcel Prawy
WMV-Video 1.624 KB (Media Player 7 Download)

Dass Beethoven vermutlich auch mit den Aufführungen der Zauberflöte des Jahres 1801 vertraut war, lässt diese Anmerkung der Forbes'schen Thayer-Ausgabe vermuten:

"In his Verzeichnis, Thayer lists as Item 81 the 7 Variations for Pianoforte and Violoncello on the theme "Bei Männern, welche Liebe Fühlen" (from Mozart's Die Zauberflöte), and dates it 1801 (?)  He notes (p. 42):  "The performance of Die Zauberflöte in the Court Theatre (beginning of 1801), produced by Schikaneder in the new Theater-an-der-Wien, which was repeated for a few months thereafter (to great effect) made this opera the subject of common gossip and was the apparent cause for the above variations."  ...  "The compositions for the year were:  1801. ...  Variations for Pianoforte and Violoncello on "Bei Männern, welche Liebe Fühlen" from Mozart's Die Zauberflöte, WoO 46"

(Thayer: 298; Hier wird erörtert, dass der Beethovenforscher Thayer in seinem Verzeichnis unter Nr. 81 Beethovens Sieben Variationen für Klavier und Violoncello zum Thema Bei Männern, welche Liebe fühlen, dem Duett Paminas und Papagenos aus dem ersten Akt, aufführte und dazu die Jahreszahl 1801 mit einem Fragezeichen hinzusetzte. Weiter wird besprochen, dass die Aufführung dieser Oper anfang 1801 im Hoftheater, produziert von Schikaneder im  Theater an der Wien   und einige Monate später nochmals mit grossem Erfolg wiederholt, zum Gesprächsstoff der Gesellschaft machte und wahrscheinlich auch zu Beethovens Komposition der Variationen führte, die Thayer auch unter diesem Jahr aufführt).

Wir dürfen darauf hinweisen, dass wir zu dieser in bezug auf die verschiedenen Aufführungen von Mozarts Oper in diesem Jahr wenig erhellenden Ausführung einen weiteren Kommentar (Treitschkes) bringen werden.  Thayer führt weiter an, dass diese Varationen 1802 in Wien bei Mollo erschienen (Thayer: 323).

Aus der Entstehungsgeschichte von Beethovens Oper Fidelio, die wir sowohl in diese Opernwebsite mit eingegliedert haben als auch auf unserer Beethoven-Partnerwebsite anbieten, sind wir bereits mit Beethovens Verhältnis zum Theater an der Wien in diesem Zusammenhang vertraut.  Es schadet aber vielleicht trotzdem nicht, sowohl Coopers als auch Thayers Anmerkungen dazu zu betrachten, da uns besonders diejenigen Thayers auch wieder zur Zauberflöte zurückführen: 

"Around the beginning of 1803 Beethoven was appointed as composer at the Theater an der Wien, the main independent theatre in Vienna, where the directorate, led by Emanuel Schikaneder (librettist of The Magic Flute) wanted him to write an opera"

(Cooper: 124; Cooper berichtet hier, dass Beethoven Anfang 1803 vom Theater an der Wien als Theaterkomponist angestellt wurde, dem wichtigsten unabhänigigen Wiener Theater, das von Emanuel Schikaneder, dem Librettisten der Zauberflöte geleitet wurde, damit er für sein Theater eine Oper schreibe).

"For a background to these negotiations let Treitschke, a personal actor in the scenes, explain:  "On February 24, 1801, the first performanace of Die Zauberflöte took place in the Royal Imperial Court Theatre beside the Kärtnerthor.  Orchestra and chorus as well as the representatives of Sarastro (Weinmüller), the Queen of Night (Mme. Rosenbaum), Pamina (Demoiselle Saal) and the Moor (Lippert) were much better than before.  It remained throughout the year the only admired German opera.  The loss of large receipts and the circumstance that many readings were changed, the dialogue shortened and the name of the author omitted from all mention, angered S. [Schikaneder] greatly.  He did not hesitate to give free vent to his gall, and to parody some of the vulnerable passages in the performance.  Thus the change of costume accompanying the metamorphosis of the old woman into Papagena seldom succeeded.  Schikaneder, when he repeated the opera at his theatre, sent a couple of tailors on to the stage who slowly accompanied the disrobing, etc.  These incidents would be trifles had they not been followed by such significant consequences; for from that time dated the hatred and jealousy which existed between the German operas of the two theatres, which alternately persecuted every novelty and ended in Baron von Braun, then manager of the Court Theatre, purchasing the Theater-an-der-Wien in 1804, by which act everything came under the staff of a single shepherd but never became a single flock"

(Thayer:  344; Thayer greift hier zur Beschreibung der Situation auf Treitschke zurück: 'Am 24. Februar 1801 fand im Kgl.-Kaiserl. Hoftheater am Kärtnernthor die erste Vorstellung der Zauberflöte statt.  Orchester und Chor, aber auch die Darstellter von Sarastro (Weinmüller), der Königin der Nacht, (Mme. Rosenbaum), Pamina (Demoiselle Saal) und des Mooren (Lippert) waren viel besser als zuvor.  Es blieb während dieses Jahres die einzige bewunderte deutsche Oper.  Der Verlust großer Einnahmen und der Umstand, dass viel im Text geändert worden war, der Dialog verkürzt und sein Name als Autor nicht erwähnt wurde, erboste S. [Schikaneder] sehr.  Er zögerte nicht, seinem Missfallen Ausdruck zu geben und einige der heikleren Szenen dieser Produktion zu parodieren, wie zum Beispiel der Verwandlung der alten Frau in Papagena, die selten erfolgreich vonstatten ging.  Als Schikaneder diese Oper an seinem Theater wiederholte, schickte er einige Schneider auf die Bühne, die der Ent- und Verkleidung beiwohnten und dabei mithalfen, usw.;  diese Vorfälle wären Kleinigkeiten gewesen, hätten sie nicht entscheidende Konsequenzen gehabt:   Von diesem Zeitpunkt an datierte der Hass und die Eifersucht, die zwischen den deutschen Opernensembles der beiden Theater herrschte und auf alle Neuerungen Einfluss hatte und damit endete, dass Baron von Braun, damals der Leiter des Hoftheaters, das Theeater an der Wien 1804 kaufte, womit alles unter einen Hirten kam aber nicht dafür sorgte, dass aus zwei Herden eine wurde'").

"'I have finally broken with Schikaneder, whose empire has really been entirely eclipsed by the light of the brilliant and attractive French operas. . . .  I have quickly had an old French libretto adapted and am now beginning to work on it.'  These comments by Beethoven, in a letter to Friedrich Rochlitz dated 4 January 1804, are the earliest indication of his decision to compose Leonore, later known as Fidelio.  Rochlitz had sent Beethoven the first act of a libretto he had written, but Beethoven rejected it, claiming the public was prejudiced against subjects with magic, though the prejudice was more Beethoven's than the publics.  He preferred grand, heroic topics, and on various occasions expressed distaste for the subjects of most of Mozart's major operas"

(Cooper: 137; Cooper zitiert hier zuerst Beethovens Schreiben vom 4. Januar 1804, in dem er zum Ausdruck bringt, dass er endlich mit Schikaneder gebrochen habe, dessen Reich durch das Licht der brillianten und attraktiven französischen Opern überschattet worden sei und dass er schnell ein altes französisches Libretto adaptieren liess und nun an ihm zu arbeiten beginne.  Cooper argumentiert weiter, dass diese Kommentare Beethovens die ersten zu seiner Entscheidung seien, seine Oper Leonore, später als Fidelio bekanntgeworden, zu komponieren.  Rochlitz habe Beethoven den ersten Akt eines Librettos gesandt, das Beethoven aber abgelehnt habe mit dem Grund, dass das Publikum gegenüber Sujets, die auf Zauberhandlungem basierten, voreingenommen sei, obwohl diese Voreingenommenheit wohl eher als die Beethovens bezeichnet werden könne.  Er, Beethoven, zog grosse, heroische Themen vor und habe zu verschiedenen Anlässen sein Missfallen an einigen der Sujets von Mozarts wichtigsten Opern geäussert).

Was wir hier verfolgen können, ist Beethovens weitere Entwicklung seines eigenen Geschmacks in bezug auf die Auswahl von für ihn tauglichen Opernthemen, wie der des Librettos zu seiner Oper Fidelio 

Beethovens Auffassung in bezug auf Ehe und eheliche Treue geht jedoch nicht nur aus der Wahl dieses Opernsujets hervor, sondern fand, wie Thayer berichtet, auch in seinem Verhältnis dazu in bezug auf Mozart, auch im wirklichen Leben seinen bestimmten Ausdruck:  

"A story related by Jahn is also to the point, namely, that Beethoven only by the urgent solicitations of the Czerny family was after much refusal persuaded to extemporize in the presence of a certain Madame Hofdamel.  She was the widow of a man who had attempted her life and then committed suicide; and the refusal of Beethoven to play before her arose from his having the general belief at the time, that a too great intimacy had existed between her and Mozart.  Jahn, it may be observed, had the great satisfaction of being able to prove the innocence of Mozart in this matter and of rescuing his memory from the only dark shadow which rested upon it"

(Thayer: 245; Thayer bezieht sich hier auf einen Bericht des Mozartforschers Jahn aus Bonn, demzufolge Beethoven nur nach langem Einwirken auf ihn durch die Czerny- Familie dazu bereit war, in der Gegenwart einer gewissen Mme. Hofdemel zu improvisieren. Sie sei die Witwe eines Mannes gewesen, der sie zu töten versuchte und danach Selbstmord beging; Beethovens Weigerung habe auf seinem Glauben an die allgemein verbreitete Geschichte beruht, dass zwischen dieser Dame und Mozart ein allzu intimes Einvernehmen bestanden habe. Jahn habe jedoch Mozarts Unschuld in dieser Angelegenheit beweisen können und damit den einzigen dunklen Punkt seines Rufes beseitigen können).

 

Mozart und Beethoven als reifer Komponist

In Beethovens 'reiferen' Jahren, also etwa von der Zeit der vollen Entwicklung seines sogenannten 'heroischen' Stils an bis an sein Lebensende im Jahr 1827, bleibt uns nun übrig zu verfolgen, wie sich sein Verhältnis zu Mozart gestaltete, nachem er sich von ihm als klassisches Vorbild in seinen eigenen Kompositionen gelöst hatte.  

Dazu bietet uns zunächst Thayer in seinem Kapitel zum Jahr 1805 einige von Ries, Czerny und anderen Beethovenfreunden überlieferte, jedoch keineswegs als hundertprozentig akkurat anzusehende Anmerkungen:

"We pass to the notices of Ries, Czerny and others, which record divers characteristic anecdotes and personal traits of the master, not susceptible of exact chronological arrangement but which belong to this period.  "Of all composers," says Ries (Notizen, p. 84), 'Beethoven valued most highly Mozart and Handel, then S. Bach.  Whenever I found him with music in his hand or lying on his desk is was surely compositions of these heroes.  Haydn seldom escaped without a few sly thrusts."  Compare this with what Jahn heard from Czerny:  "Once Beethoven saw at my house the sores of six quartets by Mozart.  He opened the fifth, in A, and said:  'That's a work!  that's where Mozart said to the world:  Behold what I might have done for you if the time were right!" 

(Thayer: 366; Thayer schreibt hier, dass er nun auf einige Anmerkungen von Ries, Cerzny und anderen eingehen werde, die verschiedene charatkeristische Anekdoten und persönliche Eigenheiten des Meisters übermittelten, und zwar nicht in genauer chronologischer Anordnung, sondern im allgemeinen dieser Zeit zugehörig. So habe Ries in seinen Notizen berichtet, dass Beethoven von allen Komponisten Mozart und Händel und danach Bach am meisten schätzte und dass, so oft er Musik anderer Komonisten auf Beethovens Schreibtisch fand, dies Kompsitionen dieser Helden gewesen seien, dass jedoch Haydn selten ohne Seitenhieb davongekommen sei.  Darauf fordert Thayer uns auf, Ries' Bemerkung mit der Bermkerung Czernys, die durch Jahn überliefert sei, zu vergleichen: 'Einmal sah Beethoven bei mir zu Hause Partituren zu sechs von Mozarts Quartetten.  Er öffnete das fünfte, das A-Dur-Quartett und sagte: 'Das ist ein Werk!  Hier sagte Mozart zur Welt:  Seht nur, was ich für euch getan hätte, wäre die Zeit nur reif gewesen!'" ).

Dass Beethoven Mozart weiterhin als ausgezeichnetes Vorbild für Kompositionsschüler gehalten haben mag, ergibt sich aus Thayers und Coopers Anmerkungen zu den Jahren 1808 und 1809:

"By 1808, at the latest, Beethoven had written out a cadenza for the first and third movements of Mozart's Concerto in D minor, K. 466 for Ferdinand Ries.  This was a favorite concerto with Beethoven which he played himself, it will be remembered, between the acts of the performance of La clemenza di Tito arranged by Mozart's widow at the Court Theatre on March 31, 1795.  According to Kinsky the handwriting is clearly of a later date; that it was composed for his student is indicated by the fact that the autograph to the first-movement cadenza was found among Ries' possessions"

(Thayer: 478; Thayer berichtet hier, dass Beethoven spätestens im Jahr 1808 Kadenzen für den ersten und dritten Satz von Mozarts d-Moll-Klavierkonzert, KV 466, geschrieben habe und dass dies eines seiner Lieblingskonzerte Mozarts gewesen sei, das er, wie Thayer hier vermutet, wohl am 31. März 1795 beim Benefizkonzert Konstanze Mozarts gespielt habe. Laut Kinsky sei die Handschrift dieser Partitur späteren Datums. Dass es wohl für seinen Schüler geschrieben worden sei, ergebe sich aus der Tatsache, dass sich das Autograph der Kadenz des ersten Satzes unter Ferdinand Ries' Nachlass befunden habe).

"One positive activity during these months, however, was the preparation of teaching material in composition for Archduke Rudolph.  . . .  It was probably during this summer, too, that he composed cadenzas for each of his first four piano concertos . . . and the piano version of the Violin Concerto, as well as two for Mozart's D minor Piano Concerto (K. 466).  These were presumably also intended for Rudolph, although at least one of the Mozart ones was evidently given to Ries shortly before his departure that summer"

(Cooper: 186; Cooper schreibt hier, dass eine positive Tätigkeit Beethoven während dieser Monate die Vorbereitung von Unterrichtsmaterial für seinen Kompositionsschüler, Erzherzog Rudolph, gewesen sei, und dass er wahrscheinlich auch in diesem Sommer Kadenzen zu seinen ersten vier Klavierkonzerten geschrieben habe, und die Klavierversion des Violinkonzerts, sowie auch zwei Kadenzen für Mozarts d-Moll-Konzert, KV 466, und dass diese vermutlich auch für Erzherzog Rudolph bestimmt waren, obwohl zumindest eine davon auch an Ries weiterging vor seiner Abreise aus Wien in diesem Sommer).

Beethovens Bitte an den Leipziger Musikverlag Breitkopf & Härtel im Juli des Jahres 1809 um Partituren zu Werken Mozarts, Haydns, J.S. Bachs und C.P.E. Bachs  (Cooper: 186) bezog sich wohl nicht nur darauf, diese zu Lehrzwecken bereitzuhaben, sondern wohl auch auf sein eigenes Interesse an ihnen für sein Privatstudium, aber auch für deren Aufführung in Privathaushalten oder für kleine Gesangsabende, die Beethoven vor dem Krieg eingeführt habe und nun wohl wieder aufnehmen wollte.

Dass Beethoven in seinen reiferen Jahren wohl weniger Vergnügen an öffentlichen Opernaufführungen gefunden haben mochte, ergibt sich aus seinem stetig, nach 1812 sogar in verstärktem Ausmass, fortschreitenden Gehörverlust.  Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass er im wirklichen Leben, sozusagen als 'Ersatz' dafür, 'Gefallen' gefunden hatte am Verhalten seiner Schwägerin Johanna van Beethoven, geb. Reiss, der Mutter seines Neffen Karl.  Hierzu schreibt Cooper: 

"Beethoven was sufficiently aware of her faults to conclude that, whatever qualities of love and affection she might bring as a mother, she was unfit to be a co-guardian and was likely to be a bad influence on Karl.  Once convinced of this, he put as much energy and determination into attempts at excluding her from the guardianship as he put into composition and all his other activities, for he saw Karl's education as a sacred duty that had been bestowed on him.  Some of his subsequent comments about Johanna's evil nature may have been exaggerated as a result of his desire to put his case, but his references to her as 'Queen of the Night', after the character in The Magic Flute, certainly had some basis, and several other people referred to her behaviour unflatteringly"

(Cooper: 246; Hier schreibt Cooper, dass Beethoven über die schlechteren Eigenschaften seiner Schwägerin gut genug im Bilde war, dass er, was immer sie auch an Liebe und Zuneigung für ihren Sohn aufbrachte, doch der Meinung war, dass sie als Mitvormund für ihn ungeeignet war und dass sie wahrscheinlich auf ihn einen schlechten Einfluss ausüben würde.  Als er davon überzeugt war, habe er auf ihren Ausschluss als Vormund genausoviel Energie und Entschlusskraft eingesetzt wie in der Fertigstellung seiner Kompositionen und in all seinen anderen Tätigkeiten, da er Karls Erziehung als heilige Pflicht ansah.  Einige seiner späteren Kommentare über Johannas schlechte Eigenschaften seien wohl etwas übertrieben gewesen, um ihm die Vormundschaft zu sichern, aber sein Vergleich zwischen ihr und der Königin der Nacht aus der Zauberflöte hatte gewiss einige reale Begründungen gehabt, und auch andere Leute hätten sich negativ über sie geäussert).

Etwa um diese Zeit, nämlich im Jahr 1817, erhielt Beethoven auch einen Besuch von Cipriani Potter aus England, dem Director der Royal Music Academy in London, der ihm Nachrichten von Ferdinand Ries, Neate, Rode und Dragonetti überbrachte.  Während eines Spaziergangs der beiden soll das Gespräch auf andere Komponisten gekommen sein, das Thayer wie folgt widergibt: 

"Beethoven used to walk across the fields to Vienna very often and sometimes Potter took the walk with him.  Beethoven would stop, look around and give expression to his love for nature.  One day Potter asked:  'Who is the greatest living composer, yourself excepted?'  Beethoven seemed puzzled for a moment, then exclaimed 'Cherubini'.  Potter went on:  'And of dead authors?'  Beethoven answered that he had always considered Mozart as such, but since he had been made acquainted with Handel he hat put him at the head" 

(Thayer: 683; Thayer beschreibt hier, dass Beethoven oft durch die Felder um Wien streifte und auf einigen dieser Spaziergänge Potter mitnahm.  Beethoven habe oft angehalten und seiner Naturliebe Ausdruck verliehen.  Eines Tages habe ihn Potter auf einem dieser Spaziergänge gefragt, wer der grösste lebende Komponist neben ihm sei, worauf Beethoven nach einigem Zögern Cherubini nannte.  Potter habe ihn danach gefragt, welcher der toten Komponisten der grösste sei, worauf Beethoven ihm geantwortet habe, dass er immer der Meinung gewesen sei, dass Mozart es sei, bis er mit Händel bekanntgemacht wurde, worauf er diesen an die Spitze setzte).  

Einige Jahre später, nämlich im Jahr 1821, soll sich Beethoven in einer Konversation mit Johann Friedrich Horzalka (1778 - 1860), einem  seit 1799 in Wien lebenden Komponisten und Pianisten, über die Zauberflöte geäussert haben:  

"In April, 1860, the author had a conversation with Horzalka in which the latter spoke very highly of Schindler and his disinterested fidelity in Beethoven.  Horzalka also said that in 1820 or 1821, as near as he can recollect, the wife of a Major Baumgarten took boy boarders in her home.  Her sister, Baroness Born, lived with her.  Fraum Baumgarten had a son who studied at Blöchlinger's Institute, and Beethoven's nephew was amongst her boarders.  One evening Horzalka called there and found only the Baroness Born at home.  Soon another caller came and stayed to tea.  It was Beethoven.  Among other topics, Mozart came under discussion, and the Baroness asked Beethoven, in writing of course, which of Mozart's operas he thought most of.  'Die Zauberflöte,' said Beethoven, and suddenly clasping his hands and throwing up his eyes exclaimed, 'Oh, Mozart!'  As Horzalka had, as was the custom, always considered Don Giovanni the greatest of Mozart's operas, this opinion by Beethoven made a very deep impression upon him.  Beethoven invited the Baroness to come to his lodgings and have a look at his Broadwood pianoforte"

(Thayer: 776; Thayer schreibt hier, dass er 1860 mit Horzalka ein Gespräch führte, in dem dieser sich sehr vorteilhaft über Schindlers Dienste an Beethoven geäussert haben soll.  Des Weiteren habe er erwähnt, dass entweder 1820 oder 1821, so weit er sich erinnern konnte, die Gattin eines Majors Baumgarten Knaben in ihrem Hause beherbergte, und dass ihre Schwester, Baronin Born,  auch bei ihr wohnte.  Frau Baumgarten habe einen Sohn gehabt, der bei Blöchlinger zur Schule ging, und dass sich Beethovens Neffe unter ihren Hausgästen befunden habe.  Eines Abends hätte er, Horzalka, sie dort aufgesucht und nur Baronin Born zuhause vorgefunden.  Bald habe sich ein anderer Besucher zum Tee eingefunden, nämlich Beethoven.  Unter anderen Themen sei Mozart diskutiert worden, und die Baronin habe Beethoven, selbstverständlich schriftlich, gefragt, von welcher Mozart-Oper er am meisten hielte.  "Die Zauberflöte', habe Beethoven geantwortet, und plötzlich seine Hände zusammengefaltet, seine Augen gerollt und ausgerufen, 'oh, Mozart!'  Da Horzalka, wie es der Brauch war, immer Don Giovanni für Mozarts grösste Oper gehalten hatte, habe Beethovens Meinung einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht.  Beethoven habe die Baronin eingeladen, sich bei ihm sein Broadwood-Klavier anzusehen). 

Wie Cooper berichtet, hat Beethoven in der 22-ten Variation seiner zu dieser Zeit entstandenen  Diabelli-Variationen die Arie 'Notte e giono faticar' aus Mozarts Oper Don Giovanni  zitiert, nachdem er wohl die Ähnlichkeit ihrer Eröffnungsphrase mit der Diabellis bemerkt habe (Cooper: 306).  Dies mag wohl darauf hinweisen dass, obwohl Beethoven die Zauberflöte für Mozarts größte Oper hielt, er doch auch die musikalischen Schätze des Don Giovanni dort zu schätzen wusste, wo sie ihm in seiner eigenen Arbeit quasi 'wie von selbst' entgegenkamen. 

Wie wir bereits aus den letzten Abschnitten der Beethoven-Biografie unserer Partnerwebsite wissen, erhielt Beethoven in den 1820-er Jahren oft Besuch aus England.  1823 besuchte ihn Edward Schulz, der seine Erinnerungen an diesen Besuch im Januar 1824 im Harmonicon veröffentlichte.  Thayer zitiert dies wie folgt:

"An excerpt from the letter will serve to advance the present narrative:  'In the whole course of our table-talk there was nothing so interesting as what he said about Handel.  It sat close by him and heard him assert very distinctly in German, 'Handel is the greatest composer that ever lived."  I cannot describe to you with what pathos, and I am inclined to say, with what sublimity of language, he spoke of the Messiah of this immortal genius.  Every one of us was moved when he said, 'I would uncover my head, and kneel down at his tomb!'  H. and I tried repeatedly to turn the conversation to Mozart, but without effect.  I only heard him say, 'In a monarchy we know who is the first'; which might or might not apply to the subject.  Mr. C. Czerny--who, by-the-by, knows every note of Beethoven by heart, though he does not play one single composition of his own without the music before him--told me, however, that B. was sometimes inexhaustible in his praise of Mozart. . . . "

(Thayer: 871; Thayer bringt hier den folgenden Ausschnitt aus Schulzes Brief:  'Während unsereres Tischgesprächs war nichts so interessant wie das, was er über Händel sagte.  Ich saß nah bei ihm und hörte in auf deutsch sehr deutlich sagen, 'Händel ist ger größte Komponist, der je lebte.'  Ich kann nicht beschreiben, mit welchem Pathos, und ich möchte fast sagen, mit welcher sprachlichen Erhabenheit, er vom Messias dieses unsterblichen Genies sprach.  Jedermann war davon gerührt, als er sagte, 'ich würde mein Haupt entblößen und vor seinem Grab niederknien!'  H. und ich versuchten wiederholt, das Gespräch auf Mozart zu bringen, aber ohne Erfolg.  Ich hörte ihn nur sagen, 'In einer Monarchie wissen wir, wer der erste ist', was sich auf diese Diskussion bezogen haben kann oder auch nicht.  Herr C. Czerny, der übrigens jede Note von Beethoven auswendig kennt, obwohl er keine seiner eigenen Kompositionen auswendig spielt, sagte mir jedoch, dass B. manchmal in seinem Lob Mozarts unerschöpflich war).

Thayer berichtet, dass der in Thüringen geborene und in London ansássige Johann Andresas Stumpff  Beethoven in Baden bei Wien im September 1824  besuchte.  Beethoven soll bei diesem Anlass sehr gut aufgelegt gewesen sein.  Lesen wir jedoch einen Teil von Thayers Bericht dazu: 

"To-day I am just what I am and what I ought to be,--all unbuttoned!"  And now he unbosomed himself on the subject of music, which had been degraded and made a plaything of vulgar and impudent passions.  'True music,' he said, found little recognition in this age of Rossini and his consorts.'  Thereupon I took up the pencil and wrote in very distinct letters:  'Whom do you consider the greatest composer that ever lived?' 'Handel,' was his instantaneous reply; 'to him I bow the knee,' and he bent one knee to the floor.  'Mozart,' I wrote.  'Mozart,' he continued, 'is good and admirable.' 'Yes,' wrote I, 'who was able to glorify even Handel with his additional accompaniments to The Messiah.'  'It could have lived without them,' was his answer.  .  .  . " 

(Thayer: 920; Thayer berichtet, dass Beethoven geäussert haben soll, 'Heute bin ich, was ich sein sollte, ganz aufgeknöpft!', und dass er dann zum Thema Musik sein Herz ausschüttete, die herabgewürdigt worden und ein Spielball der vulgären und unstatthaften Leidenschaften gemacht worden sei.  'Wahre Musik,' habe er gesagt, 'findet keine Anerkennung in diesem Zeitalter Rossinis und seiner Freunde.'  Draufhin habe Stumpff den Bleistift genommen und sehr deutlich geschrieben, wen Beethoven für den größten Komponisten halte, der je gelebt habe.  Beethovens sofortige Antwort sei gewesen:  'Händel, vor ihm knie ich mich nieder.', und er habe sich niedergekniet. Darauf habe Stumpff ihn schriftlich nach Mozart gefragt.  'Mozart', soll Beethoven gesagt haben, 'ist gut und bewundernswert.'  'Ja', habe Stumpff geschrieben, Mozart habe Händel auch noch mit der Bearbeitung seines Messias geehrt.  'Dieses Werk hätte auch ohne jene Bearbeitung  überlebt,' sei Beethovens Antwort gewesen).

Nach der Uraufführung von Beethovens Neunter Symphonie im Mai 1824 in Wien, deren finanzieller Erfolg nicht zu Beethovens Freude ausfiel, hat sich, wie Cooper berichtet, sein früherer Bonner Schüler, Ferndinand Ries, der sich zu dieser Zeit bereits in Godesberg bei Bonn angesiedelt hatte, im Rheinland für Beethovens Musik eingesetzt und  eine Aufführung des Werks auf dem Niederrheinischen Musikfest in Aachen organisiert.  Da Schott das Werk nicht rechtzeitig herausbringen würde, schrieb er an Beethoven und bat ihn um die Partitur.  Beethoven sandte ihm bereitwillig, was er zur Verfügung hatte.  Jedoch mussten einige Teile neu auskopiert werden, und diese Arbeit vertraute Beethoven dem Kopisten Ferdinand Wolanek an.  Lassen wir Cooper über den weiteren Verlauf berichten:  

"The task was entrusted to Ferdinand Wolanek, who made so many mistakes that Beethoven soon became angry.  Wolanek then returned what he had copied, excusing himself thus: ' . . . I am comforted only by the firm conviction that the same fate as mine would have befallen Mozart and Haydn, those celebrated artists, had they been employed by you as copyists.'  .  .  .  Beethoven, enraged, crossed out the entire letter and wrote across it in large letters: 'Stupid, conceited, asinine churl'; then at the bottom: 'So I must yet compliment such a scoundrel, who steals money from people!  Instead I'll pull his asinine ears.'  Turning over, he continued, 'Bungling scribbler!  Stupid Churl!  Correct your mistakes made though ignorance, arrogance, conceit and stupidity--this would be better than wanting to teach me, which is just as if the sow wanted to teach Minerva.'  In the margins he added: 'It was decided yesterday and even before then to have you write no more for me', and, 'Do Mozart and Haydn the honour of not mentioning them.'  Such vehemence in the face of arrogance and incompetence was highly characteristic of Beethoven"

(Cooper: 326; Cooper beschreibt hier, dass Wolanek so viele Fehler machte, dass Beethoven bald zornig wurde.  Wolanek habe ihm zurückgeschickt, was er kopiert habe, und sich wie folgt entschuldigt: 'Ich tröste mich nur in der festen Überzeugung, dass Mozart und Haydn, jene gefeierten Künstler, das selbe Schicksal ereilt hätte, falls sie für Sie als Kopisten gearbeitet hätten.' . . .  Beethoven habe daraufhin im Zorn den ganzen Brief durchgestrichen und darübergeschrieben: 'Dummer, eingebildeter Esel', und  unten 'so muss ich solch einem Schlingel noch Komplimente machen, der Geld von den Leuten stiehlt!  Stattdessen ziehe ich ihn an seinen Eselsohren.'  Dann habe er dass Blatt umgedreht und weiter geschrieben 'Elender Sudler!  Dummer Kerl!  Korrigieren Sie ihre Fehler, die Sie durch Irgnoranz, Arroganz und Dummheit gemacht haben--das wäre besser als mich lehren zu wollen, was genauso ist als wollte das Schwein Minerva lehren.'  Am Rande habe er noch hinzugefügt:  'Gestern wurde entschieden, und sogar schon zuvor, dass Sie für mich nicht mehr schreiben sollen', und 'Erweisen Sie Mozart und Haydn die Ehre, sie nicht zu erwähnen'  Cooper schliesst hier mit der Bemerkung, dass dieser Wutausbruch angesichts von Arroganz und Imkompetenz sehr charakteristisch für Beethoven war).

So wie Beethoven durch die 'Entehrung' der Namen Mozarts und Haydns durch seinen Kopisten sehr zornig wurde, so konnte er auch auf andere, vielleicht  doch noch angebrachtere, Weise zur Verteidigung Mozarts beitragen, wie dies Thayers Bericht von Beethovens Brief an Abbe Stadler zu dessen Verteidigung der Echtheit von Mozarts 'Requiem'  widerspiegelt: 

"on the 6th of Feby, 1826... Respected and venerable Sir!  You have done a really good deed in securing justice for the manes of Mozart by your truly exemplary and exhaustive essay.  Both lay and profane, and all who are musical or who can in any way be accounted such must give you thanks--Either nothing or a great deal is required to broach such a  subject as Herr W. has done.   When it is also considered, as far as I know, that such a one has written a book on composition and yet tries to attribute such passages as [musical example to Mozart, and if one adds to it an example of W(eber)'s own crudities such as [musical example] we are reminded by H.W.'s amazing knowledge of harmony and melody of the old and dead Imperial composers Sterkel, Haueisen, Kalkbrenner (the father), Andre (certainly not the other one) and so forth.  ...  Requiescant in pace--But I am particularly grateful to you, my honored friend, for the happiness you have given me in sending me your essay.  I have always counted myself among the greatest admirers of Mozart and shall remain so until my last breath--Reverend Sir, your blessing very soon--With sincere regards, venerable Sir, I remain your faithful Beethoven"

(Thayer: 987-88; 'am 6ten Februar 1826---Verehrungswürdiger Herr!  Sie begingen wirklich eine gute Tat, indem Sie Mozart durch ihr wirklich beispielhaftes und aufsührliches Essay verteidigten.  Sowohl Laien als Fachleute, und alle, die musikalisch sind oder die in irgendeiner Weise als solche gelten können, danken Ihnen-- es erfordert entweder nichts oder sehr viel, um solch einen Gegenstand aufzugreifen, wie es Herr W. tat.  Wenn man auch bedenkt, dass, soviel ich weiss, solch einer ein Buch über Komposition geschrieben hat und trotzdem Passagen wie diese {Musikbeispiel] Mozart zuschreibt, und wenn man dagegen ein Beispiel von W[ebers] eigenen Grobheiten wie diese {Musikbeispiel} hält, werden wir durch H.W.'s erstaunliche Kenntnis der Harmonie und Melodie an die alten und toten kaiserlichen Komponisten Sterkel, Haueisen, Kalkbrenner (den Vater), Andre (bestimmt nicht den anderen) und so weiter erinnert.  ... Sie ruhen in Frieden--Aber ich bin Ihnen besonders dankbar, mein verehrter Freund, für das Glück, das Sie mir dadurch bereitet haben, dass Sie mir Ihr Essay geschickt haben.  Ich habe mich immer zu den größten Bewunderern Mozarts gezählt und werde es bis zu meinem letzten Atemzug bleiben--Hochwürdiger Herr, Ihren Segen bitte sehr bald--Mit herzlichen Grüßen, verehrter Herr, verbleibe ich Ihr ergebener Beethoven).

Auch nach Beethovens letztem Atemzug sollte Mozarts Requiem noch eine Rolle spielen:  

"On April 3rd [1827] Mozart's Requiem was sung at the Church of the Augstinians, under the direction of Lablache. . . . "

(Thayer: 1056; Thayer berichtet hier, dass [nach Beethovens Tod], am 3. April 1827, Mozarts Requiem für ihn in der Augustinerkirche unter der Leitung von Lablache gesungen wurde).

Abschliessend lässt sich vielleicht feststellen, dass auch auf Beethoven das zutrifft, was Friedrich Nietzsche seinen Zarathustra sagen lässt:

"Man vergilt einem Lehrer schlecht, wenn man immer nur Schüler bleibt."  (Zarathustra I, Von der schenkenden Tugend 3).

Hat nicht Beethoven in diesem Sinn seinem Lehrer Mozart in rechter Weise vergolten?

 

Quellen:

Cooper, Barry.  Beethoven.  (The Master Musicians, Series edited by Stanley Sadie).  Oxford: 2000, Oxford University Press.

Ley, Stephan.  Beethoven.  Sein Leben in Selbstzeugnissen, Briefen und Berichten.  Berlin: 1939: Propyläen-Verlag.

Schmidt, Dr. Leopold.  Beethoven=Briefe.  Berlin: 1922, Volksverband der Bücherfreunde.  Wegweiser-Verlag.

Thayer's Life of Beethoven, edited by Elliott Forbes. Princeton, New Jersey Princeton University Press, 1964.



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